Tilo Kummer (Linke), Bürgermeister von Hildburghausen, gibt seine Stimme beim Bürgerentscheid zu seiner Abwahl ab.
In Hildburghausen wurde am Sonntag über die Zukunft von Tilo Kummer abgestimmt. Er ist nicht länger Bürgermeister der Stadt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Reichel

Bürgerentscheid Tilo Kummer abgewählt: Hildburghausen will neuen Bürgermeister

27. Februar 2023, 07:13 Uhr

Tilo Kummer (Linke) ist nicht mehr Bürgermeister von Hildburghausen: Eine Mehrheit hat laut dem vorläufigem Wahlergebnis für seine Abwahl gestimmt. Damit war Kummer nur knapp drei Jahre im Amt. Obwohl Kummer keine rechtlichen Verstöße begangen oder sein Amt missbraucht haben soll, musste er sich dem Abwahlverfahren stellen.

Kurz vor 20 Uhr waren am Sonntag in Hildburghausen die Stimmen ausgezählt und das vorläufige Wahlergebnis stand fest: Hildburghausen will seinen Bürgermeister nicht mehr. 2.853 Menschen haben sich laut Wahlleiterin Kristin Obst für die Abwahl von Tilo Kummer ausgesprochen, 1.390 waren dagegen.

Damit wurde auch das Quorum erreicht: Die Regeln sehen vor, dass sich 30 Prozent der Wahlberechtigten für die Abwahl aussprechen müssen. Knapp die Hälfte der Wahlberechtigten hatten sich demnach an der Abstimmung beteiligt.

Kummer war am 8. März 2020 mit 51,8 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister gewählt worden. Er hatte damals einen Gegenkandidaten und eine Gegenkandidatin. Nur knapp drei Jahre war der Kommunalpolitiker damit im Amt.

Antrag auf Abwahl löst Kontroversen aus

Der Bürgerentscheid war unter anderem von Stadträten der SPD, AfD und einer rechtsextremen Wählervereinigung in Gang gesetzt worden, was Kontroversen vor allem innerhalb der SPD in Thüringen ausgelöst hatte. In dem Abwahlantrag hatten die Unterzeichner argumentiert, das Vertrauensverhältnis der Bürger zum Bürgermeister sei gestört. Besorgte Einwohner hätten sich teils persönlich an die Stadträte gewandt, weil sie mit seiner Amtsführung unzufrieden seien. Streitthemen waren unter anderem ein Schwimmbad, Probleme in einem Kindergarten und bei der Feuerwehr.

Führende Thüringer SPD-Politiker hatten davor gewarnt, das Abwahlverfahren gegen Kummer zusammen mit der AfD und dem Stadtrat der Wählervereinigung Bündnis-Zukunft-Hildburghausen (BZH) auf den Weg zu bringen. Im Verfassungsschutzbericht 2019 wurde die Gruppierung BZH als "führende rechtsextremistische Vereinigung im Landkreis Hildburghausen" bezeichnet.In Thüringen ist auch der AfD-Landesverband vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und wird beobachtet.

Hohe Hürden für Abwahlverfahren

Für die Einleitung des Abwahlverfahrens war eine Zweidrittel-Mehrheit im Stadtrat nötig gewesen. Alle Stadträte außer die der Linken hatten für das Verfahren gestimmt. Die einzige CDU-Stadträtin fehlte bei der Abstimmung. Ohne die drei SPD-Stimmen hätte es für die Zweidrittel-Mehrheit nicht gereicht. Die drei SPD-Stadträte hatten somit auch Warnungen von Thüringens SPD-Chef Georg Maier ignoriert, der zuvor gesagt hatte: "Wir können eine Abwahl eines Linken-Bürgermeisters nicht mit Stimmen der AfD auf den Weg bringen."

Die Hürden für eine Abwahl waren hoch. Wahlberechtigt waren 9.338 Hildburghäuser. Um Kummer aus dem Amt zu heben, musste nicht nur die Mehrheit mit Ja stimmen, sondern mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten. Es musste sich also 2.802 Menschen gegen Kummer aussprechen.

Bürgermeisterabwahl in Hildburghausen? - Verfahrene Kiste

Tilo Kummer werden vor allem eine schlechte Kommunikation und ein miserabler Führungsstil vorgeworfen. "Er nimmt uns einfach nicht mit und stellt uns in den Sitzungen vor vollendete Tatsachen", sagt zum Beispiel Stadtrat Michael Reichardt von der Wählergruppe Feuerwehr. Brigitte Wütscher von der Fraktion Pro HBN geht sogar noch weiter. "Wenn er einen Beschluss durchdrücken will, sagt er uns oft nicht die ganze Wahrheit. Meist kommt dann das Argument, dass sonst Fördermittel verfallen oder irgendwelche Fristen ablaufen", so Wütscher.

