Ein Rind neben dem Weg.
Dieses zottelige Vieh ist in Erfurt Anlass für heftigen Streit. Bildrechte: Privat

Hochheim Zertretene Melonen und viel Ärger: Schottische Rinder auf Abwegen in Erfurt

11. August 2023, 14:47 Uhr

Am Rande von Erfurt erregen immer wieder ausgebrochene Hochlandrinder die Gemüter: Der Besitzer müsse seine Vierbeiner besser einzäunen, sagen die Kritiker. Das könne er gar nicht, widerspricht der Landwirt. Außerdem seien die Tiere total lieb.

Ihr zottlig-braunes Fell hängt ihnen als Pony tief in die Stirn. Das wirkt putzig. Doch die zwei langen, spitzen Hörner warnen. Die Botschaft: Ich kann auch anders.

Schottische Hochlandrinder gelten zwar als gutmütig - wenn sie aber auf einem Fuß- oder Radweg stehen, irritiert das. Mancher sucht dann lieber schnell das Weite. "Beim Umgang mit den Tieren ist Respekt vor den langen Hörnern geboten. Eine Führigkeit am Halfter muss trainiert und gepflegt werden, ebenso das Treiben in Pferche", so steht es bei Wikipedia.

Das Rind im Melonenfeld

In Erfurt-Hochheim stehen zwei Herden mit insgesamt 15 Hochlandrindern und das sorgt für Ärger, denn die Tiere büchsen regelmäßig aus. Sie stehen dann auch schon mal auf dem Kartoffelacker nebenan oder im Melonenfeld von Gärtner Carsten Gloria: "Die Rinder sind nicht ordentlich gesichert. Der Zaun ist mangelhaft. Deshalb brechen sie in unsere Kulturen ein, treten auf die Melonen", ärgert er sich.

Es habe viele Gespräche mit dem Nachbarn - dem Tierhalter - gegeben. Die seien aber ergebnislos verlaufen. "Jetzt werden wir die Behörden in Bewegung setzen und haben ihn schon mal zivilrechtlich in Verzug gesetzt", erklärt der Gärtner, dem es sichtlich anzumerken ist, dass er diesen Ärger lieber heute als morgen vom Tisch hätte.

Die Rinder sind nicht ordentlich gesichert. Der Zaun ist mangelhaft. Deshalb brechen sie in unsere Kulturen ein, treten auf die Melonen.

Carsten Gloria

Polizeieinsatz wegen Rindern

Die offenbar freiheitsliebenden Rinder haben auch schon für einen Polizei- und einen Feuerwehreinsatz gesorgt. Vor zwei Wochen rückte die Feuerwehr an, weil ein Tier erst auf dem Acker und dann auf dem Wanderweg stand.

Die Rechnung für den Einsatz bekommt der Halter. Lars Angler, Sprecher der Feuerwehr, geht von mehreren hundert Euro aus. "Das Tier war aber ganz lieb, hat sich mühelos zur Herde zurückbringen lassen."

Ein Rind neben dem Weg.
Ein Rindvieh auf Abwegen. Bildrechte: Privat

Kuhfladen an der Brunnenkresseklinge

"Und dennoch gehören auch relativ zahme Hochlandrinder nicht auf den Kartoffelacker oder gar in die Nähe der einzigen Brunnenkresseklinge, die es in Erfurt noch gibt", meint Brunnenkressegärtner Ralf Fischer.

Er hat die Rinder schon am Ufer seiner Klinge fotografiert und findet immer wieder Kuhfladen. Das, sagt er, verträgt sich nicht mit Brunnenkresse. Die braucht klares, sauberes Wasser. "Die Tiere gehören eingezäunt und zwar so, dass sie nicht aller zwei Tage ausbrechen können", sagt er.

Zwei Männer ernten Brunnenkresse
Ralf Fischer (li.) und "Azubi" Max Kaufhold ernten Brunnenkresse. Bildrechte: Antje Kirsten/MDR

"Im Dreienbrunnengebiet haben wir ein empfindliches Biotop und hier passen meiner Meinung nach keine Rinder hin." Im Amtsblatt vom 27. Oktober 2006 ist das Gebiet neben der Brunnenkresseklinge als Geschütztes Landschaftsgebiet ausgewiesen.

Ralf Fischer fügt noch an: "Wir hatten Leute da, als wir im Urlaub waren, die wollten Brunnenkresse ernten. Sie kamen aber an den Rindern nicht vorbei und sind wieder gegangen. Spaziergänger erschrecken sich, wenn die Tiere plötzlich aus dem Gebüsch kommen oder direkt vor einem stehen. Das ist nicht Jedermanns Sache."

Besitzer: Tiere büxen nun mal aus

Alles halb so schlimm, meint Matthias Frenzel. Seit vier Jahren hält er seine "Braunen". Zeigt man ihm das von einer Joggerin aufgenommene Foto mit einem seiner Rinder am Wegesrand, lacht Frenzel: "Ach, das ist doch der Eddie, den kann man streicheln". Die Joggerin hat das offenbar nicht gewusst.

