Hallenfußball-Variante Futsal: Bundesliga-Träume beim FC Carl Zeiss Jena
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26. April 2024, 17:30 Uhr
Baller League, Infinity League, Kings League - neuartige Fußballkonzepte, überdacht und mit mehr Action, sind gerade voll im Trend. Dabei gibt es mit Futsal bereits seit Jahrzehnten eine Hallenfußball-Variante, die man in Thüringen sogar direkt um die Ecke erleben kann. Bald vielleicht sogar auf Bundesliga-Niveau.
Dienstagabend, 21 Uhr, Sporthallenkomplex Lobeda-West im Süden Jenas. Während die Amateurfußballer im Umkreis bereits bei einer Flasche Bier unter der Dusche das vergangene Wochenende auswerten, startet bei den Futsalern des FC Carl Zeiss Jena das Training.
Im Unterschied zu den Kreisliga-Kickern geht es bei den Jungs auch nicht um den Klassenerhalt in der 8. Liga oder den Gewinn des lokalen Kreispokals. Das Team spielt am Wochenende um den Aufstieg in die Bundesliga. Amateure sind sie trotzdem.
Auf den Spuren von Messi und Pelé
Futsal - das ist eine Hallenfußball-Variante, die sich durch einen sprungreduzierten Ball, die Begrenzung durch Linien statt Banden sowie einige spezielle Regeln vom "normalen" Hallenfußball unterscheidet. Der Sport entstand in den 1930er-Jahren in Südamerika und breitete sich im Laufe der Jahrzehnte über den ganzen Globus aus. Fußball-Stars wie Ronaldo, Messi oder Pelé starteten ihre Karriere mit dem Spiel in der Halle.
Während Futsal in Ländern wie Brasilien oder Spanien unter professionellen Bedingungen gespielt wird und regelmäßig tausende Zuschauer in die Hallen lockt, zählt er in Deutschland eher zu den Randsportarten. In manchen Bundesländern, zum Beispiel Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern, existiert keine einzige Mannschaft.
In Thüringen dagegen gibt es sowohl für Frauen als auch Männer einen regelmäßigen Ligabetrieb. Zwei Männerteams kämpfen sogar in der Regionalliga Nordost über die Grenzen Thüringens hinweg um Punkte: Blumenstadt United aus Erfurt und das Team des FC Carl Zeiss Jena. Einen Stock höher befindet sich die Bundesliga - hier will der FCC hin.
Wie der Futsal zum FCC kam
Futsal beim FCC, das ist vor allem einer Person zu verdanken: Dominik Naujoks. Der 24-Jährige ist eigentlich Torwart, war in seiner Jugend unter anderem bei RB Leipzig und beim SC Borea Dresden aktiv. In der sächsischen Landeshauptstadt lernte er auch den schnellen Hallensport kennen und lieben.
Für sein Studium zog Naujoks 2018 nach Jena und fing beim SV Neustadt/Orla zwischen den Pfosten an. Doch der Sportler suchte noch nach einer weiteren Herausforderung. Da kam 2019 die Anfrage des Thüringer Fußballverbandes, ob er denn nicht Lust hätte, eine Futsalabteilung beim FC Carl Zeiss Jena mitzugründen, wie gerufen. Nicht nur als Spieler, sondern auch als Trainer.
Und so steht Coach Naujoks an diesem Dienstagabend, vier Jahre später, in der Lobedaer Halle in Jena und erklärt seinem Team an einer Magnettafel, mit welchen taktischen Kniffen sie es in die Bundesliga schaffen könnten.
Dafür bedarf es nach der Meisterschaft in der Regionalliga Nordost, welche sich das Team im März sicherte, nun noch des Gewinnens der Aufstiegsrunde. Hier trifft man in einer Hin- und Rückrunde auf die Beton Boys aus München und die Wakka Eagles aus Hamburg.
Das erste Spiel gegen die Mannschaft aus der Hansestadt verlor man mit 7:5. Nun geht es für den FCC am Samstag, 27. Mai, zur zweiten Runde nach München. Die Chance zum Aufstieg ist noch da, doch nun darf sich das Jenaer Team keine Fehler mehr leisten.
Das ist Bundesliga: Kameraplätze und Dopingkontrollen
Aus dem Fußball weiß man, bei einem Aufstieg zählt nicht nur die sportliche Leistung, auch die Infrastruktur ist wichtig. "Als Verein muss man ein Lizenzierungsverfahren durchlaufen. Dabei sind verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen. So muss die Halle über mindestens 201 Sitzplätze verfügen, und auch spezielle Kamera- und Journalistenplätze sind nötig, wenn der DFB das Spiel übertragen will", weiß Naujoks.
