Meiningen Warum die Welkershäuser Dorfkirche verkauft werden soll
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25. Juni 2023, 05:00 Uhr
Der Evangelische Kirchenkreis Meiningen will die Dorfkirche in Welkershausen abstoßen, weil Geld für die notwendige Sanierung fehlt. Was mit der Kirche danach passiert, liegt jetzt in den Händen der Welkershäuser.
Eine alte Steintreppe führt hoch zu der kleinen, von außen schlichten Dorfkirche im Meininger Ortsteil Welkershausen. Einige der Steine sind nicht mehr fest verfugt. Der Aufstieg ist ein bisschen wacklig.
Hinter der grünen Holztür verbirgt sich eine kleine Überraschung. Der Innenraum der im Jahr 1724 gebauten Kirche ist im Gegensatz zum äußeren Eindruck ein richtiges Schmuckstück. Historische Wandbemalungen verleihen dem Raum eine eigene Aura.
Sinkende Mitgliederzahlen, sinkende Einnahmen
Ein Donnerstagabend Mitte Juni. Die Holzbänke sind gut gefüllt, rund 40 Menschen haben in den fünf Reihen Platz genommen. Ein in diesen Räumen eher seltener Anblick. Anlass ist kein Gottesdienst, sondern ein Bürgergespräch zur Zukunft der Kirche. Denn der Evangelische Kirchenkreis Meiningen hat ein Problem. Auch er ist von sinkenden Mitgliederzahlen betroffen.
"Und das wirkt sich auch finanziell aus", sagt Tilman Krause, geschäftsführender Pfarrer des Meininger Kirchenkreises. Konkret bedeute das, nicht alle Immobilien könnten langfristig gehalten werden. Nach Diskussionen im Kreiskirchenrat sei die Kirche in Welkershausen in den Fokus geraten, erzählt Krause. Sie seien zu der einhelligen Meinung gekommen: Auf sie könnte die Gemeinde am ehesten verzichten.
Gebäude muss saniert werden
Als einzige regelmäßige Veranstaltung findet in der Dorfkirche in Welkershausen noch eine sogenannte Sommerkirche statt. Sie besteht aus einer sonntäglichen Abendandacht in den warmen Monaten. Laut Pfarrer Tilman Krause nehmen zwischen 15 und 25 Menschen teil. "Darunter ist genau eine Person, die aus Welkershausen kommt."
Die Sommerkirche könnte man demnach auch in einen der umliegenden Orte verlegen, so Krauses Schlussfolgerung. Sein Eindruck ist, dass es aus dem Ort heraus ansonsten wenig Interesse an der Kirche gibt. Und dann ist da noch der schlechte bauliche Zustand des Gebäudes. Die Fenster sind morsch, die Balken im Turm von Holzfäule befallen, zählt Krause auf.
Hinzu kommt die kaputte Glocke, die wacklige Steintreppe, der fehlende barrierefreie Zugang zur Kirche. Wie hoch die Sanierungskosten ausfallen werden, ist unklar. Klar sei aber, wie Pfarrer Krause sagt, dass das Geld fehlen wird.
Gerüchte über einen Abriss kursieren
Einige Leute interessiert es schon, was mit der Kirche in Welkershausen passiert. Unter den 40 Menschen, die zum Bürgergespräch gekommen sind, ist auch Manfred Bickel. Ihm ist zu Ohren gekommen, dass die Kirche in letzter Instanz abgerissen werden könnte: "Das hat mich geschockt", sagt der 85-Jährige.
Ich hoffe, dass sich jemand findet, der die Sache in die Hand nimmt.
Manfred Bickel ist in Welkershausen geboren, in der Dorfkirche getauft und konfirmiert worden. Früher hat er auch die Glocken geläutet, erzählt er. Zeitlebens hat er sich ehrenamtlich im Ort engagiert. Jetzt die Kirche zu retten, dafür sei er mit 85 Jahren aber nicht mehr in der Lage. "Ich hoffe, dass sich jemand findet, der die Sache in die Hand nimmt."