Kummer weist Kritik von sich

So richtig nachvollziehen könne Kummer diese Kritik nicht. "Die Stadträte müssen sich schon mit den Dingen beschäftigen, über die sie da abstimmen", so Kummer. Es ginge eben nicht, dass man beispielsweise den Haushalt einstimmig beschließt und dann hinterher feststelle, so sei das aber gar nicht gemeint gewesen.

Kummer sah Vorfeld kaum Spielraum für noch mehr Kommunikation seinerseits. "Wir haben regelmäßig Ausschusssitzungen. Vor wichtigen Entscheidungen sitze ich mit den Fraktionsvorsitzenden zusammen, mehr geht eigentlich nicht", sagt Kummer.

SPD: Kommunikation des Bürgermeisters schlecht

"Das stimmt so nicht", so Ralf Bumann von der SPD-Fraktion. "Die Kommunikation des Bürgermeisters mit uns Stadträten ist schlecht, ich muss das einfach so sagen." Er und sein Sohn Michael sowie Carolin Seifert von der SPD-Stadtratsfraktion hatten im Dezember ebenfalls für die Einleitung des Abwahlverfahrens gestimmt und sich damit den Zorn der SPD-Landesführung auf sich gezogen.

Kritisiert wird, dass die SPD gemeinsam mit den Stadträten der AfD und dem rechtsradikalen Bündnis Zukunft Hildburghausen abgestimmt hat. Bumann verwahrt sich gegen jede Einmischung von oben. "Wir haben uns die Entscheidung nicht einfach gemacht und uns letztlich für das Abwahlverfahren entschieden.

Hauptargument dafür sei gewesen, dass am Ende so die Bürger entscheiden könnten. "Bestätigen sie ihn im Amt, wird das den Bürgermeister stärken. Wenn nicht, gibt es die Chance für einen Neuanfang", so Ralf Bumann. Er und sein Sohn gehen davon aus, dass die Thüringer SPD noch ein Ordnungsverfahren gegen sie einleiten wird. Carolin Seifert ist inzwischen aus der Partei ausgetreten, bleibt in der Fraktion aber Stadträtin.

Bürgermeister Kummer: Aussage gegen Aussage

Auch bei anderen Themen, die in Hildburghausen kontrovers diskutiert werden, stehen Aussage gegen Aussage. Nur ein Beispiel dafür ist die Situation in den städtischen Kindergärten. Eltern und die Mehrheit der Stadträte werfen dem Bürgermeister Mobbing gegen das Kindergartenpersonal vor. Obwohl die Erzieherinnen gute Arbeit leisten, würden sie vom Bürgermeister öffentlich runtergemacht. Eine Kindergartenleiterin sei nur deshalb abgesetzt worden, weil sie ihm nicht passe.

Tilo Kummer verweist auf Standards, die in Kindergärten laut Bildungsgesetz eingehalten werden müssten. So habe das Thüringer Bildungsministerium unter anderem das pädagogische Konzept für den neu sanierten Kindergarten Werraspatzen als mangelhaft eingeschätzt. Auf eine Anfrage des Bildungsausschussvorsitzenden im Landtag, Torsten Wolf (Linke), bestätigt das Bildungsministerium die Version Kummers.

Demnach hat die Stadt als Träger dafür Sorge getragen, dass für die Einrichtung eine dem Gesetz und dem Bildungsplan konforme Konzeption vorgelegt wurde. Zurzeit arbeitet ein Coaching-Team daran, mit den Pädagogen die Konzeption umzusetzen. Das Erzieherteam wird weiter fachlich begleitet. Auch die Stelle der Kindergartenleitung musste laut Bildungsministerium neu besetzt werden. Hier sei es vor allem um fachliche Qualifikation und die persönliche Zuverlässigkeit der Pädagogin gegangen.

Kandidaten für mögliche Neuwahl in den Startlöchern

Schon vor dem Tag der Abstimmung standen mit dem Liedermacher und Schlossbesitzer Florian Kirner, Stadträtin Kristin Obst (CDU), sowie Patrick Hammerschmidt von der Wählergemeinschaft Pro HBN bereits drei Kandidaten für die mögliche Neuwahl bereit. Glaubt man Gerüchten, könnten es durchaus noch mehr Kandidaten für eine mögliche Bürgermeisterwahl geben. Wie das "Freie Wort" berichtet, will die AfD dagegen keinen Kandidaten nominieren.

MDR (dpa/ls/dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 26. Februar 2023 | 08:00 Uhr

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