Der Redakteur | 28.11.2024 Kann man Strom in Beton speichern?
Hauptinhalt
28. November 2024, 19:03 Uhr
Man nehme eine hohle Betonkugel und ein wenig Pumpen- und Generatorentechnik, versenke das Ganze im Meer und fertig ist der Stromspeicher. So etwas hat uns gerade noch gefehlt zur Energiewende. Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE startet mit Partnern vor der kalifornischen Küste den ersten Großversuch des Unterwasser-Kugelspeichers - einer Erfindung Made in Germany.
Genau genommen ist der Kugelspeicher ein umgekrempeltes Pumpspeicherwerk. Ein erster Test mit einer drei Meter großen Kugel im Bodensee verlief erfolgreich. Allerdings müssen wir etwas umdenken, um das Prinzip zu verstehen, erklärt Dr. Bernhard Ernst Fraunhofer-Institut IEE. Denn während beim Pumpspeicherwerk der Speicher immer dann voll ist, wenn das Oberbecken voll ist, ist es bei der Kugel genau anders herum. Voll ist hier gleich leer.
Die Erklärung liefert das Funktionsprinzip. Die Kugel mit einem Durchmesser von 30 Metern liegt optimal in 600 bis 800 Metern Meerestiefe und wenn der "Deckel" oben geöffnet wird, strömt Wasser mit hohem Druck hinein.
Wenn die Kugel leer ist, dann ist der Speicher voll. Wenn die Kugel voller Wasser ist, dann ist der Speicher leer. Das muss man erst verstehen.
Das treibt die Turbine an, Strom wird produziert. Wenn die Kugel voll ist, wird sich auch das Turbinenrad nicht mehr drehen. Bedeutet: Der "Stromspeicher" ist nun leer. Das hat im Kleinen schon prima funktioniert. Für den nächsten Test-Schritt wird vor der Küste Kaliforniens ein Kugel-Prototyp mit knapp zehn Metern Durchmesser in 500 bis 600 Metern Tiefe getestet.
Technologische Innovation und globale Zusammenarbeit
Die Leistungsfähigkeit der Kugelspeicher hängt von der Wassertiefe und der Kugelgröße ab. Berechnungen haben ergeben, dass bei einer Wassertiefe von 600 bis 800 Metern wirtschaftliche und technische Parameter ideal harmonieren.
Denn: Die Kugel muss händelbar sein in der Produktion und beim Herablassen, darf später - wenn sie leer ist - nicht aufschwimmen und muss dem Druck standhalten, der auf dem Meeresboden herrscht. Das garantiert die Wanddicke der Kugel von drei Metern (!) bei der 30-Meter-Kugel.
Wie druckt man eine Kugel?
Den 3D-Druckern gehört die Zukunft. Es entstehen schon ganze Häuser auf diese Art und auch Mond und Mars sollen so erobert werden. Warum nicht auch das Meer? Zusammen mit Partnern wie dem US-Start-up Sperra, spezialisiert auf 3D-Betondruck, und Pleuger Industries, einem führenden Hersteller von Unterwasser-Motorpumpen, wird vor Kalifornien zunächst der kleinere Prototyp gebaut.
Vorstellen kann man sich den 3D-Drucker wie die Laufkatzen eines Containerhafens, nur dass der "Rüssel" der Betonpumpe im Kreis läuft und so die Kugel nach dem Kleckerburgprinzip schichtweise entstehen lässt. Das Vorhaben wird von deutschen und US-amerikanischen Behörden mit insgesamt rund 7,4 Millionen Euro unterstützt.
Wem geben wir die Kugeln?
Unsere Nord- und Ostseeküste ist zu flach, erklärt Bernhard Ernst. Sollte der Tagebau Hambacher Forst irgendwann einmal geflutet werden, ist die dortige Tiefe von 350 Metern aber ganz brauchbar, wenn auch nicht optimal. Aber die gute Zugänglichkeit im Vergleich zum offenen Meer macht das wieder wett, so Bernhard Ernst. Zum Glück ist aber unser Stromsystem europäisch. Mögliche Standorte, die unseren Strom speichern können, reichen so von den Küsten Norwegens bis hinunter nach Portugal.
Mit einer geschätzten globalen Speicherkapazität von 817.000 Gigawattstunden könnten die Betonkugeln einen erheblichen Beitrag zur Stabilisierung der weltweiten Stromnetze leisten. Man braucht dafür eigentlich nur ganz normalen Beton, dem das Salzwasser in der sauerstoffarmen Tiefe auch nicht schadet.
Wir haben nur die Standorte gerechnet, wo der Boden eben ist und da sind wir schon auf Potentiale gekommen, die weit über dem liegen, was wir brauchen werden.
Alleine mit den perfekten Standorten rund um Europa gerechnet, könnten 116.000 Gigawattstunden weggespeichert werden. Zum Vergleich: Alle unsere Pumpspeicherwerke in Deutschland kommen auf gerade mal 40 Gigawattstunden.
Nachhaltigkeit im Fokus
Trotz der energieintensiven Herstellung von Beton liegt der Vorteil der Kugelspeicher in ihrer Langlebigkeit von 50 bis 60 Jahren. Der Trend zur Betonproduktion mit regenerativen Energien kommt dem Projekt entgegen. Die Technologie ist letztlich eine nachhaltige Alternative zu Batterien, da sie ohne seltene Erden auskommt und die Belastung für Ökosysteme auch deutlich geringer ist als bei landbasierten Pumpspeicherkraftwerken.
Und selbst wenn etwas schief gehen sollte und eine Kugel dem Wasserdruck nicht Stand hält, liegen im Ergebnis große Steine am Meeresboden. Mehr nicht. Die Pumpeneinheit ist ohnehin herausziehbar und an einem Seil befestigt und wird zu Wartungszwecken einfach herausgeholt.
Hier greifen die Ingenieure übrigens auf bewährte Technologien aus der Ölproduktion zu. Die Experten geben dem Pumpen- und Generatorsystem eine Lebensdauer von 20 Jahren. Auch das klingt ziemlich nachhaltig.
Ist das nun der Heilsbringer für die Energiewende?
Hier tritt Dr. Bernhard Ernst vom Fraunhofer IEE etwas auf die Euphoriebremse. Aber nicht, weil er der Technologie nicht traut. Es sei vielmehr immer ratsam, auf verschiedene Pferde zu setzen. Bei der Stromproduktion und auch beim Speichern.
Das System ist kosteneffizient und ideal für die Speicherung von Energie über kurze bis mittlere Zeiträume.
Wenn eine Technologie schwächelt, weil Flaute herrscht, Komponenten nicht verfügbar sind oder ausfallen, dann können andere Technologien einspringen. Trotzdem können die Betonkugeln die Schwächen der erneuerbaren Energien unkompliziert ausgleichen - Stichwort "Dunkelflaute".
MDR (ifl,lou)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 28. November 2024 | 15:45 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/6def42cb-48b2-430e-ac22-7bf5281aab4a was not found on this server.