Glasflaschen werden gebrannt 3 min
Video: Bei Heinz-Glas in Piesau geht eine neue Elektroschmelzwanne in Betrieb. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Energie Wechsel auf Strom: Heinz-Glas Piesau will völlig weg vom Erdgas

21. September 2024, 05:00 Uhr

Der fränkisch-thüringische Hersteller Heinz-Glas verabschiedet sich in seinem Werk Piesau im Thüringer Wald gerade vom Erdgas. Mit Strom sollen Flakons und Fläschchen künftig gefertigt werden. Davon werden die Mitarbeiter profitieren: Im Werk wird es weniger heiß sein.

Heinz-Glas in Piesau stellt abgefahrene Sachen her. Namhafte Parfümhersteller lassen ihre hochwertigen Fläschchen und Flakons in der Glashütte mitten im Thüringer Wald fertigen. Der gute Ruf des Unternehmens hat sich auch zu Teslabauer Elon Musk rumgesprochen.

Er hat in Piesau eine schwarz glänzende Bierflasche in Auftrag gegeben. Das Tesla-Bier hat den Geschmack der Südthüringer Glasmacher zwar nicht getroffen, aber ein Exemplar der limitierten und edel wirkenden Bierflasche hat einen Ehrenplatz in der Vitrine im Foyer der Firma bekommen.

Heinz Glas Piesau aussenansicht
Bei Heinz-Glas in Piesau läuft die Produktion unter anderen Vorzeichen neu an. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Neue Elektro-Schmelzwanne geht in Betrieb

Im Herzstück der Glashütte kreischt eine Flex. Bauarbeiter machen die allerletzten Handgriffe für die neue Elektro-Schmelzwanne. "Sie steht und wird langsam angetempert", sagt Werksleiter Reiner Bock. Das läuft noch mit Gasbrennern. Denn das Aufheizen einer Schmelzwanne sei für jeden "Hüttner" ein aufregender Moment. Laut Bock dauert das mindestens zehn Tage. Die Temperatur in der Wanne wird um fünf bis sechs Grad in der Stunde erhöht.

Elektroschmelzwanne Heinz Glas Piesau
Die neue Schmelzwanne bei Heinz-Glas in Südthüringen. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Nach und nach werden Glasscherben und die sonstigen Rohstoffe hineingegeben und werden flüssig. Erst wenn die Wanne voll ist, kommt die E-Technik zum Zug. "Wir schieben dann so eine Art Heizstäbe in das Glas hinein. Flüssiges Glas leitet Strom und wird dann über die Elektroden erhitzt", erklärt der Werkleiter geduldig.

Mitarbeiter Heinz Glas Piesau
Werkleiter Reiner Bock ist stolz auf das Geschaffte. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Mehr Platz und weniger Hitze mit neuer Schmelzwanne

Ein entscheidender Vorteil der E-Wanne für die Mitarbeiter ist, dass es in der Halle künftig nicht mehr so extrem heiß sein wird. Und auch bisschen mehr Platz wird sein. Früher stand hier eine fast doppelt so große Schmelzwanne, die mit Erdgas befeuert wurde. In der Hütte war es unerträglich heiß, dunkel und eng. Eigentlich wollte Heinz-Glas die zehn Jahre alte Wanne noch mal renovieren. Aber da kam die Energiekrise mit drastisch steigenden Gaspreisen dazwischen.

Ich stelle mir für das Werk hier in Piesau vor, dass es die erste Glashütte wird, die auf fossile Energieträger komplett verzichten kann.

Carletta Heinz Geschäftsführerin Heinz-Glas

Mitarbeiterin Heinz Glas Piesau
Geschäftsführerin Carletta Heinz hat eine klare Vision für ihr Unternehmen. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Vision: Erste Schmelzhütte ohne fossile Energie

So verrückt das klingt, die Krise spielte Geschäftsführerin Carletta Heinz in die Karten. "Mir hat es tatsächlich in der internen Kommunikation geholfen, es war ein bisschen Futter, um gegen die Gaswanne zu argumentieren. Und ich konnte dann auch meine Kollegen und meinen Vater überzeugen, dass wir auch hier in Piesau auf eine Elektrowanne umstellen sollen".

Denn Carletta Heinz hat für Piesau eine Vision: "Ich stelle mir für das Werk hier in Piesau vor, dass es die erste Glashütte wird, die auf fossile Energieträger komplett verzichten kann." Und das nicht irgendwann, sondern schon in fünf bis sechs Jahren. Klar sei das noch ein weiter Weg, aber sie sei auch bereit, selbst dafür zu investieren. Am Standort im bayerischen Kleintettau entstehe zum Beispiel ein Windpark.

Elektroschmelzwanne Heinz Glas Piesau
Der Betrieb musste für den Umbau zeitweise ruhen. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Heinz hofft auf mehr erneuerbare Energien in Thüringen

Noch kommt der Strom für die neue E-Wanne in Piesau ganz normal aus der Leitung. Heinz hofft, dass der Ausbau erneuerbarer Energien auch in Thüringen vorankommt. Und aktuell forscht das Unternehmen zusammen mit Wissenschaftlern an einer völlig neuartigen Elektrowanne, die es so bisher weltweit noch nicht gibt.

Die Lage ist stabil, aber einen großen Zugewinn sehen wir aktuell nicht.

Carletta Heinz Geschäftsführerin Heinz-Glas

Herkömmliche E-Wannen haben aktuell den Nachteil, dass man nur einen deutlich geringeren Anteil an Scherben einschmelzen kann. Vom Bund gab es dafür 15 Millionen Euro Fördergeld. Die Investition insgesamt beläuft sich auf bis zu 60 Millionen Euro. Bis jetzt wurden in Piesau rund 17 Millionen Euro investiert. Anfang Oktober soll die Produktion langsam wieder anlaufen. Wobei das Wort "langsam" durchaus wörtlich genommen werden darf. Heinz sagt, die Marktlage sei gerade nicht so berauschend. "Aktuell sind wir froh, dass es nicht nach unten geht. Die Lage ist stabil, aber einen großen Zugewinn sehen wir aktuell nicht", so Carletta Heinz.

Elektroschmelzwanne Heinz Glas Piesau
In Piesau wird langfristig gedacht. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Werkleiter: Neuanlauf macht Spaß und stolz

Werkleiter Reiner Bock freut sich, dass in der Hütte bald wieder Leben ist. Seit Ostern ruhte in Piesau die Produktion. "Das war schon irgendwie ein komisches Gefühl, diese Halle so leer und ruhig zu sehen." Die 280 Mitarbeiter wurden in anderen Standorten eingesetzt oder bummelten Überstunden ab. Das hat zwischenzeitlich auch für Gerüchte in der Region gesorgt, wonach sich das Unternehmen mit seinen Investitionen möglicherweise übernommen habe.

Davon ist gerade keine Rede mehr. Bauer ist vielmehr dankbar. "Das macht schon Spaß gerade. Und es macht mich auch stolz, dass man von der Geschäftsführung das Vertrauen bekommt und auch sieht, dass hier was vorwärts geht." Aber dass sich diese riesigen Investitionen für Heinz-Glas nicht gleich in zwei bis drei Jahren rechne, sei eben auch klar.

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MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 18. September 2024 | 19:30 Uhr

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