Nicht jedes Spiel landet allerdings zwangsläufig im Internet. Anders als die "Baller League", einer Hallenfußball-Liga von Lukas Podolski und Mats Hummels, welche immer live gestreamt wird, ist Futsal eher ein "Vor-Ort-Event". Und auch mehr sportlicher Wettkampf als "Event".
Und weil es eine richtige Bundesliga ist, muss es natürlich auch einen Raum für Doping-Tests geben.
Auch die restlichen Anforderungen kennt Naujoks genau. So muss der Trainer eine entsprechende Lizenz vorweisen. Die hat der gebürtige Sachse. Mit seinem Uefa-Diplom könnte er theoretisch das Futsal-Team des FC Barcelona trainieren. Thüringen ist ihm aber lieber als Katalonien.
"Und weil es eine richtige Bundesliga ist, muss es natürlich auch einen Raum für Doping-Tests geben," fügt Naujoks hinzu. Von einem handfesten Doping-Skandal blieb der Futsal bisher verschont, doch beim großen Bruder Fußball häufen sich in den letzten Jahren immer mehr Fälle.
Die Jenaer Spieler jedenfalls sind heiß auf die Bundesliga. Sie alle sind auf ganz unterschiedlicher Weise zum Futsal gekommen. Manche sehen den Hallensport als zusätzliches Training zum Fußball, bei anderen wiederum steht der Fokus nur noch auf dem Hallenparkett.
Martin Enderlein: "Es sind einfach diese Momente"
Der 35-jährige Martin Enderlein ist so einer. Seit 15 Jahren spielt er aktiv Futsal, früher bei SV Lobeda, jetzt beim FC Carl Zeiss Jena. Er ist der älteste in der Mannschaft, arbeitet Vollzeit, hat noch einen Nebenjob und doch sagt er: "Bundesliga trau ich uns und auch mir zu."
Es dauert nur wenige Sekunden und sofort beginnt der Offensiv-Spieler zu schwärmen. "Ich war vor kurzem länger verletzt, Muskelfaserriss. Hab dann über zwei Monate Aufbautraining betrieben. Werde im ersten Spiel nach der Pause eingewechselt, spiele fünf Minuten, mach ein Tor und das ganze Team rastet aus - es sind einfach diese Momente", berichtet der Monteur beim Training.
Man weiß gar nicht, was mehr leuchtet, seine Augen oder der Schweiß auf der Stirn. Denn Futsal ist nicht einfach nur Fußball auf anderem Untergrund, es ist dynamischer, torreicher und einfach anstrengender.
Die Jungs von Dominik Naujoks gehen auch beim Training an ihre Grenzen. Das hört und riecht man - kann es aber auch anhand von Daten klar erkennen. Einige Spieler sind während des Training mit Trackern ausgestattet, welche anhand der Herzfrequenz genau messen, wie sehr sich die Jungs verausgaben. Somit kann Naujoks sehen, wer eine Pause braucht und wer noch Energie hat.
Am Ende des anderthalbstündigen Trainings ist er mit allen zufrieden. Jeder ist an seinen persönlichen Grenzbereich gegangen. So könnte es am 27. Mai in München mit einem Sieg klappen.
Ich war vor kurzem länger verletzt, Muskelfaserriss. Hab dann über zwei Monate Aufbautraining betrieben. Werde im ersten Spiel nach der Pause eingewechselt, spiele fünf Minuten, mach ein Tor und das ganze Team rastet aus - es sind einfach diese Momente.
Profi-Bedingungen statt Profi-Gehalt
Das Jenaer Team wird bereits am Freitag nach Bayern fahren und in einem Hotel übernachten. Finanziert wird das von ihrem festen Budget für die Futsal-Abteilung. Es ist der einzige Luxus, den sich die Truppe gönnt, aber auch nur, um am nächsten Tag fit in der Halle zu stehen und nicht eine stundenlange Busfahrt in den Beinen zu haben.
Geld für das Futsalspielen bekommt beim FCC keiner. Selbst in der Bundesliga kann kaum jemand von dem Sport leben. In Jena gibt es dafür andere Vergünstigungen über lokale Sponsoren. Hier mal freier Eintritt im Fitnesscenter, da mal Rabatt im Restaurant.
Am Ende bleibt man trotz des professionellen Umfelds und des großen Namens einfach Amateursportler. Daran wird sich auch in der Bundesliga nichts ändern. Doch das stört in Jena niemanden. Das wichtigste sind am Ende eh "diese Momente".
MDR (nir)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 26. April 2024 | 17:30 Uhr
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