Energiewende Unternehmen in Hermsdorf planen mit Windkraft - doch Ausbau stockt
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30. August 2022, 05:00 Uhr
Der Tridelta-Campus in Hermsdorf will in Zukunft unabhängig von Stromlieferanten werden und auf Windkraft setzen. Doch der schleppende Ausbau kommt den Plänen in die Quere. Zudem kämpfen einige Unternehmen am Standort ums Überleben.
Klack, Klack… Alle paar Sekunden greift sich der Roboterarm ein neues Bauteil vom Fließband und legt es auf eine Lagerplatte. Graue, unscheinbare Werkstücke, die aber unverzichtbar sind, zum Beispiel in Transformatoren und Schaltnetzteilen. Sie kommen auch in Fernsehern, Computern oder Spulenkernen zum Einsatz - und in Windrädern.
Die Produkte von Tridelta Weichferrite aus Hermsdorf gibt es schon seit mehr als 75 Jahren, damals entwickelte der VEB Keramische Werke Hermsdorf die ersten Weichferrite. Ausgangsprodukte sind Eisen-Sauerstoff-Verbindungen, umgangssprachlich auch Rost genannt, die mit Mangan- und Zinkoxid gemischt werden. Mehrfach erhitzt, gepresst und gebrannt, erhalten sie ihre typischen Eigenschaften und Formen.
Dabei handelt es sich um einen sehr energieintensiven Prozess. Allein die Brennvorgänge dauern oftmals mehrere Tage. Dabei wird der Werkstoff auf bis zu 1.300 Grad Celsius erhitzt. Die aktuellen Preissteigerungen bei Gas und Strom reißen deshalb tiefe Löcher in die Kassen der Unternehmen, auch auf dem Tridelta-Campus. Knapp 30 Firmen haben sich zum Tridelta-Campus-Verein zusammengeschlossen. Sie wollen die Energiewende gemeinsam angehen. Der Standort soll unabhängig werden von Energielieferanten. Hauptenergiequelle soll in Zukunft Windkraft werden.
Windkraft: Thüringen hinkt beim Ausbau hinterher
"Die Umstellung auf Windkraft ist realistisch", sagt Campus-Vereins-Chef Daniel Störzner. "Knackpunkt ist die zeitnahe Umsetzung." Zuerst müssten in Hermsdorf Windräder gebaut werden. Sechs davon könnten reichen, um Tridelta Weichferrite mit Energie zu versorgen. Doch der Ausbau in Thüringen stockt. Seit 2019 wurden jährlich zwischen 14 und 17 Windrädern neu gebaut. Abzüglich der Rückbauten bleibt sogar nur ein Saldo von etwa sechs neuen Anlagen.
Für die Energiewende sei das viel zu wenig, sagt Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne). "Eigentlich sind die regionalen Planungsgemeinschaften zuständig für neue Windkraftflächen. Da werden wir sehr viel Druck machen müssen", sagt sie.
Denn das Ziel von zwei Prozent Vorrangflächen für Windkraft in Thüringen ist so nicht zu erreichen. Aktuell sind es 0,4 Prozent. Zu wenige Projekte, lange Lieferzeiten für die Anlagen und vor allem: zu wenige Flächen. Die Liste der Hindernisse ist lang. Hinzu kommen lange Genehmigungsverfahren und unübersichtliche Entscheidungswege.
Den Unternehmen läuft die Zeit davon
Mit dem neuen Landesentwicklungsplan sollen auch Kommunen selbst entscheiden können, ob sie auf ihren Flächen Windkraftanlagen bauen wollen. Doch der Plan soll erst 2024 im Landtag beraten werden. Den Unternehmen läuft die Zeit davon - und das Geld. Denn wegen der aktuellen Preise kämpfen viele ums Überleben.
"Die Preise explodieren und wir können das in der Höhe gar nicht woanders einsparen", sagt Daniel Störzner. Auf die Kunden können sie die Preise auch nicht umlegen. Die Konkurrenz in Fernost ist zwar laut Aussage der Hermsdorfer bei der Qualität der Produkte noch unterlegen. Wenn die Bauteile aber zu teuer werden, wandern die Kunden ab.
Deshalb fordert die Standort-Initiative neben der Beschleunigung der Energiewende auch kurzfristige Maßnahmen, um die Standorte zu sichern und Arbeitsplätze in der Region zu halten. "Wir stellen uns einen Preisdeckel für eine befristete Zeit vor", sagt Rico Wachs, Geschäftsführer bei Tridelta Weichferrite. Auch verlässliche Aussagen der Politiker seien wichtig, damit die Preise am Strom- und Gasmarkt nicht noch weiter angeheizt werden.
Einige Firmen bangen um ihre Zukunft
Laut der Umweltministerin könnte die Initiative im Hermsdorfer Gewerbegebiet in Zukunft sogar ein Standortvorteil sein. Viele Unternehmen würden inzwischen vor Neuansiedlungen prüfen, ob der Zugang zu erneuerbaren Energien an den Standorten gegeben sei.
Deshalb sieht das Ministerium den Tridelta-Campus auch als mögliche Blaupause für die industrielle Energiewende in Thüringen. Doch die Zeit drängt und noch ist nicht sicher, dass alle Firmen am Standort Hermsdorf die aktuellen Entwicklungen wirtschaftlich überleben werden.
MDR (sar)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 29. August 2022 | 19:00 Uhr
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