Motorsport Schleizer Dreieck feiert 100. Geburtstag: Was alles zum Jubiläum geplant ist
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06. Juni 2023, 17:47 Uhr
Am 10. Juni 1923 ging das Schleizer Dreieck als Teststrecke für Brennstoffprüfungen in Betrieb, in besten Zeiten pilgerten bis zu 250.000 Zuschauer an den Rennwochenenden in die kleine Ostthüringer Stadt. Rund um das Jubiläum wollen die Organisatoren mit ihrem Programm wieder viele Motorsportbegeisterte nach Schleiz locken.
Im alten Start-Ziel-Gebäude sind die Handwerker aktiv. Steffen Walther, im "normalen" Leben Malermeister, schraubt Gipskartonplatten an die Decke. Freiwillige haben in den letzten Wochen gemeinsam mit Firmen aus der Region das komplette Erdgeschoss entkernt. In Zukunft sollen Besucher hier tief in die Geschichte des Schleizer Dreiecks eintauchen können.
Wir zeigen hier Rennmotorräder, für jedes Jahrzehnt eins, außerdem Rennwagen und ein Seitenwagengespann.
Steffen Walthers Augen leuchten, wenn er über die Pläne spricht. "Wir zeigen hier Rennmotorräder, für jedes Jahrzehnt eins, außerdem Rennwagen und ein Seitenwagengespann." Zu viel will er noch nicht verraten, doch die Aufregung ist ihm anzusehen. Die Modelle: Leihgaben von Privatleuten, die ihre Sammlung für die Schleizer geöffnet haben.
Wir hätten gern schon zum Jubiläum aufgemacht.
Ende August soll das Museum fertig sein. "Leider", sagt Steffen Walther. "Wir hätten gern schon zum Jubiläum aufgemacht." Nun müssen die Schleizer den 100. Geburtstag ihres Dreiecks ohne Museum feiern. Allerdings dürfte die Verspätung gar nicht auffallen in dem großen und bunten Programm, das Motorsportclub, Betreibergesellschaft, Stadt und unzählige Helfer zusammengestellt haben. Vom 2. bis 18. Juni wollen sie feiern.
13 Veranstaltungen zum 100. Jubiläum
Insgesamt 13 große und kleine Veranstaltungen finden rund um das Schleizer Dreieck statt. Es gibt Lesungen, Vortragsabende zur Geschichte, aber auch einen Verkehrserziehungstag für Grundschüler, Theater und Open-Air-Kino. Höhepunkt wird eine historische Rennveranstaltung mit Präsentationsläufen von Motorrädern, Autos und Gespannen aus verschiedenen Jahrzehnten sein.
Am 10. Juni gehen auf dem Rundkurs über 600 Zwei- und Vierräder an den Start.
Am 9. Juni soll es in der Wisentahalle außerdem eine große Festveranstaltung geben, mit Ehrungen und einem ganz besonderen Film. Historisches Material, dass erst vor Kurzem aufgetaucht ist. Gisela Rühl fand die Aufnahmen, als sie den Haushalt ihres Großonkels auflöste. Die alten Filmrollen mit der Aufschrift "Schleizer Dreieck" stammen aus dem Jahr 1932.
Ich war als Kind selbst auch immer an der Rennstrecke.
Gedreht hat sie Ernst Gärtner, damals Fotograf. "Ich war als Kind selbst auch immer an der Rennstrecke", erzählt Gisela Rühl. "Und über die Jahre haben auch viele Rennfahrer bei uns übernachtet." Jahrelang machte Gisela Rühl mit bei der Versorgung an der Rennstrecke, an die in Spitzenzeiten bis zu 250.000 Besucher kamen - an einem Rennwochenende. Ausnahmezustand im kleinen Schleiz.
Auch zu DDR-Zeiten lockte das Dreieck Motorsportbegeisterte aus der ganzen Republik. Hier gingen nicht nur Rennfahrer aus der DDR und den sozialistischen Ländern, sondern auch aus der BRD an den Start.
Neben Gisela Rühl sind heute auch Christel Schwarz, ihr Mann Guntmar und Heinz-Jürgen Walther ans Start-Ziel-Gebäude gekommen. Alle vier sind seit vielen Jahren am Schleizer Dreieck aktiv. Gisela Rühl breitet eine Fotomappe aus, Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den ersten Jahren der Rennstrecke.
Damals zur Premiere am 10. Juni 1923 war es noch eine "Teststrecke für Brennstoffverbrauchsprüfungen". Der Start der Rennmotorräder fand vor dem Oberböhmsdorfer Gasthaus statt. Die ersten Siege machten die Thüringer unter sich aus. Trotz der wenigen Berichte über die Vorbereitungen waren in Schleiz zum Rennen alle Übernachtungsmöglichkeiten ausgebucht. Die Presse überschlug sich vor Begeisterung und sprach von "einer neuen Lebensquelle für die Stadt".
Schnell stiegen die Besucherzahlen zu den Rennen an. Schon ein Jahr nach dem Start kamen zum ersten Mal 10.000 Rennsportbegeisterte nach Schleiz. Die Rennbedingungen für die Fahrer waren damals abenteuerlich. Keine Kurvensicherung, kein Asphalt, Bäume entlang der Straße, rechts und links der Straßengraben. Und gleich daneben die Zuschauer.
