Eine junge Frau steht in einem Park und trägt ein cremfarbenen Kleid. Das Kleid ist reich verziert mit Stickereien. Sie hat die roten, zum Teil geflochtene Haare zu einer Frisur hochgesteckt.
Patricia - alias Ashley Cosplay - als Prinzessin "Anna" aus dem Disneyfilm "Frozen 2". (Beim Comicpark 2023) Bildrechte: privat

Faszination Cosplay Mit Disney-Kleid zum Comicpark 2024: So aufwendig sind Cosplay-Kostüme

22. Mai 2024, 14:36 Uhr

Wenn am 25. und 26. Mai Comic-Helden, Mangafiguren und Disney-Prinzessinnen in Scharen zur Ega pilgern, wissen die meisten Erfurter schon: Es ist wieder Comicpark. Seit 2017 hat sich die Convention vom Geheimtipp zum Höhepunkt der deutschen Cosplay-Szene gemausert. Von Anfang an mit dabei war Patricia alias Ashley Cosplay. Wir haben die Erfurterin in ihrem Nähzimmer besucht und mit ihr über die Faszination Cosplay gesprochen.

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Patricias Nähzimmer ist ein kleines Nerdvana: Signierte Musical-Plakate von "Starlight Express" verzieren die Wände und auf Regalbrettern tummeln sich Perückenköpfe neben Disneyfiguren und versteinerten Muschel-Fossilien. Auf ihrem Schreibtisch stehen zwei Nähmaschinen und liegen Entwürfe von Stickmustern. Darüber an der Pinnwand hängt eine To-Do-Liste inmitten von Erinnerungsfotos, Autogramm- und Postkarten. Strassstein-verzierte Schuhpaare glitzern aus einem Schrank, auf dem zwei Miniaturen der "Black Pearl" und der "Enterprise" thronen.

Eine junge Frau mit roten langen Haaren sitzt in einem Zimmer. Sie trägt ein weites Top und eine schwarze Strumpfhose. An den Wänden hängen Poster oder stehen Regale. 34 min
Bildrechte: MDR/Kehrer
34 min

Patricia aus Erfurt ist seit 12 Jahren begeisterte Cosplayerin. Im Interview erzählt sie, wie sie ihre aufwendigen Kostüme gestaltet und was für sie die Faszination Cosplay ausmacht.

MDR FERNSEHEN Sa 25.05.2024 19:00Uhr 34:20 min

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Auf all das fällt mein Blick aber erst, nachdem ich die verschiedenen, auf Mannequins drapierten Kostüme bewundert habe, die den Raum einnehmen. Sie leuchten und funkeln wie eine Broadway-Show. Eine Schaufensterpuppe trägt das grüne Nieten-Kostüm der Anne Boleyn aus dem Musical "Six". Mit Mikrofon und Sonnenbrille sieht sie aus wie eine Popdiva. Ein anderes Mannequin trägt Patricias aktuelles Projekt: Das Blumenkleid der Disney-Prinzessin "Anna" aus dem Kurzfilm "Frozen Fever". Das Kleid also, das sie am 25. Mai beim Comicpark tragen möchte.

"Nur noch" den Mount Everest besteigen

"Das hier habe ich von Hand gestickt", sagt Patricia und zeigt auf einen Schmetterling mit blumigen Verzierungen auf dem Oberteil des Kleides. Die makellose Stickerei in fünf Farben ist etwa so groß wie meine Handfläche. "Das hat bestimmt 15 bis 20 Stunden gedauert", sagt die 26-Jährige. Und ich frage staunend, wie lange sie für so ein Prinzessinnenkleid brauche. "Locker 500 Arbeitsstunden." Im Kopf überschlage ich: Selbst bei einem Mindeststundenlohn von nur zwölf Euro wären das beim Schneider minimum 6.000 Euro. Materialkosten noch gar nicht eingerechnet! 