Auf die Frage, ob er verstehen kann, dass Menschen Angst oder zumindest ein mulmiges Gefühl haben, wenn sie vor so einem Rindvieh stehen, meint er: "Es gibt auch Menschen, die Angst vor einer Katze haben, einem Hund oder vor Spinnen. Außerdem brechen hauptsächlich die Jungrinder, die Kälbchen aus. Die haben noch keine Erfahrung mit dem Elektrozaun und springen halt mal hin und her. Sie tun aber niemandem etwas, man kann sie alle streicheln."

Dass einmal auch ein Bulle auf der Straße stand und die Polizei anrückte, erklärt Matthias Frenzel damit, dass zwei Bullen auf einer Weide standen und aufeinander losgegangen waren. Einer war daraufhin ausgebrochen und hatte Autofahrern einen tüchtigen Schreck eingejagt.

Ein Hochlandrind steht auf einem Feldweg.
So ein Hochlandrind hat lange spitze Hörner ... (Symbolrind). Bildrechte: MDR/Mathias Schaefer

Lange Ausbruchsliste in diesem Jahr

"Im ländlichen Raum kann das schon mal passieren, dass auch mal ein Rind die Weide verlässt", sagt Frenzel und streicht einem seiner Rinder über die Stirn. Die Liste der Ausbrüche aber ist lang. Nur ein kleiner Auszug aus diesem Sommer: 14. Juni, 18. Juni, 20. Juni, 30. Juni, 22. Juli, 25. Juli.

Er habe sich die Tiere angeschafft, sagt der gelernte Tischler, weil heute alle Regional und Bio wollen. Das Fleisch der Tiere ist cholesterinarm. Landwirtschaft studiert hat er nicht. "Ich bin eingetragener Landwirt. Und die Tiere sind pflegeleicht, robust und brauchen auch keinen Tierarzt."

Ich bin eingetragener Landwirt. Und die Tiere sind pflegeleicht, robust und brauchen auch keinen Tierarzt.

Matthias Frenzel

Veterinäramt rügte Besitzer

Hier widerspricht das Veterinäramt und wirft dem Rinderhalter vor, gegen elementare Vorschriften der Tierseuchenschutzverordnung und des Tierschutzes zu verstoßen.

So teilt das Amt mit: "Von unserer Seite hat der Besitzer Anordnungen zur Durchführung verpflichtender Untersuchungen auf Freiheit von der Infektion mit dem BHV-I-Virus (Bovines Herpesvirus) der Bovinen Virusdiarrhoe, der enzootische Leukose und der Rinderbrucellose, sowie zur Beseitigung verschiedener tierschutzrechtlicher Mängel hinsichtlich Fütterung und Tränkung der Tiere erhalten. Auch Anordnungen zur Ausbruchsicherheit des Zauns wurden getroffen".

Matthias Frenzel hält seit vier Jahren schottische Hochlandrinder in Erfurt-Hochheim
Matthias Frenzel mit einem seiner Rinder. Bildrechte: MDR/Antje Kirsten

Bei einem Vor-Ort-Termin hatte die Untere Naturschutzbehörde dann nach eigenen Angaben festgestellt, dass zu viele Tiere auf der Weide stehen und damit das Geschützte Landschaftsgebiet und die Biotope geschädigt werden.

Trotz Festsetzung von Zwangsgeldern sei Tierbesitzer Frenzel bisher seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, heißt es. Deshalb werde nun ein Bußgeldverfahren vorbereitet. In der letzten Konsequenz kann es sein, dass dem Mann die Tiere entzogen und die Herde aufgelöst wird. 

Tierbesitzer hätte gerne gehandelt

Das würde all seine Pläne zunichtemachen. Neben der Weide hat Matthias Frenzel ein altes Haus gekauft, für das es lange einen Baustopp gab. In dem Haus will er einen Hofladen einrichten. "Bisher war mir unter Androhung von 500.000 Euro Bußgeld verboten, etwas zu bauen." Das bezieht er auch auf die vom Veterinäramt geforderten Unterstände für die Tiere, für Futterraufen und den Zaun. "Ich konnte nicht fest einzäunen, weil ich ja einen Baustopp hatte."

Auf seinem Grundstück kommen die zotteligen Rinder so nah heran, dass man sie streicheln kann. Jedes Tier hat einen Namen. Die Tiere tun niemanden etwas, versichert Frenzel und fügt an: "Die Weiden sind ordentlich gesichert. Es kommt aber vor, dass Leute den Zaun kaputtfahren oder aufschneiden. Die Schuld liegt bei anderen."

Die Weiden sind ordentlich gesichert. Es kommt aber vor, dass Leute den Zaun kaputtfahren oder aufschneiden. Die Schuld liegt bei anderen.

Matthias Frenzel

Anmerkung: Mittlerweile muss Matthias Frenzel mit einem Bußgeld rechnen: Wie Amtstierarzt Ulrich Kreis am Freitagnachmittag MDR THÜRINGEN sagte, werden Frenzel mehrere Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und die Tierseuchenverordnung vorgeworfen. Bei Vor-Ort-Besuchen seien zum Teil erhebliche Mängel festgestellt worden, heißt es. Das Veterinäramt hatte angeordnet, dass die Rinder auf mögliche Infektionen untersucht werden. Trotz Zwangsgeld sei der Halter der Forderung bis heute nicht nachgekommen. Laut Behörde hat Frenzel Mängel vor Ort bisher nicht beseitigt.

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 07. August 2023 | 07:42 Uhr

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