Produzenten Ohne Obst kein Saft: Wie Mostereien mit den Ernteausfällen umgehen
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02. November 2024, 07:11 Uhr
Ob Äpfel, Birnen, Beeren, Sauerkirschen oder Quitten - die schlechte Obsternte in diesem Jahr hat auch massive Folgen für die Mostereien in Thüringen. Für sie gibt es kaum Früchte, die sie verarbeiten können. Die Frostnächte Ende April hatten den Obstbäumen drastisch geschadet.
Der Frühling legt sich duftend über das Land. Die Obstbäume blühen üppig. Das sind idyllische Bilder aus dem April dieses Jahres. Dann fuhr in den letzten Nächten des Monats der Frost in die Blüten. Die Verluste trafen zunächst die Obstbauern, nun die Mostereien.
Einkommen eines Vierteljahres fehlt
Im Ortsteil Schönbrunn der Gemeinde Schleusegrund im Landkreis Hildburghausen betreibt Marcel Hoppe eine mobile Mosterei. Bevor die Saison beginnt, legt er Termine fest. Dann melden sich seine Kunden an, um ihr Obst aus dem eigenen Garten oder von ihren Streuobstwiesen bei ihm zu Saft pressen zu lassen.
Mir fehlt nun das Einkommen eines Vierteljahres.
Normalerweise ist der Andrang groß. Vor allem mit Äpfeln, Birnen und Quitten kommen sie zu ihm. "In diesem Jahr hatte ich gerade mal zwei Termine mit insgesamt neun Leuten und zwei Tonnen Obst", erzählt Marcel Hoppe. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr gab es 19 Termine. Dabei gingen jeweils zweieinhalb bis drei Tonnen Obst durch die Presse. Pro Termin kamen zwischen 15 und 20 Kunden.
"Mir fehlt nun das Einkommen eines Vierteljahres", sagt Hoppe. Seine Saftpresse hat 73.000 Euro gekostet, dazu kommen allerlei Nebenkosten: "Das muss bezahlt werden." Er weiß, dass es nicht nur ihm so geht. Hoppe engagiert sich neben seiner Arbeit beim Naturschutzbund Nabu: Er ist Landeskoordinator des Nabu-Bundesfachausschusses Streuobst und Sprecher der Thüringer Landesgruppe des Pomologenvereins.
"Ich befürchte, dass alle von diesem Totalausfall betroffen sind. Auf seiner Internetseite listet der Nabu 13 mobile Mostereien in Thüringen auf, das dürften nahezu alle sein, die es derzeit gibt.
"Die Lage ist sehr angespannt, aber deshalb schließen die Mostereien jetzt nicht reihenweise", sagt Andreas Mehlhorn. Er ist Inhaber einer Fruchtsaftkelterei im sächsischen Langenbernsdorf und Vorsitzender des Fruchtsaftverbandes Sachsen, in dem fast alle ostdeutschen Bundesländer vertreten sind, darunter auch Thüringen. Die 34 Mitglieder sind fast alles familiengeführte Mostereien oder Keltereien mit zwischen drei und zehn Beschäftigten.
Bisher haben die Betriebe des Verbandes pro Jahr durchschnittlich 6.000 Tonnen Obst verarbeitet, in besonders guten Jahren waren es auch mal 10.000 Tonnen. Die genauen Zahlen für dieses Jahr hat Andreas Mehlhorn noch nicht: "Aber es wird sehr, sehr viel weniger sein."
Kurzarbeitergeld für Mostereien angelehnt
Von den Ausfällen sind alle Mostereien gleichermaßen betroffen. Es mangelt an Äpfeln, Beerenobst, Quitten und Sauerkirschen. Anfragen zu finanziellen Hilfen an das Landwirtschaftsministerium wurden abschlägig beschieden. Mehrere Kollegen haben bei den Arbeitsagenturen Kurzarbeitergeld beantragt, auch das wurde abgelehnt, erzählt Andreas Mehlhorn. "Die Preise für Säfte werden sich auf jeden Fall erhöhen." Wie hoch genau sie ausfallen werden, kann Andreas Mehlhorn noch nicht sagen.
Apfelsaft wird definitiv teurer.
Florian Steinbrück, Geschäftsführer der Fahner Frucht Handels- und Verarbeitungs GmbH in Gierstädt im Landkreis Gotha, dem größten Thüringer Safthersteller, kauft In diesem Jahr Äpfel und Steinfrüchte dazu. Die Preise dafür sind doppelt so hoch wie normalerweise.
Ein Liter Apfelsaft wird mehr als zwei Euro kosten
Steinbrück hofft, dass sich die Tanklager doch noch füllen. "Apfelsaft wird definitiv teurer", sagt er. Die Liter-Flasche Apfelsaft wird demnächst mehr als zwei Euro kosten. "Wir hoffen darauf, dass die Kunden bereit sind, das zu zahlen." Kurzarbeit oder Entlassungen plane das Unternehmen, das 37 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, aber nicht.
Für seine eigene Existenz hofft Marcel Hoppe, dass er mit einer zusätzlichen Tätigkeit als Obstbaumpfleger, mit Gärtnerarbeiten und der Mitwirkung an einem Forschungsprojekt zu klimaresistenten Obstsorten dieses Jahr übersteht. Finanzielle Unterstützung könnte den mobilen Mostereien sehr helfen, sagt Marcel Hoppe.
Soforthilfen nur für Anbaubetriebe
Das Thüringer Landwirtschaftsministerium antwortet auf Anfrage von MDR THÜRINGEN, dass aus rechtlichen Gründen Soforthilfen nur für Primärerzeuger, also die Anbaubetriebe, zur Verfügung gestellt werden können. Auch eventuelle Pläne des Bundes zur Unterstützung der Mostereien und Keltereien seien dem Ministerium nicht bekannt.
Den verarbeitenden Betrieben bleibe die Möglichkeit, Obst aus anderen Regionen, die vom Spätfrost nicht so sehr betroffen waren, dazu zu kaufen oder ihr Sortiment in geeigneter Form anzupassen. Dagegen sei das den Anbaubetrieben nicht möglich, weil ihre Einkommensbasis durch den Spätfrost weitgehend ausgefallen seien, so das Ministerium.
Den Inhabern der Mostereien bleibt also trotz steigender Preise auf den Durst ihrer Kunden auf Obstsäfte zu hoffen - und auf eine gute Ernte im kommenden Jahr.
MDR (co)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 27. Oktober 2024 | 18:00 Uhr
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