Subkultur Wie die "reifere Jugend" ein Kiez-Kino in Erfurt aufmischt

08. Juli 2023, 08:28 Uhr

Seit rund einem Jahr belebt das "Schambrowski" den Erfurter Norden - als Kino, Filmverleih und Fachbibliothek für Graffiti. Der Laden soll vor allem ein Angebot sein und will Raum für alle bieten, so etwa für Anita Kirr. Mit ihren Freundinnen hat die 67-Jährige Kinoabende unter dem Motto "Filme für die reifere Jugend" ins Leben gerufen.

Dienstagnachmittag im Erfurter Norden. In der Magdeburger Allee werden die letzten Vorbereitungen getroffen. Kuchen wird geschnitten, der Sekt steht kalt - ein leichter Duft von frischem Kaffee zieht durch die Räumlichkeiten des "Schambrowski". Der Grund: ein echter Krimi-Klassiker. Denn heute ermittelt Miss Marple auf der Kinoleinwand - im Fall "Der Wachsblumenstrauß".

"Das ist zwar schon ein uralter Film, aber diese alte Dame ist eben fetzig", sagt Anita Kirr. Die 67-Jährige ist eine der Initiatorinnen der Kinoabende unter dem Motto "Filme für die reifere Jugend". Trotzdem sind zur inzwischen dritten Veranstaltung der Reihe alle Altersklassen ins Kiez-Kino eingeladen: "Ich war erstaunt, dass die letzten beiden Male auch ganz junge Leute dabei gewesen sind. Das hat mich irgendwie fasziniert, weil ich wirklich mit 60+ gerechnet habe - aber es hat mich riesig gefreut", erzählt Anita begeistert.

Thüringens einziger Filmverleih

Das "Schambrowski" gibt es nun seit gut einem Jahr. Ende Juni 2022 konnte offiziell die Eröffnung gefeiert werden - mit HipHop, Leckereien vom Rost und zahlreichen Gästen. Seitdem ist in der Magdeburger Allee auch der markante Lichtkasten zu sehen. Den ziert nicht nur der Name des Ladens, sondern auch der Zusatz "Kino - Graffiti - Bücher". Auf der anderen Seite ist in großen Buchstaben "Rotzfrech Cinema" zu lesen. Was genau steckt eigentlich hinter beziehungsweise in diesem Schambrowski?

Und wenn wir einmal ein Kino bauen, kann man das ja auch für das Viertel öffnen.

Tom Urban Schambrowski

Tom Urban, einer der Mitbegründer des Ladens, klärt auf: "Es gibt hier verschiedene Abzweigungen, die sich im Laden engagieren." Ein Teil davon ist das Rotzfrech Cinema; Thüringens einziger Filmverleih, der hier seine Geschäftsstelle hat.

Unter diesem Namen organisieren Tom und seine Partner schon mehr als zehn Jahre Filmveranstaltungen, vorwiegend zu den Themen Graffiti, HipHop und Subkultur. Einfach "Kino machen" sei damals die Idee gewesen, angelehnt an die gleichnamige Hip-Hop-Partyreihe "Rotzfrech". Letztere gibt es heute nicht mehr. Das Kino aber ist geblieben und inzwischen ein essentieller Bestandteil des "Schambrowski".

Kino für den Kiez

"Mir kam dann irgendwann die Idee, dass ich die Filme, die uns für das 'Rotzfrech Cinema' angeboten werden, nicht immer auf dem Laptop gucken kann. Sondern ich muss die mal in so einer kinoähnlichen Atmosphäre gucken. Darum entstand die Idee: Wir bauen hier einfach ein kleines Kino rein. (...) Und wenn wir einmal ein Kino bauen, kann man das ja auch für das Viertel öffnen", erklärt Tom.

Ich hab' manchmal das Gefühl, es gibt nichts, was es hier nicht geben kann.

