Kali-Bergbau Was, wenn das Bergwerk kommt? Offene Fragen in Nordthüringen
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21. April 2022, 15:13 Uhr
Im Norden Thüringens hat die Südharz Kali GmbH Interesse daran, den Bergbau in der Region wieder aufzunehmen. Dort lagern einige der größten Kali-Vorkommen Europas. Doch viele Fragen zum Thema Umwelt und qualifizierte Arbeitskräfte sind bisher offen.
Die Website von Südharz Kali ist grün. Eines der ersten Worte, die dort zu lesen sind, ist "nachhaltig". Da stellt sich schnell die Frage: Kann Bergbau überhaupt nachhaltig sein?
Babett Winter von Südharz Kali erklärt, wie das Unternehmen Nachhaltigkeit für sich definiert: "Es geht nicht um einen geschlossenen Kreislauf. Es geht um die drei Säulen im Sinne der Nachhaltigkeit. Also umweltschonend, umweltfreundlich. Sozial nachhaltig, also sozial verantwortungsvoll für die Gesellschaft. Und auch ökonomisch verantwortungsvoll. Dann glauben wir, dass wir nachhaltigen Bergbau hier aufbauen können."
Kali-Bergbau in Nordthüringen: Neues Verfahren mit Rückverfüllung
Mit dem Kali-Bergbau werden bis heute die Halden verbunden, die oft schon aus kilometerweiter Entfernung gesehen werden können. Südharz Kali möchte die aber vermeiden. Babett Winter erklärt, dass kleinere Halden zeitweise entstehen. Das Material wird dann aber abschnittsweise zurück unter Tage gebracht. Diese Vorgehensweise ist recht neu. Und damit auch wenig erprobt.
Das bemängelt Robert Bednarsky vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Thüringen: "Ob das tatsächlich so funktioniert - wässrige, schlammige Lösungen mit festen Salzstämmen? Da findet immer eine Diffusion statt. Und wann lösen sich die dann auf? Wann kommt es zum oberirdischen Bergschlag? Bisher hat uns noch keiner wirklich bewiesen, dass das funktioniert." Bednarsky frage sich außerdem, wie das Material, das oberflächlich gelagert werden soll, geschützt wird. Bei Regen könne das Material instabil werden. Außerdem solle klar sein, wie hoch die temporären Halden werden.
Südharz Kali will diese Fragen in der Machbarkeitsstudie angehen. Auch zu DDR-Zeiten wurde schon Material per Spülversatz wieder unter Tage gebracht. Am Ohmgebirge würde jedoch eine andere Technik zum Einsatz kommen. Das Verfahren sei zwar neu, aber mit einem komplett neuen Bergwerk sei es einfacher, neue Technik zu installieren, als in einem bestehenden Bergwerk, so Babett Winter. Das Unternehmen holt sich dafür auch externe Unterstützung von K-UTEC in Sondershausen. Das Unternehmen ist einer der Vorreiter im Bereich der Kali-Forschung. Ursprünglich agierte das Unternehmen in der DDR als Kali-Forschungsinstitut.
Bedenken beim Umweltschutz
Bednarsky vom BUND sagt außerdem, durch die jahrelangen, negativen Vorerfahrungen mit K+S nicht sehr optimistisch zu sein. Hier wurde immer wieder gestattet, dass Abwässer in die Werra eingeleitet werden. Bei einem neuen Bergwerk solle von vornherein abgewogen werden, ob sich der Eingriff vom Menschen in die Natur wirklich so sehr lohnt.
Brauchen wir das wirklich und ist das lebensnotwendig?
Babett Winter von Südharz Kali schätzt, dass der Markt für Kali-Salz auf jeden Fall da ist. Kali-Salz wird zwar auch in anderen Regionen der Welt abgebaut, mit einem Lieferanten vor Ort werde aber auch der ökologische Fußabdruck kleiner, so Winter. Momentan sind die Preise durch den Krieg in der Ukraine viel höher als üblich. Russland und Weißrussland gehören zu den großen Kali-Lieferanten.
