Ein Stempel mit der Aufschrift "Hinweis: Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Über eine Genehmigung entscheidet die Ausländerbehörde", 2015
Bei der Ausländerbehörde in Jena hat sich über Jahre ein Antragsstau aufgebaut. Deshalb will die Stadt nun zwölf neue Stellen schaffen, um die Behörde zu entlasten. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / dpa | Jens Wolf

Bürokratie "Weder zumutbar noch sinnvoll": Jenaer Ausländerbehörde am Limit - zusätzliche Stellen eingerichtet

21. Januar 2023, 18:04 Uhr

Wer als Geflüchteter nach Jena kommt, muss sich bei der Ausländerbehörde registrieren und viel Geduld mitbringen. In den letzten Jahren nahm die Anzahl der Einbürgerungsanträge immens zu. Auch pandemiebedingt kam es in den vergangenen zwei Jahren zu verlängerten Wartezeiten. Seit Jahren hat sich ein Antragsstau aufgebaut. Nun werden ein Dutzend zusätzliche Stellen besetzt. Die Bearbeitungszeit soll dadurch um die Hälfte verkürzt werden.

Die Stadt Jena plant einen eigenen Fachdienst innerhalb der Stadtverwaltung mit zwölf zusätzlichen Stellen, um die Ausländerbehörde zu stärken. Hierzu wurde beim Runden Tisch der Demokratie vergangenen Freitag mit Stadtpolitikern diskutiert.

Die Teilnehmer der Initiativen erhoffen sich eine schnelle und unbürokratische Einbürgerung. Die bisherigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen dadurch entlastet werden.

Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) sagte dazu: "Die aktuelle Situation im Fachdienst ist immer noch sehr angespannt. Es ist weder zumutbar noch sinnvoll, dass Termine acht bis neun Monate im Voraus vergeben werden."

Aktuell läuft das Auswahlverfahren zur Besetzung der neuen Stellen. Das Haushaltsbudget für die neuen Stellen beträgt laut OB rund 750.000 Euro. In den nächsten Wochen sollen zunächst acht Personen eingestellt werden, vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen dann ausschließlich Einbürgerungsanträge bearbeiten. Bis zum Herbst 2023 werde der Antragsstau abgebaut.

Es ist weder zumutbar noch sinnvoll, dass Termine acht bis neun Monate im Voraus vergeben werden.

Thomas Nitzsche Oberbürgermeister

Künftig soll ein einziger und persönlicher Termin für Anträge ausreichen. Hierbei werden dann alle notwendigen Biometriedaten erfasset. Die Bearbeitungszeit verkürzt sich dadurch um die Hälfte. Die Projektphase beginnt im Februar und endet voraussichtlich im Sommer 2023.

Seit Jahren steigende Zuwanderung

Seit fünf Jahren steigt die Anzahl der Ausländerinnen und Ausländer, die in Jena leben. Damit nimmt auch die Anzahl der Einbürgerungsanträge zu. Entsprechend steigt die Zahl der Eingebürgerten in Jena jährlich um etwa fünf Prozent. Die angespannte Situation sei laut Stadtverwaltung eine Folge des Kriegs in Syrien im Jahr 2015.

Um Anspruch auf Einbürgerung zu haben, müssen die Betroffenen mindestens acht Jahre dauerhaft in Deutschland leben. Viele von ihnen beantragten deshalb jetzt ihre deutsche Staatsbürgerschaft.

"Thüringen ist auf Einwanderung von ausländischen Staatsbürgern angewiesen, um dem bestehenden Fach- und Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Dieses Ziel kann nur mit gut funktionierenden und serviceorientierten Behörden umgesetzt werden", betont Mirjam Kruppa, Thüringer Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge.

Thüringen ist auf Einwanderung von ausländischen Staatsbürgern angewiesen, um dem bestehenden Fach- und Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.

Mirjam Kruppa Thüringer Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge

Die neuen deutschen Staatsbürger leben meist in kreisfreien Städten. Das betrifft in Erfurt 150 Menschen, in Jena 70 Menschen und in Weimar 50 Menschen.

Antragsstau kaum aufzulösen

Pandemiebedingt kam es in den Jahren 2020 und 2021 zu verlängerten Wartezeiten und Verfahrensdauern. Im letzten Jahr seien 350 Einwanderungsanträge eingegangen, 2021 waren es 150 und im Vorjahr 100. Eingebürgert wurden im Jahr 2021 70 Personen. Im Jahr 2022 waren es dann 65 Einbürgerungen, obwohl es mehr als doppelt so viele Anträge gab.

Dementsprechend müssen die Antragssteller viel Geduld mitbringen. Zwischen acht und 48 Monaten dauert die Bearbeitung eines Antrags. "Die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden der Ausländer- und Einbürgerungsbehörde ist im Jahr 2022 durch den Zuzug geflüchteter Menschen aus der Ukraine und einer wachsenden Zahl an Einbürgerungsanträgen von Menschen, die im Jahr 2015 nach Thüringen eingewandert sind, noch einmal erheblich gestiegen", so Mirjam Kruppa.