Tom Urban Schambrowski

Inzwischen gibt es seit Januar 2023 regelmäßig Kino-Veranstaltungen im "Schambrowski" - immer am Donnerstag. "Das hat dem Laden noch mal eine andere Aufmerksamkeit verschafft, weil dann auch Leute aus anderen Städten und verschiedensten Zusammenhängen hier gelandet sind." Auch Regisseurinnen und Regisseure seien zu Filmgesprächen gekommen. "Also wirklich wie in einem kleinen streng kuratierten Programmkino", sagt Tom.

Neben dem Filmverleih sind die Filmveranstaltungen das "zweite Standbein" des "Schambrowski". Aktuell befindet sich das Programm allerdings in der Sommerpause und damit in der Planungszeit für den Winter. Im Oktober soll es mit den regelmäßigen Kino-Terminen dann wieder losgehen.

"Das Schambrowski kann für alle sein"

Geplant war das alles nicht: "Das hat relativ schnell so ein Eigenleben entwickelt. Deswegen hat es auch einen eigenen Namen gekriegt. Wäre es an einem anderen Ort gewesen, hätte es auch einfach nur die Geschäftsstelle des 'Rotzfrech Cinema' bleiben können. Aber durch dieses sehr lebendige und quirlige Viertel hat sich das sehr mit Leben gefüllt. Im Ungleich-Magazin hat jemand von der "Wundertüte Schambrowski" gesprochen. So empfinde ich das auch ein bisschen, weil viele Leute da Energie und Ideen reinstecken und da einfach Sachen passieren", erklärt Tom.

"Es gibt Leute, die hier kleine eigene Veranstaltungen machen. Es gibt Leute, die wollen was mit uns zusammen machen. Eigentlich ist alles möglich." Das Projekt "Filme für die reifere Jugend" sei ein gutes Beispiel dafür. Im April nächsten Jahres wird laut Tom aber auch etwa das Erfurter Theater zwei Klassik-Konzerte in den Räumen des Ladens organisieren. Ein Raum für alle will das "Schambrowski" sein: "Ich hab manchmal das Gefühl, es gibt nichts, was es hier nicht geben kann."

Graffiti-Fachbibliothek im Aufbau

So beinahe nebenbei entwickelte sich dann die "dritte Säule" des Ladens: "Es hat mich manchmal traurig gemacht, dass ich und andere aus meinem Umfeld so viele Bücher zum Thema Graffiti besitzen und die zu Hause eigentlich nur fürs Ego einstauben", erinnert sich Tom. Viel netter sei es gewesen, dieses gebündelte Wissen allen zur Verfügung zu stellen. Um die Bibliothek stetig zu erweitern, werden nun deutschlandweit Bücherspenden gesammelt.

"Das ist so ein eigenes Projekt für sich. Es waren auch schon Schulklassen da, die das mit ihrer Kunstlehrerin besucht haben", berichtet Tom erfreut. Förderanträge seien leider nicht bewilligt worden, weshalb die Zahl der Bücher langsamer wachse als erhofft. "Aber das ist in Ordnung für uns. Die Idee ist aber, das künftig noch ein bisschen professioneller aufzuziehen. Eventuell mit jemandem, der sich nur um diese Bibliothek kümmert."

Vereinsgründung auf den Weg gebracht

Diese "drei Säulen" des "Schambrowski" - der Filmverleih, das Kino und die Bibliothek - sollen in Zukunft in einem Trägerverein zusammengefasst werden. Die Prüfung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt ist laut Tom bereits abgeschlossen. Nun stehe nur noch die Vereinsgründung bevor, sodass der Laden bald aus dem Rotzfrech Cinema und dem "Schambrowski e.V" bestehen soll. Letzterer übernehme vor allem die kulturelle Arbeit. T

om schaut deshalb optimistisch in die Zukunft: "Ich habe das Gefühl, umso länger wir hier sind und umso mehr Leute uns wahrnehmen, passiert immer mehr, womit ich einfach nicht rechne."

MDR (cfr)

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