Diskussion Die Userkommentare im April und Kommentarregeln aus aller Welt
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06. Mai 2024, 10:00 Uhr
Mehr als 22.000 Userkommentare hatten wir wieder im Monat April. Ein Promille davon lesen wir Ihnen vor, ehe es um mehr oder weniger drakonische Kommentarregeln anderer Medien geht.
Die Zahlen
Eine Art Hattrick - der April war der dritte Monat hintereinander mit einer 22.000er-Kommentarzahl.
Auf der Website hatten wir 326 eigene Artikel. Davon waren 73 Prozent der Themen außerhalb des "Blaulichtbereichs" (wie Unfälle, Todesmeldungen, Prozesse, Ermittlungsverfahren) kommentierbar. Facebook hatte 236 Postings, Instagram 120. Auf der Website blieben 17 Prozent der kommentierbaren Artikel unkommentiert.
Zur Grafik: Im Sommer 2023 wurden die Wahlen in Sonneberg und Nordhausen überdurchschnittlich intensiv diskutiert. Der hohe Wert über 7.000 Anfang August geht auf Sommerinterviews und den Bürgerdialog des Bundeskanzlers in Erfurt zurück. Im Januar 2024 lieferten die zwei Durchgänge der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis sehr nennenswerte Kommentarzahlen.
Die Topthemen
Die unterschiedlichen Topthemen spiegeln aber nicht nur das Userinteresse daran, sondern auch die etwas unterschiedlichen Inhalte auf den verschiedenen Kanälen. Nicht alle Website-Artikel werden zu Postings auf Facebook oder Instagram, wo wir auch viele Alltagsthemen oder "Leichteres" posten.
In unseren digitalen Kneipen aufgeschnappt
Einige Ihrer veröffentlichten und unveröffentlichten Kommentare - von uns gesprochen. Viel Spaß - und vielen Dank für Beiträge an die User "annekathrinlinge_photography", "Anni22", "beyer", "Christian Steiner&Sandra Kretzschmar", "dakl83", "DER Beobachter", "Der Matthias", "Dermbacher", "DIT", "Francis ElPunkt&Daniel Kramer", "gur_ke&gewitterstreifendad", "Je NnY", "karinaluhn", "Matthias Zenge", "Michael Möhring", "Salzbrot", "Thommi Tulpe" sowie einige aus verschiedenen Gründen Ungenannte.
... und noch mehr
Mensch und Tier - ein schwieriges Thema, egal ob Wolf, Biber oder Waschbär. Im April waren es eine abgesagte Hundeausstellung mit der Debatte um "Qualzuchten" und das Thema Tierversuche, die die Gemüter durchaus erregten. Bei Tierversuchen gingen einige Tierverteidiger sogar so weit, statt Tierversuchen Versuche an Menschen zu fordern, die es in der Praxis erst als letzte Stufe im Zulassungsverfahren von Medikamenten gibt.
Besonders lesenswert waren auch diesmal alltagsnahe Themen wie die Reservierungs- und Absage-Gewohnheiten in Restaurants.
In die gleiche Liga gehörten - nicht unerwartet - zwei Auto-Themen: Fahrschulkosten und eigene Gewohnheiten beim Thema Geschwindigkeit.
Wie gehen andere Medien mit Userkommentaren um?
Eigentlich wäre es ja eine Doktorarbeit, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Netiquetten zwischen Los Angeles und Sydney, zwischen London und Johannesburg zusammenzustellen. Mehr als eine kleine Stichprobe geht hier also nicht.
In den Grundpositionen sind sich die Netiquetten erst einmal ähnlich: Konstruktiver, sachlicher Austausch mit möglichst vielfältigen Meinungen ist gewünscht - auch wenn User vor allem einfach ihre Meinung sagen wollen und die "diskursiven" Motive wie "Austausch" oder "andere überzeugen" für sie deutlich weniger Gewicht haben. Mehr oder weniger ausführlich und detailliert erfassen die Kommentar-Regeln die Standards wie nichts Illegales, nichts Themenfremdes, kein Rassismus, nichts Pornografisches, nichts Kommerzielles, keine herabsetzenden Pauschalisierungen über ganze Gruppen hinweg. Gefordert wird regelmäßig ziviler Ton: "Zeigen und teilen Sie Ihre Intelligenz, Ihre Weisheit und Ihren Humor, von denen wir wissen, dass Sie sie besitzen." ("The Guardian")
Zeigen und teilen Sie Ihre Intelligenz, Ihre Weisheit und Ihren Humor, von denen wir wissen, dass Sie sie besitzen.
Nein zu persönlichen Attacken
Die danach größte Gemeinsamkeit ist die Schranke gegen persönliche Attacken: "Wenn Sie einem Artikel oder Kommentar widersprechen, kritisieren Sie dessen Inhalt und greifen nicht den Verfasser an", heißt es etwa bei Zeit Online oder "unzulässig sind persönliche Attacken aller Art" (Taipei Times). Regelmäßig untersagen Medien auch "Provokationen, die nur die Diskussion stören sollen".
Bei der Detailtiefe unterscheiden sich die Regeln deutlicher. Ganz häufig endet die Aufzählung nicht zulässiger Aktionen mit "... und sonstigem Beanstandungswürdigen/Anstößigen" ("otherwise objectionable"). Diese selbst genommene Freiheit, auch ohne wörtliche Aufzählung aller Verhaltensweisen nach Ermessen Kommentare zu verbergen, findet sich genauso in den USA mit ihrer auf Anhieb ungewöhnlichen Rechtslage.