Kein Zeichen für weltoffene Stadt

In Jena spitzte sich die Situation zum Ende des Jahres 2022 zu. Seit Jahren habe sich ein Antragsstau aufgebaut. Für die 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ausländerbehörde scheint die Situation zu eskalieren. Sie sind offenbar überfordert mit der steigenden Anzahl der Anträge.

Es wandern mehr Menschen zu, als Aufenthaltsanträge bearbeitet werden können. Aus zeitlichen Gründen können inzwischen E-Mails nicht beantwortet und Telefonanrufe nicht entgegengenommen werden. Persönliche Termine sind schwer zu bekommen. Oberbürgermeister Nitzsche kritisiert, dass dies mit einer weltoffenen Stadt nicht mehr in Einklang zu bringen sei. Auch wenn die Haushaltssituation schwierig sei, müsse mehr Personal aufgebaut werden.

Als Asylbewerber in Jena

Hasan kam vor acht Jahren nach Deutschland, als Kriegsflüchtling aus Syrien. Seine Geschichte steht bildhaft für viele Geflüchtete, die in Jena leben. Als Deserteur droht ihm in seiner Heimat die Todesstrafe. Deshalb floh er über Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Deutschland. Als Flüchtling kam er dann in Braunschweig an. Von dort wurde er weiter nach Jena vermittelt.

Ein Stempel mit der Aufschrift "Hinweis: Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Über eine Genehmigung entscheidet die Ausländerbehörde", 2015
Nur mit den nötigen Papieren kann man sich ein neues Leben aufbauen. Bildrechte: picture alliance / dpa | Jens Wolf

Im Asylheim Jena-Ost lebte er eineinhalb Jahre. Danach erhielt er mit viel Eigeninitiative das Asylrecht für drei Jahre. Erst dann konnte er sich eine Wohnung und eine Arbeit suchen. "Als ich den Aufenthaltsstatus hatte, habe ich schnell eine Wohnung und Arbeit gefunden und bin sofort umgezogen", so Hasan.

Der lange Weg, ein Deutscher zu werden

Im Sommer 2020, nachdem er acht Jahre in Deutschland gelebt hatte, stellte Hasan den Antrag für die deutsche Staatsangehörigkeit. Von der Behörde kam keine Rückmeldung. Nach einem halben Jahr versuchte er, telefonisch Kontakt aufzunehmen, wurde immer wieder vertröstet.

"Es ist unverschämt, dass beim Amt niemand zu erreichen ist. Meine Zukunft hängt davon ab und ich wollte viel eher arbeiten und in eine eigene Wohnung ziehen", so Hasan. Aber sein Antrage konnte wegen Krankheitsausfällen nicht weiterbearbeitet werden.

In der Zwischenzeit wollte er für seine Firma in einer leitenden Position nach China reisen. Aufgrund seines syrischen Passes wurde ihm die Einreise dorthin verwehrt. Ein weiteres Jahr später kontaktierte er die Ausländerbehörde erneut. Doch auf die Anrufe von seinem Handy reagierte niemand.

Meine Zukunft hängt davon ab und ich wollte viel eher arbeiten und in eine eigene Wohnung ziehen.

Hasan Kriegsflüchtling aus Syrien

Schließlich kam Hasan auf die Idee, vom Festnetztelefon an seinem Arbeitsplatz anzurufen. Eine bekannte Vorwahl aus Jena und prompt nahm jemand den Hörer ab. "Inzwischen war ich wirklich genervt und wollte meinen Antrag zurückziehen", so Hasan. Das machte er auch dem Sachbearbeiter deutlich. Einen Tag später wurde er eingeladen und erhielt die Genehmigung für die deutsche Staatsbürgerschaft. "Und plötzlich ging alles ganz schnell. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet", erinnert sich Hasan.

Runder Tisch für Demokratie

Der Runde Tisch kümmert sich um Angelegenheiten von Geflüchteten in Jena. Das Plenum von Vertreterinnen und Vertretern gesellschaftlicher und kommunaler Einrichtungen arbeitet gemeinsam, um das Stadtprogramm umzusetzen. Teilnehmer sind Initiativen, Verbände, Vereine, Ortschaftsräte und weitere gesellschaftliche Gruppen.

Zu manchen Themen werden auch Vertreter der Polizei und andere Experten eingeladen. Der Runde Tisch trifft sich mindestens dreimal im Jahr. Im letzten Jahr war der Bedarf so groß, dass es zwei zusätzliche Treffen gab. Inhaltlich knüpft der Runde Tisch an die Themen des vergangenen Jahres an. Es geht um die Situation geflüchteter Menschen in Jena. Dazu gehört auch die Situation der Ausländerbehörde.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 21. Januar 2023 | 13:00 Uhr

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