Gerichtsprozess Ex-Beamter wegen Untreue verurteilt - Richter bemängelt Versagen der Justiz
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09. Januar 2025, 20:14 Uhr
Das Geraer Landgericht hat einen ehemaligen Mitarbeiter des Thüringer Oberlandesgerichts wegen Vorteilsnahme und Untreue zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Der Leitende Ministerialdirektor hatte laut Gericht Aufträge ohne Ausschreibung vergeben und dafür 30.000 Euro erhalten.
Wenn die Justiz so versagt, ist es nicht fair, die Angeklagten ins Gefängnis zu schicken. Nur einer von vielen bemerkenswerten Sätzen aus der Urteilsbegründung der 1. Strafkammer des Geraer Landgerichts in einem Verfahren, das der Vorsitzende Richter Uwe Tonndorf komplex nannte. Die Atmosphäre sei von großer Sachlichkeit geprägt gewesen, und dennoch habe das Verfahren alle geschlaucht. Man sei auf verstörende Vorgänge in der Thüringer Justiz gestoßen.
30 Tage lang hat die Kammer gegen einen ehemaligen Beamten des Thüringer Oberlandesgerichts verhandelt. Der ehemals leitende Ministerialdirektor hat nach Überzeugung der Richter mit einem befreundeten Unternehmer Dienstleistungsverträge geschlossen, die eigentlich hätten ausgeschrieben werden müssen. Es ging ums Aufstellen von Möbeln, ums Eingeben von Daten, um IT-Dienstleistungen und auch um ein Achtsamkeitstraining, das den Mitarbeitern der Justiz die Umstellung aufs Digitale erleichtern sollte.
Zwei Jahr Haft auf Bewährung
Wegen Vorteilsnahme und Untreue wurde der Ex-Beamte am Donnerstag zu zwei Jahren Haft verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Der mitangeklagte Unternehmer bekam ein Jahr und sieben Monate, ebenfalls ausgesetzt zur Bewährung wegen Vorteilsgewährung und Beihilfe zur Untreue. Ein weiterer Geschäftsmann muss eine Geldstrafe zahlen. Das Geld, das die Angeklagten mit den Geschäften machten, wird eingezogen. Bei dem Beamten sind das 30 000 Euro, bei dem verurteilten Unternehmer fast eine Million Euro.
Wenn die Justiz so versagt, ist es nicht fair, die Angeklagten ins Gefängnis zu schicken.
Es waren viele einzelne Verträge, Geschäfte und damit Fälle, die das Gericht zu bewerten hatte. Die Anklageverlesung im Mai 2024 hatte mehr als zwei Stunden gedauert. Sehr vieles hat sich bestätigt, ein bisschen was wurde eingestellt - und einen Teilfreispruch gab es auch. Alle einzelnen Fälle wurden in der Urteilsbegründung aufgedröselt und juristisch bewertet. Aber das war nicht alles.
Präsident des Oberlandesgerichts sei "Totalausfall"
Möglich seien diese Taten nur gewesen, weil der ehemals leitende Ministerialdirektor am Thüringer Oberlandesgericht eine ungeheure Machtfülle besaß, hieß es im Urteil. Und weil der damalige Präsident, der ihn hätte kontrollieren müssen, ein "Totalausfall" war.
Nicht mal ein Disziplinarverfahren habe der Präsident einleiten wollen. Der Vorsitzende Richter zitierte aus einer Mail, in der der damalige OLG-Präsident seinem Untergebenen noch Tipps gab, was dieser jetzt unternehmen solle.
Verteidigung kündigt Revision an
Die Justiz müsse funktionieren, dürfe aber nichts kosten - diesen Eindruck habe er in den letzten Jahren gewonnen, sagte Tonndorf in der Urteilsbegründung. Auch wenn die Art und Weise nicht in Ordnung war - letztendlich hätten Leute eingekauft werden müssen, um die anfallende Arbeit zu erledigen.
"Wenn die Justiz so versagt, ist es nicht fair, die Angeklagten ins Gefängnis zu schicken", sagte Tonndorf am Ende der Urteilsverkündung. Die Taten lägen lange zurück, zudem drohe dem Beamten der Verlust seiner Pension, sollte das Urteil rechtskräftig werden.
Die Verteidigung hat bereits Revision angekündigt.
MDR (ch/jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 09. Januar 2025 | 19:00 Uhr