Bei dem Bürgergespräch entlädt sich auch bei anderen Frust. Ein Mann findet, die Stadt Meiningen müsste sich verantwortlich zeigen. Viele machen ihrem Unverständnis Luft. Schule und Friedhof wurden in Welkershausen geschlossen, das Sängerheim verkauft und jetzt soll auch noch die Kirche verschwinden?
Ideen für neue Nutzung gesucht
Auch Pfarrer Tilman Krause hoffe, dass sich jemand aus dem Dorf der Zukunft des Kirchgebäudes annimmt und macht außerdem klar: "Das denkmalgeschützte Gebäude abzureißen, steht überhaupt nicht zur Debatte." Das Bürgergespräch sei organisiert worden, um Ideen zu sammeln, wie die Kirche anders genutzt werden könnte. In kleinen Gruppen wurden Gedanken und Wünsche ausgetauscht. Die Kirche als Ort für Kultur- und Musikveranstaltungen oder als Veranstaltungsort für Vorträge mit Inhalten über die Bibel hinaus. Die Kirche als Café?
EKM: Zahl ähnlicher Fälle steigt
Was in Welkershausen passiert, ist kein Einzelfall. Laut der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) stehen auf dem eigenen Gebiet, das sich überwiegend in den Ländern Thüringen und Sachsen-Anhalt befindet, 3.890 Kirchen. Dies entspreche rund 20 Prozent aller Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland, obwohl es in der EKM nur 3,2 Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder gibt.
Nirgendwo sonst in Deutschland fänden sich so viele geschichtsträchtige Gotteshäuser. Die durchschnittliche Zahl der Gemeindeglieder pro Kirche liegt in der EKM nach eigenen Angaben bei 178, der bundesweite EKD-Durchschnitt liegt bei 1.190. All das zeige, welche große Herausforderung die Sanierung und der Erhalt der Kirchen für die EKM bedeute.
Dazu komme, dass etwa die Hälfte der erfassten Kirchen sanierungsbedürftig seien. Gleichzeitig würden nicht mehr alle Kirchen regelmäßig genutzt. Dennoch heißt es von der EKM, werde immer erst nach Wegen gesucht, Kirchen weiter und gegebenenfalls auch anders zu nutzen. Ist das nicht möglich, wird ein Verkauf in Betracht gezogen.
Zunehmender Trend auch bei Kirchen-Verkäufen
Die EKM gibt an, dass seit 1990 elf Kirchen im eigenen Gebiet verkauft wurden, in den vergangenen Jahren sei etwa eine Kirche pro Jahr betroffen. In Thüringen wurde eine Kirche in Neustadt am Rennsteig abgerissen, die zuvor jahrelang nicht genutzt worden war. Für einige Kirchen konnte eine neue Nutzungsform gefunden werden. Grundsätzlich gibt es laut Elke Bergt, Leiterin des Baureferates im Landeskirchenamt der EKM einen zunehmenden Trend bei Verkäufen.
Das denkmalgeschützte Gebäude abzureißen, steht überhaupt nicht zur Debatte.
Engagement der Welkershäuser gefragt
Mit Blick auf die Dorfkirche in Welkershausen sagt Pfarrer Tilman Krause: "Alle Vorstellungen und Wünsche können geäußert werden". Wichtig sei ihm im Zuge dessen aber auch, dass man sich selbst fragt: Bin ich bereit, mich für die Realisierung meines Wunsches einzubringen? Krause hofft nach eigenen Worten darauf, ein neues Bewusstsein und Interesse für die Dorfkirche zu wecken.
Seiner Meinung nach sollte die Chance, die das Gebäude an sich bietet, genutzt werden. Unabhängig davon, ob dort dann noch Glauben praktiziert wird: "Wenn so ein Raum nur noch Museumscharakter hat, finde ich das traurig". Um eine Lösung zu finden, will Tilman Krause weitere Bürgergespräche organisieren.
Manfred Bickel findet es gut, dass der Kirchenkreis Meiningen die Bürger in Welkershausen in die Entwicklungen mit einbezieht. Auch für ihn darf sich die Nutzung der Kirche verändern: "Hauptsache, das Gebäude bleibt erhalten."
MDR (jn/gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 23. Juni 2023 | 18:10 Uhr
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