1929 nahmen die Schleizer erstmals das Rennen auf dem Dreieck selbst in die Hand. Mit erstaunlichen 100.000 Besuchern an der Strecke. Zwei Jahre später fand das Spektakel erstmals unter internationaler Beteiligung statt, mit dem englischen Motorradpiloten Tom Bullus auf einer 1.000 Kubikzentimeter-Maschine.
In den Jahren des Nationalsozialismus wurde es ruhiger um die Naturrennstrecke. Die Stadt Schleiz hatte kein Geld für notwendige Reparatur- und Ausbauarbeiten. Auf dem Dreieck fanden nur Meisterschaftsläufe statt. Nach dem Krieg gab es zwischen 1947 und 1948 die ersten Bemühungen, die Rennstrecke neu zu beleben.
160.000 Zuschauer beim ersten offiziellen Nachkriegsrennen
Nachdem die sowjetische Besatzungsmacht zugestimmt hatte, fand am 18.09.1949 das erste offizielle Nachkriegsrennen statt. Damals kamen mehr als zwanzig Fahrer aus dem Westen Deutschlands nach Schleiz. Über 160.000 Zuschauer pilgerten an die Rennstrecke. Ein Jahr später waren es sogar 250.000.
Auch während der DDR blieb das Schleizer Dreieck eine feste Bank im Renngeschehen. In den 1960er Jahren waren es vor allem die Formel-3-Rennen, die Tausende an die Strecke lockten. Später sorgten neben den internationalen Motorrad-Rennen auch die Trabi-Meisterschaftsläufe für volle Zuschauertribünen.
Schleizer Dreieck heute halb so lang wie vor 100 Jahren
Das Schleizer Dreieck wurde im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut. Als erstes verschwand die gefährliche Haarnadelkurve in Schleiz, die durch eine Querung vor dem Ort ersetzt wurde. Seit 2004 ist das Schleizer Dreieck nur noch halb so lang wie zur Premiere. Ein lange Stück - heute die Bundesstraße nach Plauen - wurde durch eine Querspange ersetzt.
Bis heute eine Besonderheit des Schleizer Dreiecks: Der größte Teil der Strecke wird die meiste Zeit als normale Straße genutzt. Dabei gehört der westliche Teil zur Bundesstraße 94 und verbindet Schleiz mit der Autobahn 9.
Im Osten liegt die Strecke an der Ortsdurchfahrt Oberböhmsdorf, einem Ortsteil von Schleiz. Start und Ziel liegen seit 2004 an der Querspange zwischen den beiden Schenkeln. Bis heute liegen die beiden Haupttribünen auf dem Buchhübel an der Plauenschen Straße.
Heinz-Jürgen Walther ist viele Jahre selbst Rennen gefahren, allerdings erst nach 1990. Die Pokale, historische Rennmaschinen und viele Fotos hat er in einem kleinen Museum zusammengetragen. Seine Augen leuchten, wenn er von seinen vielen Begegnungen mit den Stars der Rennszene berichtet.
In den letzten zwanzig Jahren sorgten sich viele Schleizer um den Fortbestand des Dreiecks. Anwohner wollten keinen ständigen Rennlärm vor der Tür und forderten, die Zahl der Rennen zu begrenzen. Inzwischen dürfen auf dem Dreieck noch an vier Wochenende im Jahr die Motoren röhren. Außerdem gibt es mehr und mehr Veranstaltungen ohne Renncharakter, wie zum Beispiel Sicherheitstrainings oder Oldtimertreffen.
Zum Jubiläum Gäste aus aller Welt
Zum Jubiläum werden die Fahrerinnen und Fahrer auf einer knapp vier Kilometer langen Strecke ihre Runden drehen. Am historischen Rennwochenende kommen die Gäste aus der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich, Spanien und sogar den USA. Eine Mammutaufgabe, für alle eine Unterkunft zu organisieren.
Verantwortlich dafür ist Achim Strauß vom MSC Schleiz, der die Fäden für das Großereignis in den Händen hält. "Das Telefon steht nicht still", sagt er lachend. "Und jeder, der sich mit seinem Fahrzeug anmeldet, hat auch noch eine persönliche Geschichte auf Lager."
Bis zum Rennwochenende soll der neue Reisemobilstellplatz im alten Fahrerlager zumindest teilweise nutzbar sein. Mit Fördermitteln baut die Betreibergesellschaft hier 48 Stellplätze mit Stromversorgung und Sanitärgebäude. Spätestens 2024 soll alles fertig sein.
Am historischen Rennwochenende werden die Teilnehmer erstmals auch wieder über den historischen Streckenkurs von 1923 fahren. Anschließend wollen sie sich auf dem Schleizer Markt präsentieren. Für Rennsportbegeisterte gibt es zum Jubiläum am Schleizer Dreieck also viele Gelegenheiten, auf Tuchfühlung mit Renngrößen und ihren Maschinen zu gehen.
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Thüringen Journal | 05. Juni 2023 | 19:00 Uhr
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