Landtag Landesrechnungshof hält Zulage für parlamentarische Geschäftsführer für bedenklich
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19. November 2022, 13:51 Uhr
In Thüringen erhalten die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen und Gruppen im Landtag pro Monat 1.700 Euro zusätzlich zu ihrer Abgeordnetendiät. Der Landesrechnungshof stellt in Frage, dass diese Zulage rechtmäßig ist.
Die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen und Gruppen im Thüringen Landtag beziehen eine verfassungsrechtlich umstrittene Zulage. Wie der Landesrechnungshof MDR THÜRINGEN mitteilte, legt die bisherige Rechtsprechung nahe, dass die Extrazahlung in Höhe von rund 1.700 Euro monatlich nicht mit der Freiheit des Mandats und dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar ist.
Der Rechnungshof bezieht sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2000. Zudem verweist er auf eine Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshof, der im Juli der FDP-Gruppe im Landtag mehr Geld verweigert hatte. In der Entscheidung heißt es, dass die "Zahlung solcher Funktionszulagen verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig ist".
Auch der Bund der Steuerzahler Thüringen sieht die Zulage kritisch. Der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Oehring sagte MDR THÜRINGEN, das Parlament sei bereits aufgrund der Zahl der Abgeordneten im bundesweiten Vergleich unverhältnismäßig teuer.
Aber auch das Zuschuss- und Zulagensystem werde weiter mit dem Blick auf mögliche Steuerverschwendungen untersucht.
Basis: Thüringer Abgeordnetengesetz
Die Funktionszulage in Höhe von etwa 1.700 Euro monatlich (28 Prozent der Grundentschädigung in Höhe von 6.036,72 Euro bis Ende 2021/ 6.272,15 Euro ab 1.1.2022) wird seit Oktober vergangenen Jahres auf Basis des Thüringer Abgeordnetengesetzes gezahlt. Die Landtagsfraktionen von Linke, SPD, Grünen und CDU hatten sie im Zuge der finanziellen Regeln für die neu entstandene FDP-Gruppe im Landtag beschlossen.
Auch die Sprecher der parlamentarischen Gruppen erhalten seitdem die entsprechende Zulage. Gleichzeitig wurde die steuerfreie Aufwandsentschädigung für parlamentarische Geschäftsführer gestrichen. Diese errechnete sich aus der Entfernung des Wohnortes bzw. des Abgeordnetenbüros zum Landtag und betrug monatlich maximal rund 590 Euro.
Komplexe und umfangreiche Aufgabe
Die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen sowie CDU verteidigen die Zulage als angemessen. Aus allen vier Fraktionen heißt es, damit werde die Mehrarbeit anerkannt und entschädigt, die mit der Funktion des parlamentarischen Geschäftsführers verbunden sei.
Ähnlich äußerte sich die Landtagsverwaltung: Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes seien "Umfang und Komplexität der Aufgaben" erheblich gestiegen: "Heute zählen Parlamentarische Geschäftsführer auf jeden Fall zu den besonders herausgehobenen politisch-parlamentarischen Funktionsinhabern im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht", hieß es auf Anfrage von MDR THÜRINGEN.
Vergleich zu anderen Bundesländern gezogen
Die vom Thüringer Verfassungsgerichtshof geforderte Rechtfertigung der Funktionszulage ist aus Sicht der SPD-Fraktion damit gegeben. Die CDU-Fraktion verweist außerdem darauf, dass das Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein 2013 eine Zulage auch für parlamentarische Geschäftsführer als rechtmäßig anerkannt hat. Nach Angaben der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen war es rechtlich notwendig, die Zusatzentschädigung für die Gruppensprecher mit einer bisher schon bestehenden Funktion zu verknüpfen. Außerdem erklärten die Fraktionen, dass die Zulagen-Höhe von 28 Prozent im Vergleich der Bundesländer niedrig sei.
Nach Angaben der Grünen bedeutet die Umstellung für ihre aktuelle parlamentarische Geschäftsführerin Madeleine Henfling insgesamt eine niedrigere Entlohnung. Als Vizepräsidentin erhält Henfling bereits eine Zulage. Eine zusätzliche Aufwandsentschädigung war möglich, eine zusätzliche Zulage für die Funktion der parlamentarischen Geschäftsführerin ist dagegen gesetzlich ausgeschlossen. Die AfD-Fraktion äußerte sich auf Anfrage von MDR THÜRINGEN nicht.
Expertenkommission arbeitet noch nicht
Die Koalitionsfraktionen verweisen außerdem darauf, dass der Landtag im Juni 2022 eine Expertenkommission eingesetzt hat, die Vorschläge zur Reform des Abgeordnetenrechts in Thüringen erarbeiten soll und unter anderem auch Fragen zur Abgeordnetenentschädigung behandelt. Bis 31. Dezember 2023 soll demnach ein schriftlicher Abschlussbericht vorliegen. Bisher hat sich diese Kommission nicht konstituiert.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 19. November 2022 | 05:00 Uhr