Die Entwicklung konnte natürlich niemand vorhersehen. Winter sagt, dass der aktuelle Preis auch nicht der ist, mit dem kalkuliert wurde. Bergbau sei generell ein langfristiges Geschäft: "Sie müssen erstmal jede Menge investieren: in Probebohrungen, in Machbarkeitsstudien, um dann überhaupt die weiteren Schritte gehen zu können."
Wo sollen die Fachkräfte herkommen?
Die Blüte des Bergbaus in Thüringen ist schon lange Zeit her. Vor 30 Jahren mussten sich die Kali-Kumpel in Bischofferode in ihrem Arbeitskampf um den Erhalt des Werkes geschlagen geben. Der Bergbau wurde seitdem immer weiter zurückgefahren. Andreas Schmidt von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie in Thüringen (IGBCE) berichtet, dass nach 2000 ein Jahrzehnt lang kein einziger Bergbautechnologe in Thüringen ausgebildet wurde.
Erst 2010 kam die erste Klasse wieder zustande. Seitdem werden jährlich wieder etwa 20 Schüler in Sondershausen zu Bergbautechnologen ausgebildet. Die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern für ein neues Bergwerk dürfte also schwierig werden.
Die IGBCE schätzt den Bedarf für ein kleines Bergwerk auf mindestens 180 Mitarbeiter. Andreas Schmidt kann sich bisher nicht erklären, wo Südharz Kali die Leute für ein großes Bergwerk herbekommen möchte: "Da sehen wir in Thüringen ein Riesenproblem. Wir haben jetzt schon in unseren Bergwerksbetrieben schwierige Bedingungen, weil die Demografie der Kolleginnen und Kollegen sehr alt ist. Und wir erwarten in den nächsten Jahren einen Weggang von Fachkräften. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass man Untertagebetriebe ohne ausgebildeten Bergbautechnologen betreiben kann."
So will Südharz Kali neue Arbeitskräfte gewinnen
Personal einfach umzuschulen, funktioniere im Bergbau nicht so einfach wie in anderen Branchen, so Schmidt. Zudem müssten viele Sicherheitsvorkehrungen beachtet werden. Eine Abwanderung aus dem Saarland oder Nordrhein-Westfalen von geschlossenen Bergwerken kann sich Andreas Schmidt ebenfalls nicht vorstellen. Dort würden erfahrungsgemäß höhere Gehälter gezahlt.
Babett Winter von Südharz Kali hält dagegen, dass in Zukunft stärkere Klassenstärken in Sondershausen kommen könnten.
Wenn es einen neuen Arbeitgeber gibt, glaube ich, dass der das Interesse bei den jungen Menschen an dem Beruf wieder weckt.
Winter geht außerdem davon aus, dass die Arbeitskräfte nach Tarifvertrag bezahlt werden, wenn ein Bergwerk entsteht, da das Unternehmen soziale und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen möchte. Arbeitskräfte aus anderen Regionen könnten so abgeworben werden.
Andere Industriezweige werden in den nächsten Jahren voraussichtlich weniger Personal benötigen, etwa die Automobil-Zulieferer. Diesen Arbeitskräften könnten dann neue technische Arbeitsplätze angeboten werden, so Winter.
Machbarkeitsstudie soll anderthalb bis zwei Jahre laufen
Generell setze das Unternehmen auf eine langfristige Strategie. Die Machbarkeitsstudie in den nächsten anderthalb bis zwei Jahren soll alle möglichen Fragen klären. Zu Einflüssen auf die Umwelt, Infrastruktur, Straßen- und Schienenanbindung, was unter Tage passieren muss, aber auch über Tage, soziologische Faktoren in Gesellschaft und mehr.
Qualifizierte Arbeitskräfte kann das Unternehmen noch mindestens fünf Jahre lang suchen. Frühestens dann könnte ein Bergwerk überhaupt eröffnet werden. Bis dahin müssen aber erst noch die Planungs- und Genehmigungsverfahren durchlaufen werden.
Anmerkung der Redaktion vom 11.08.2022: Im Absatz zum Verfahren haben wir präzisiert, dass es in der DDR eine ähnliche Methode gab, nun aber eine andere Technik zum Einsatz kommt.
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 20. April 2022 | 18:00 Uhr