Neben einem Feldweg verlaufen Fernwärmerohre.
Die Stadtwerke müssten auch neue Fernwärme-Leitungen verlegen. Die Kapazität werde verdoppelt, heißt es. Bildrechte: MDR/Olaf Nenninger

Grüne Fernwärme Jena plant Deutschlands größtes Flussthermie-Kraftwerk an der Saale

09. Januar 2025, 16:21 Uhr

Jena will in den nächsten zehn Jahren klimaneutral werden, heißt also: radikal Emissionen reduzieren. Da schaut die Stadt natürlich auch darauf, wie geheizt wird. Bei der Hälfte aller Jenaer Haushalte ist es Fernwärme. Und die kommt aus einem Gaskraftwerk. Bald soll das Wasser der Saale die notwendige Energie liefern. In Jena könnte damit Deutschlands größtes Flussthermie-Kraftwerk entstehen.

Vor zwei Jahren nahm in Mannheim eines der größten Flussthermie-Kraftwerke Europas seinen Betrieb auf - ein Pilotprojekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. 20 Megawatt thermische Leistung kann die Anlage erzeugen. Das reicht, um 3.500 Haushalte mit Fernwärme zu versorgen. Deutschlands Kommunen müssen bei der Wärmeerzeugung neue Wege gehen, denn sie alle sollen in den kommenden Jahren ihre CO2-Bilanz gen Null fahren. Erdgas, Öl oder Kohle haben nach den Plänen von Bundesregierung und EU bald ausgedient.

Die Saale als Energiequelle

Glück könnte haben, wer Anrainer eines großen Flusses ist. Denn da steckt eine Menge Energie drin. Wenn man sie heben kann. Jena liegt glücklicherweise an der Saale. Und die ist je nach Jahreszeit zwischen vier Grad Celsius kalt oder 20 Grad warm. Damit ist der Fluss eine zentrale Komponente für die Jenaer Stadtwerke, um die Wärmetransformation der Zukunft hinzubekommen, meint André Sack, Geschäftsführer der Stadtwerke Energie Jena-Pößneck.

Denn mit Blick auf die erfolgreichen Erprobungen großer Flussthermie-Kraftwerke wie in Mannheim oder Berlin könnte ein derartiges System auch bald in Jena stehen, um die Fernwärme grün zu bekommen. Denn die wird derzeit vom Stadtwerke-Partner Teag im Kraftwerk Jena-Süd noch zu 95 Prozent mit Erdgas erzeugt.

Die Saale bei Jena
Die Saale bei Jena. Ihr Wasser soll in Zukunft die Grundlage für 40.000 warme Wohnungen sein. Bildrechte: MDR/Olaf Nenninger

Wie funktioniert ein Flussthermie-Kraftwerk?

Ein Flussthermie-Kraftwerk ist eigentlich nichts anderes als eine gewaltige Wärmepumpe. Ein Wärmetauscher entzieht dem Flusswasser Energie - mithilfe eines Kältemittels. Das wärmt sich dadurch leicht auf. Das Kältemittel wird dann von einem Kompressor verdichtet, sodass es richtig heiß wird. Diese Wärme erhitzt dann Wasser im Fernwärmenetz auf über 90 Grad.

Die Wärme gibt es natürlich nicht frei Haus. Denn eine Wärmepumpe braucht für die Verdichtung des Kältemittels eine Menge Strom. Doch dabei wird mehr Energie frei, als eingebracht wird. Im besten Fall kann das System aus einer Einheit elektrischer Leistung drei Einheiten thermische Leistung erzeugen.

Neubau in der Nähe des Gaskraftwerks

Die Jenaer Stadtwerke wollen künftig bis zu 40.000 Haushalte mittels Flussthermie mit grüner Fernwärme versorgen - mehr als zehnmal so viel wie in Mannheim. In Jena stünde dann Deutschlands, wenn nicht gar Europas größtes Flussthermie-Kraftwerk. Das würde dann natürlich nicht direkt an der Saale gebaut, sondern in Nähe des bisherigen Gaskraftwerks der Teag. Das Unternehmen wäre dann auch Betreiber des Flussthermie-Kraftwerks.

