Bilanz nach Testbetrieb Nur vier Tage Arbeit: Welche Erfahrung ein Thüringer Mittelständler macht

20. März 2023, 12:13 Uhr

Statt fünf nur vier Tage pro Woche arbeiten, das klingt verlockend. Ein Familienunternehmen in Kahla hat Erfahrungen mit dem viel diskutierten Arbeitszeitmodell gesammelt. Seit 1. Oktober vergangenen Jahres gilt in der Dr. Eberhardt GmbH die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich.

Die Dr. Eberhardt GmbH im Kahlaer Gewerbegebiet Im Camisch ist spezialisiert auf Klebetechniken. Klebstoffe, Klebebänder, technische Folien und die entsprechende Gerätetechnik finden sich in den modernen Produktionsräumen.

Gefertigt wird viel in Handarbeit für Kunden in der optischen Industrie, im Gerätebau oder im Medizintechnik-Bereich. Von den 20 Beschäftigten sind 17 Frauen. Und es gibt eine Chefin. Geschäftsführerin Constanze Szabo hat das Familienunternehmen vor sechs Jahren vom Vater übernommen. Sie hatte auch die Idee zu diesem Experiment: Arbeiten an nur vier Wochentagen mit jeweils neun Stunden - der Freitag ist frei.

Zunächst Startschwierigkeiten

Die anfängliche Euphorie hat sich gelegt. Constanze Szabo zieht eine nüchterne vorläufige Bilanz, sieht dennoch mehr Vor- als Nachteile. Sie will weiter an der Vier-Tage-Woche im Unternehmen festhalten, nachdem sich auch die Beschäftigten in einer Abstimmung dafür ausgesprochen haben.

Das Experiment im Oktober zu starten - mit zwei Feiertagen - war rückblickend ungünstig, räumt sie ein. Zudem hatte die Firma wie andere auch mit hohen Energiekosten zu kämpfen. Eine wirtschaftlich schwierige Situation für das Unternehmen - und eine Herausforderung für jeden Einzelnen, sagt sie.

Die Selbstorganisation, das Straffen des Arbeitsalltags, das Verteilen der Arbeit auf vier statt bisher fünf Tage. Nach den Startschwierigkeiten, so Szabo, habe es einige Zeit gedauert, bis in vier Tagen die Produktivität von "früher" annähernd wieder erreicht war. Das sei inzwischen geschafft und darauf sei sie stolz.

Die Selbstorganisation, die ganze Straffung des Arbeitsalltags, die Verteilung eben auf die vier Tage, das war schon eine Herausforderung.

Constanze Szabo Geschäftsführerin Dr. Eberhardt GmbH

Akzeptanzprobleme bei einigen älteren Mitarbeitern

Das Feedback der Belegschaft ist unterschiedlich ausgefallen, so die Chefin. Dass sich ältere Kolleginnen schwerer damit tun, über die acht Stunden hinauszuarbeiten und das auch konzentriert, damit habe sie gerechnet. Eine Mitarbeiterin hat die Firma verlassen.

Da war das Jobangebot bei einem anderen Unternehmen, mit etwas mehr Geld und wieder einer 40 Stunden Woche, wohl verlockender, vermutet Szabo. Wie sie, als Mutter kleiner Kinder, wissen auch die meisten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inzwischen den arbeitsfreien Freitag zu schätzen.

Silke Iffland, Assistentin in der Geschäftsleitung, findet das super. Sie könne ihre Arbeit so besser strukturieren, schiebe weniger auf. Den Freitag, sagt sie, könne sie effektiver für Haushalt, Einkauf oder Arztbesuche nutzen - und fühle sich am Montag ausgeruhter nach drei freien Tagen.

Uns war bewusst, es entsteht ein Delta. Man hat eben nicht in neun oder zehn Stunden die gleiche Effizienz wie bei sechs, sieben oder maximal acht Stunden. Das muss allen klar sein, die das einführen wollen.

Constanze Szabo Geschäftsführerin Dr. Eberhardt GmbH

Hoffnung auf moderate Stromrechnung

Was die wirtschaftliche Seite anbelangt, hatte die Geschäftsführerin mit weniger Heizkosten gerechnet. Das, so Szabo, stelle sich aber nicht ganz so positiv dar, wie anfangs prognostiziert. Die Temperaturen im Produktions- und Verwaltungsgebäude könnten über die drei freien Tage nicht so weit runtergefahren werden. Es brauche eine konstante Temperatur, sonst gebe es zu Wochenbeginn Probleme mit den Klebstoffen.

Zumindest die Stromrechnung könnte durch den einen Arbeitstag weniger moderater ausfallen. Zumal in den nächsten Wochen eine große Fotovoltaik-Anlage aufs Dach kommt. Die Solarmodule sind schon geliefert. Seit Januar läuft schon eine Wärmepumpe. Damit, sagt Szabo, sei sie nicht mehr so abhängig vom teuren Gas.

Vier-Tage-Woche kein Allheilmittel

Zu ihrem vorläufigen Fazit gehört auch, dass es weder eine Flut von neuen Bewerbern gab noch einen gesunkenen Krankenstand. Was wohl auch an der kalten Jahreszeit lag, in der sie mit der Vier-Tage-Woche gestartet sind.

Das Interesse an dem Experiment hat sich bei Unternehmen in der Region in Grenzen gehalten. Anfragen kamen laut Szabo eher aus dem westdeutschen Raum, von Medien und Wissenschaftlern, die zur Arbeitswelt forschen. An der Frage, wie sich die Arbeitsbedingungen in Zeiten des Fachkräftemangels verändern müssen, komme man nicht vorbei, so Szabo.

Ein Allheilmittel könne die Vier-Tage-Woche aber nicht sein, "wenn wir unseren Wohlstand behalten wollen", sagt sie. Zumal dieses Arbeitszeitmodell auch nicht überall umsetzbar sei, wie in Krankenhäusern, im Pflegebereich, bei der Polizei oder in Industriebranchen mit getakteten Arbeitszeiten.

Ich habe verschiedene Anfragen gehabt von anderen Unternehmen, aber eher aus dem westdeutschen Raum, die die Idee spannend fanden. Natürlich gibt es auch nicht so viele Vorreiter, die sich outen oder das Ganze öffentlich machen. Da habe ich das eine oder andere interessante Gespräch schon geführt.

Constanze Szabo Geschäftsführerin Dr. Eberhardt GmbH

Constanze Szabo ist sich sicher, dass perspektivisch auch andere Unternehmen den Weg gehen und die Vier-Tage-Woche einführen. Momentan drückten die Firmen aber andere Sorgen, vor allem die hohen Energiepreise und die Frage der Energiestabilität. Das, sagt sie, verlange den Unternehmen gerade alles ab.

Mehr zur Vier-Tage-Woche

MDR (nis)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist | 20. März 2023 | 22:10 Uhr

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