USA: Große Redefreiheit und große Löschfreiheit
Einerseits leben US-Amerikaner ihre gerade nach europäischen Maßstäben äußerst weite Redefreiheit gestützt auf den ersten Verfassungszusatz. Gleichzeitig haben Web-Angebote seit Mitte der 1990er-Jahre große Freiheiten. Section 230 des "Communications Decency Acts" stellt sie einerseits von Haftung für Userkommentare frei, nimmt sie also nicht in die Pflicht zum Verbergen. Das Gesetz erlaubt ihnen aber gleichzeitig, Kommentare zu entfernen, die sie für "obszön, unzüchtig, lasziv, schmutzig, übermäßig gewalttätig, belästigend oder anderweitig beanstandungswürdig" halten - auch wenn diese Kommentare eigentlich von der Verfassung geschützt wären. Zu recht freien Definitionen unzulässigen Materials gehört auf der anderen Seite des großen Teichs auch: "Das Verbreiten von Inhalten, die sonst unlauter sind oder gegen die guten Sitten verstoßen bzw. moralisch verwerflich sind, ist in unserem Kommentarbereich nicht gestattet" bei "Kleine Zeitung" aus Österreich.
Das Verbreiten von Inhalten, die sonst unlauter sind oder gegen die guten Sitten verstoßen bzw. moralisch verwerflich sind, ist in unserem Kommentarbereich nicht gestattet.
Die Schiedsrichter in den Redaktionen arbeiten eher seltener mit Vormoderation wie wir oder etwa die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" oder der "Tagesspiegel" - häufiger aber zeitweise bei besonders kontroversen Themen bei der "Welt" oder der "Chicago Tribune". Die Welt mit nach eigenen Angaben 30.000 Kommentaren am Tag setzt ansonsten einen Algorithmus ein, der die menschlichen Moderatoren auf Problemfälle aufmerksam macht, ähnlich wie der "Foromat" des österreichischen "Standard" oder ein Filter beim südafrikanischen "Sowetan".
Die zulässige Länge für Kommentare schwankt bei der Stichprobe zwischen 800 Zeichen ("Focus") oder 150 Wörtern ("Daily Star Dhaka", Bangladesch) und 2.000 Zeichen beim "Tagesspiegel". "Ganze Sätze" verlangt dabei "The Hindu" aus Chennai in Indien von seinen Usern. Die Möglichkeit, Kommentare zu kürzen, behält sich die "FAZ" vor. Mehrfach wenden sich die Redaktionen gegen Postings, die "eine bereits geäußerte Meinung in gleicher oder ähnlicher Weise wiedergeben" ("Focus" oder "The Nation", Nigeria) oder gegen allein stehende Zitate.
Das haben nicht alle
"Individuelle" Besonderheiten bei Regeln oder ihrer Formulierung haben fast alle Medien: Die "Chicago Tribune" kündigt eine Tabelle der User an, die sich aus Häufigkeit und Qualität der Postings sowie der Antworthäufigkeit auf sie ergebe. Die "Bangkok Post" untersagt alles, was mit der königlichen Familie in Zusammenhang steht, die "Augsburger Allgemeine" Inhalte, die "dem Ansehen der Betreiberin Schaden zufügen bzw. den Frieden im Kommentar-Bereich stören und gefährden können", die "Kleine Zeitung" "Scherzhaftes oder nicht ernst Gemeintes" beim Thema Gewalt. Der "Standard" sieht seine User in der Verantwortung, Interpretationen auszuschließen, die auf eine Pauschalisierung von Gruppen hinauslaufen.
Der "Sydney Morning Herald" lässt nur noch zehn Kommentare pro User und Artikel zu, der "Focus" untersagt Beiträge unter anderem mit zu vielen sprachlichen Fehlern, falschem Satzbau oder Smileys und Chat-Symbolen. Einzelne Kommentare hervorheben, die die Redaktion besonders inhaltsreich oder gedankenvoll hält, praktiziert etwa die "Washington Post". Wir nutzen diese "Empfehlen"-Funktion nicht, weil sie das Risiko mit sich bringt, dann mit Blick auf den Inhalt als nicht neutral angesehen zu werden, auch wenn es nicht um die inhaltliche Meinung an sich ging, sondern um die Argumentationsstärke.
Beiträge mit zu vielen sprachlichen Fehlern, falschem Satzbau, durchgehender Klein- oder Großschreibung, Hervorhebungen, übertriebener Zeichensetzung, fehlenden Abständen, unüblichen Abkürzungen, Smilies oder anderen Chat-Symbolen können wir leider nicht veröffentlichen.
Natürlich sparen die Medien nicht mit gut gemeinten Empfehlungen für ihre Userschaft: "Zynismus und Ironie sind in schriftlicher Kommunikation oft nicht eindeutig zu erkennen. Setzen Sie diese Stilmittel also vorsichtig ein, um nicht missverstanden zu werden" ("Zeit") oder ganz knapp die "Los Angeles Times": "Zuallererst: Versuchen Sie, nicht aus der Wut heraus zu kommentieren."
P.S.: Wie diese Medien ihre Regeln umsetzen, ließ sich mit vertretbarem Aufwand nicht recherchieren. Und wir teilen den Wunsch des Teams vom "Standard" an seine eigentlich zu gutem Schmäh begabte Userschaft: "Kommunizieren Sie mit uns - sowohl in Postings als auch in Emails - auf Augenhöhe."
MDR (csr)
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