Wenn sich die Pläne dafür verdichten, ist in Jena wahrscheinlich mit einer größeren Diskussion über Sinn und Unsinn, vor allem aber über die Auswirkung auf Landschaft, Natur und Gewässer durch das Vorhaben zu rechnen. Zum einen müsste natürlich eine Entnahmestelle für das Flusswasser errichtet werden.

Diesbezüglich versucht Stadtwerke-Chef André Sack zu beruhigen. Das Entnahmebauwerk werde "relativ übersichtlich" sein. Stehen könnte es etwas unterhalb der Burgauer Brücke. Dort befindet sich bereits eine Entnahmestation für Kühlwasser, das für das aktuelle Kraftwerk Süd gebraucht wird.

 André Sack
Der Geschäftsführer der Stadtwerke Energie Jena-Pößneck André Sack. Bildrechte: Stadtwerke Energie Jena-Pößneck

Kritikpunkt: Wasser der Saale wird abgekühlt

Ein weiterer Kritikpunkt: Das Flusswasser kommt aus der Großwärmepumpe leicht abgekühlt zurück. Genau genommen nimmt sie 2,5 Kubikmeter Wasser pro Sekunde aus der Saale und gibt sie dann um ein Grad Celsius kühler zurück. Wenn die Saale also sehr wenig Wasser führt, könnte sie unterhalb der Entnahmestelle um ein Grad kühler sein.

Bei normalem Wasserstand strömt der Fluss aber mit rund zehn Kubikmeter pro Sekunde. Die Saale würde dann also nur um 0,25 Grad kühler. Berechnungen des Leipziger Instituts für Energie im Auftrag der mitteldeutschen Bundesländer haben ergeben, dass derartige Temperaturunterschiede in Flüssen keine Auswirkungen auf deren Lebensformen haben.

Leicht machen es sich die Stadtwerke dennoch nicht, wie André Sack sagt. Die Eingriffe würden sich zwar in Grenzen halten, "aber man greift in Gewässer ein und das braucht natürlich dann auch entsprechende Bewertungen, Gutachten und Freigaben".

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Hälfte der Fernwärme-Haushalte soll versorgt werden


Aus dem Wasser der Saale lassen sich nach Berechnungen des Ingenieurbüros Jena-GEOS 130 Megawatt thermische Energie ziehen. Aktuell leistet das zu ersetzende Gaskraftwerk mehr als 220 Megawatt. Daher soll das Flussthermie-Kraftwerk auch nur die Hälfte der Haushalte versorgen, die an das Fernwärmenetz angeschlossen sind.

Den Rest sollen Geothermie, Biomasse-Kraftwerke, Power-to-Heat, Solarthermie und die Verbrennung grünen Wasserstoffs leisten. Zu diesem Energie-Mix gehört auch eine neue Großwärmepumpe, die aus den warmen Abwässern im Klärwerk Zwätzen Fernwärme für ein angrenzendes Gewerbegebiet erzeugen soll.

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Ambitionierter Zeitplan

So ambitioniert wie die Vorhaben sind, so ist auch der Zeitplan. Nur zehn Jahre bleiben den Stadtwerken, um alles umzusetzen. Noch sind sie mitten in der Wärme- und Transformationsplanung. Frühestens 2026 könnte es dann baulich losgehen. Da die Jenaer Energieversorgung dann wahrscheinlich deutlich dezentraler aufgestellt sein wird, rechnen die Stadtwerke mit einer Verdopplung des Netzausbaus.

Heißt also: Viele Kilometer neue Fernwärmeleitungen müssen gelegt werden. Und auch mit Blick auf die vielen erwarteten privaten Wärmepumpen müssen die Stromleitungen ertüchtigt werden. Alles zusammen werde einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag kosten.

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MDR (one/jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 09. Januar 2025 | 19:00 Uhr

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