Gewaltvorwürfe Waldorfschule Weimar: Bundesverband stellt Ultimatum
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24. März 2021, 09:13 Uhr
Die schulaufsichtliche Prüfung der Waldorfschule sollte am 19. März abgeschlossen werden, wurde aber bis zum 9. April verlängert. Inzwischen hat der Bund der Freien Waldorfschulen nach eigenen Angaben ein Ausschlussverfahren gegen die Schule eingeleitet. Inzwischen wurden Vereinbarungen getroffen, durch die die Schule bis Ende Mai diesen Ausschluss noch abwenden kann.
Mitte März waren Vertreter des Bundes der Freien Waldorfschulen (BdFWS) nach Weimar gekommen, um sich vor Ort ein Bild davon zu machen, wie es in der Waldorfschule Weimar vorangeht mit der Aufarbeitung der Gewaltvorwürfe und der ungelösten innerschulischen Konflikte. Informationen darüber, wer an diesen Gesprächen teilgenommen hat und wie sie verlaufen sind, gab es zunächst nicht. Am Dienstag erklärten jetzt Eva Wörner und Henning Kullak-Ublick vom Vorstand des BdFWS, man habe gemeinsam einen "mehrteiligen Maßnahmenkatalog" vereinbart.
Ausschlussverfahren gegen Weimarer Schule
Weiter heißt es, dass die Waldorfschule Weimar alle dieser Vereinbarungen bis Ende Mai umsetzen müsse, um einen Ausschluss aus dem Verband abzuwenden. Denn ein entsprechendes Ausschlussverfahren ist laut Vorstand bereits Anfang März eingeleitet worden.
Gewaltvorwürfe gegen mehrere Lehrer
Der Schule war vorgeworfen worden, dass es in der Vergangenheit mehrere verbale und/oder körperliche Übergriffe gegenüber einzelnen Schülern und Schülerinnen gegeben habe. "Wir bedauern diese Vorfälle zutiefst", erklärte dazu Henning Kullak-Ublick, Vorstand und Sprecher des BdFWS. Gewaltanwendung sei mit der Waldorfpädagogik "in keiner Form" vereinbar. "Wir bitten alle unmittelbar betroffenen oder den Übergriffen passiv ausgesetzten Schüler:innen von ganzem Herzen um Entschuldigung und bedauern, dass es bisher nicht gelungen ist, das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen."
Wir bitten alle unmittelbar betroffenen oder den Übergriffen passiv ausgesetzten Schüler:innen von ganzem Herzen um Entschuldigung und bedauern, dass es bisher nicht gelungen ist, das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen.
Verband will zwei Jahre die Schulführung begleiten
Ziel der Vereinbarungen sei es, strukturell sicherzustellen, dass sich solche Vorfälle in Zukunft nicht wiederholen und dass es bei eventuellen Übergriffen klar beschriebene und transparente Verfahren zu deren Aufarbeitung gibt. Dazu gehöre vordringlich die Weiterentwicklung des Präventionskonzeptes der Schule in enger Zusammenarbeit mit Eltern und Kindern sowie die Bearbeitung der noch ungelösten Konflikte. Ähnliche Forderungen hatte bereits das Schulamt an die Waldorfschule gerichtet.
Die Vereinbarungen im Einzelnen:
- Die Weiterentwicklung des Gewaltpräventionskonzeptes sowie die Erarbeitung eines für alle verbindlichen "Code of Conduct“ mit Eltern und Schüler
- Hospitationen im Unterricht durch erfahrene Lehrer, die vom BdFWS entsandt oder akkreditiert werden
- Eine von der Schule strukturell und personell unabhängige Ombudsstelle, an die sich Schülerinnen und Eltern wenden können, wenn ihnen Übergriffe bekannt werden und zur Aufarbeitung ungelöster früherer Vorfälle
- Eine zeitlich zunächst auf zwei Jahre befristete Begleitung der Schule durch eine vom BdFWS akkreditierte Vertrauensperson in allen wesentlichen Vereins-, Personal- und Schulführungsangelegenheiten
- Fortsetzung der schon begonnen Arbeit an den Leitungsstrukturen der Schule
Schule muss laut Vorstand vollständig kooperieren
"Wir erkennen an, dass die Schule sich mit Hilfe einer externen Beratung um eine Neuaufstellung ihrer Leitungs- und Entscheidungsstrukturen bemüht," so Kullak-Ublick. Der BdFWS sei bereit, diesen Prozess zu unterstützen, sei dabei aber auf die vollständige Kooperation der Schule angewiesen. "Das schulden wir nicht nur denjenigen, die in der Vergangenheit betroffen waren, sondern auch allen jetzigen und künftigen Schülergenerationen."
Ende Mai will der Vorstand des BdFWS entscheiden, ob die bis dahin erfolgten Schritte genügten, um das Ausschlussverfahren einzustellen.
Bund der Freien Waldorfschulen e.V. Die derzeit 254 deutschen Waldorfschulen haben sich zum Bund der Freien Waldorfschulen e.V. (BdFWS) mit Sitz in Stuttgart zusammengeschlossen, wo 1919 die erste Waldorfschule eröffnet wurde. In Deutschland besuchen 90.000 Schülerinnen und Schüler eine Waldorfschule. Die föderative Vereinigung lässt die Autonomie der einzelnen Waldorfschule unangetastet, nimmt aber gemeinsame Aufgaben und Interessen wahr.
Quelle: MDR Thüringen
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 25. März 2021 | 09:00 Uhr