Zugverbindungen Weniger Züge: Warum Saalfeld mit dem neuen Fahrplan hadert
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10. April 2023, 22:11 Uhr
Das 49-Euro-Ticket soll das Tor aufstoßen in eine schöne neue Nahverkehrswelt. Falsche Fahrscheine oder unübersichtliche Tarifzonen spielen dann keine Rolle mehr. Doch damit das klappt, müssen überhaupt erst einmal genug Busse und Bahnen fahren. Im ländlichen Raum hapert es da oft. Und auf Thüringer Eisenbahnstrecken ist ein Viertelstundentakt eher die Ausnahme. Auf der Saalebahn fallen zum Jahresende Regionalverbindungen weg - zum Ärger einiger Anrainer der Strecke.
Pünktlich um kurz nach vier rollt der rote Zug in den Saalfelder Bahnhof ein. Der Franken-Thüringen-Express fährt in Nürnberg los und hält auf dem Weg nach Leipzig an insgesamt elf Thüringer Haltestellen. Weil er viele sehr kleine Haltepunkte auslässt, eignet er sich gut zum schnellen Pendeln, etwa von Saalfeld nach Jena oder umgekehrt. Ein wichtiger Faktor, um mittelgroße Städte wie Saalfeld oder Rudolstadt an Jena anzubinden.
"Die Verbindung ist gut", sagt Saalfelds Bürgermeister Steffen Kania (CDU). "Mit dem Auto braucht man eine Stunde, mit der Bahn eine halbe Stunde." Die Bahnanbindung werde sehr gut genutzt. Die letzten Zahlen des Thüringer Verkehrsministeriums sprechen von etwa 2.500 Reisenden pro Tag, die die Saalebahn vor der Corona-Pandemie genutzt hätten. Wobei das 9-Euro-Ticket im vergangenen Sommer die Nachfrage etwa um 25 Prozent habe steigen lassen. Die Hoffnung geht mit dem 49-Euro-Ticket, dem sogenannten Deutschlandticket, das ab Mai gelten soll, in eine ähnliche Richtung.
Franken-Thüringen-Express wird gestrichen
Da liegt ein Problem der Saalfelder: Der Fahrplan-Entwurf für die Zeit ab Dezember sieht vor, dass der Franken-Thüringen-Express (FTX) auf der Saalebahn wegfällt. Das hängt auch damit zusammen, dass Züge wie der FTX sogenannter Schienenpersonennahverkehr sind. Und solcher Verkehr rollt nicht ohne Förderung der Bundesländer. Die Länder wollen, dass möglichst viele Menschen auch ohne Auto pendeln oder kurze Reisen unternehmen können. In den Nahverkehrszügen sind die Fahrscheine deshalb in aller Regel günstig. Durch das 49-Euro-Ticket dürften solche Verbindungen für viele Menschen noch interessanter werden.
Der Haken ist, dass die Verkehrsunternehmen nur dort fahren, wo die Länder Züge bestellen und mitbezahlen. Sonst rechnet es sich für sie nicht. Der FTX war deshalb ein komplexes Konstrukt. Hier waren gleich vier Länder beteiligt: Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Bayern hat stattdessen lieber eine neue Verbindung bestellt, die nach Erfurt führt. Die Stadt ist größer, es gibt mehr Anschlüsse in andere Richtungen als auf der Saalebahn.
Dort soll stattdessen der Fernverkehr der Bahn einspringen. Die schnellen weißen Züge der Deutschen Bahn waren spätestens nach der Inbetriebnahme der Schnellfahrstrecke Nürnberg-Erfurt ab 2017 weitgehend aus dem Saaletal verschwunden. Auch, weil es hier eher schleppend vorangeht. Wer von Berlin nach München will, für den war die Strecke durch das bergige Südostthüringen in erster Linie ein Zeitproblem. 120 Kilometer pro Stunde Höchstgeschwindigkeit sind wenig im Vergleich zu 300 km/h auf der Schnellfahrstrecke. Der Umweg über Erfurt verwandelt sich dadurch in einen Zeit-Vorteil.
Geplante IC-Züge kommen erst später
Nun aber sollen überall im Land mehr Züge rollen - auch mehr Fernverkehrszüge. Alle zwei Stunden sollte nun ein Fernverkehrszug durchs Saaletal rollen. Tatsächlich werden es aber im Dezember nach Angaben des Thüringer Verkehrsministeriums erstmal nur drei Zugpaare pro Tag. Der Bahn fehlen nämlich die geeigneten Züge. Es gibt immer wieder Probleme mit neuen Fahrzeugen, die deswegen nicht in Betrieb gehen. "Ich bin darüber sehr unglücklich", sagt auch Thüringens Verkehrsministerin Susanna Karawanskij (Linke). Immerhin habe das Land die Planung des Schienenpersonennahverkehrs auf die Zusicherung der Bahn ausgerichtet, dass pro Tag acht Zugpaare im Fernverkehr rollen. Das soll nun erst Ende 2025 soweit sein.
Die Lücke habe man kurzfristig nicht mehr auffangen können. Drei zusätzliche Verbindungen zu stark frequentierten Zeiten habe man für 1,2 Millionen Euro Förderung bestellt, sie sollen zur Hauptverkehrszeit rollen, schreibt das Ministerium auf Anfrage. So richtig froh sind sie in Ostthüringen trotzdem nicht. So ist immerhin dieses Problem gelöst, wenn auch nur unvollständig. Doch die neuen Fernverkehrszüge sind für Pendler oft ungeeignet. Mit einem günstigen VMT-Ticket oder gar dem 49-Euro-Ticket darf man in solchen Zügen - Stand heute - nicht fahren. Wer also nur von Jena nach Saalfeld oder Rudolstadt fahren will, für den kommen die neuen Züge nicht in Frage - und in Kleinstädten wie Kahla halten sie gleich gar nicht.
Mit Nahverkehrsticket den Intercity nutzen?
Hier erwartet Saalfelds Bürgermeister eine Korrektur: "Es ist eine unserer Forderungen, dass die Integration in den Nahverkehr erfolgt." Die Nahverkehrstickets sollen auf der Verbindung auch für Züge wie den Intercity gelten. In den Intercity-Zügen, die zwischen Gotha und Gera auf der sogenannten Mitte-Deutschland-Verbindung durch Thüringen rollen, geht das schließlich auch. Zwischen Erfurt und Gera werden Nahverkehrstickets akzeptiert. Das Problem sei mit Geld zu lösen, sagt der Bürgermeister. Sprich, die Bahn bekommt eine Entschädigung dafür, dass in Thüringen Fahrgäste mit billigen Fahrscheinen zusteigen.
Das Ministerium aber bremst. Die Nachbarländer, also Bayern, Sachsen-Anhalt und Sachsen, hätten eine solche Tarifkooperation abgelehnt - und weil gerade das Deutschlandticket eingeführt werde, könnte man die Kosten ohnehin nicht seriös kalkulieren. Die Ministerin selbst sagte MDR THÜRINGEN: "Die Nachbarländer müssten mitspielen. Da haben wir bisher aber noch keine Signale bekommen."
Halbstundentakt fällt weg
Neben dem Tarif-Problem kommt der Fahrplan selber hinzu. Weniger Züge. Heute fahren Regionalbahn und Regionalexpress zu vielen Tageszeiten etwa im Halbstundentakt. "Und der Takt geht verloren", sagt Klaus Bartholmé, stellvertretender Vorsitzender des Bündnisses "Fernverkehr für Jena". "Das wird dann ein Gehumpel auf der Saalebahn. Die Züge fahren erst im Zeitversatz von zehn bis zwölf Minuten und dann fährt eine Dreiviertelstunde lang nichts mehr. Das muss dringend geändert werden." Ob das noch gelingt, ist fraglich. Vom Verkehrsministerium heißt es, Änderungen seien zwar theoretisch noch möglich, aber eher unwahrscheinlich.
Für die Zeit bis Ende 2025 spricht das Ministerium von einem "Interimszeitraum" auf der Strecke. Hinzu kommen noch Bauarbeiten, die zusätzliche Verzögerungen und längere Fahrzeiten mit sich bringen. Auf der Saalebahn könnten also zum Ende des Jahres mit dem 49-Euro-Ticket zwar mehr Menschen unterwegs sein, aber eben in weniger Zügen.
Anmerkung der Redaktion: In einer ursprünglichen Fassung des Artikels hatten wir berichtet, dass das Nahverkehrsticket in den Intercity-Zügen zwischen Heiligenstadt und Gößnitz gilt. Diese Aussage wurde von uns korrigiert: Richtig ist, dass das Ticket auf der Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen Erfurt und Gera gültig ist.
MDR (sar)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 10. April 2023 | 19:00 Uhr
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