Ein aufwendiges Frauenkostüm aus einer hellgelben Bluse mit Brosche, einem dunkelblauen Bodie mit Schmetterlings-Stickerei und einem bestickten grünen Jäckchen.
Das noch nicht ganz fertige Cosplay-Kleid von Anna aus "Frozen Fever". Bildrechte: MDR/Kehrer

Während ich den Mund wieder zuklappe, redet Patricia weiter. Die "Anna", wie sie das Kleid nennt, sei fast fertig. Eigentlich fehle "nur noch" der türkisgrüne Überrock, den sie in den vergangenen Tagen schon gefärbt habe. Der müsse aber auch noch bestickt werden: mit 17 Blumen, die alle noch ein bisschen größer sind als der Schmetterling. Die Worte "nur noch" klingen in meinen Ohren nach. Genauso gut hätte sie sagen können, sie wolle "nur noch" schnell den Mount Everest besteigen.

Ich gehe gern ins Theater und irgendwann, so mit 13 oder 14, dachte ich mir: Ich möchte sowas auch mal anziehen.

Patricia Cosplayerin

Die Weltmeisterschaft der Züge in Bochum

Patricias Cosplay-Leidenschaft hat vor etwa zwölf Jahren mit dem Musical "Starlight Express" begonnen. Die Geschichte von der Weltmeisterschaft der Züge, in der es die alte Dampflok "Rusty" mit einer Diesellokomotive und einer E-Lok aufnimmt, ist ein Musical-Evergreen. Seit 1988 wird es in Bochum gezeigt. Auf Rollschuhen rasen die Darsteller und Darstellerinnen in aufwendigen Kostümen über die Bühne. Jeder und jede von ihnen verkörpern Zugwagen - vom 1.Klasse-Wagen "Pearl" bis zu "Carrie" dem Gepäckwagen.

"Ich gehe gern ins Theater und irgendwann, so mit 13 oder 14, dachte ich mir: Ich möchte sowas auch mal anziehen", erinnert sich Patricia. Lange Zeit war ihr Traumberuf deshalb Musical-Darstellerin. "Ich bin aber nicht begabt, was das Singen angeht. Und tanzen ist auch nicht meine Stärke. Damit hatte sich das erledigt." Nichtsdestotrotz blieb ihre Begeisterung für Musicals und insbesondere für "Starlight Express" bestehen. Sie verlegte sich vom Tanzen und Singen, aufs Schneidern und Designen.

Eine junge Frau in einem zweiteiligen grün-glitzerndem Kostüm. Sie hält ein Mikrofon in der rechten Hand und stellt die linke Hand in die Hüfte. Sie wirkt euphorisch.
Patricia im Cosplay-Kostüm als Anne Boleyn aus dem Musical "Six". Bildrechte: privat

Um Ihre Kostüme so detailgetreu wie möglich herzustellen, schaute sie sich die Originale immer und immer wieder in Bochum an. "Ich glaube, ich habe das 'Starlight Express' mindestens 50-mal gesehen", schätzt sie. In ihrer Hochzeit besuchte sie das Stück trotz der Distanz zwischen Erfurt und Bochum ein bis zwei Mal pro Monat. Zu sehen ist Patricia deshalb auch in einer WDR-Dokumentation über "Starlight Express" von 2018.

Heute ist Patricia seltener in Bochum, was auch damit zusammenhängt, dass ihre Lieblingsfigur "Ashley" aus dem Musical gestrichen wurde. Ashley stellte bis 2018 den Raucherwagon dar, der laut des weltberühmten Komponisten Andrew Lloyd Webber im 21. Jahrhundert aber nicht mehr zeitgemäß war. "Ashley" war Patricias allererstes Cosplay. Die Rolle gab auch ihrem Instagram-Kanal seinen Namen. Inzwischen stellt sie aber nicht nur Musical-, sondern auch Disney-Figuren und ab und zu Marvel-Helden dar.

Eine junge Frau in einem orange-braunem Kostüm. Sie trägt einen braune Knieschoner, Handschuhe, Rollschuhe und einen braunen Rock. Ihre Strumpfhose ist Orange. Sie ist stark geschmickt und hat die Haare hochgesteckt. In der Hand hält sie eine Zigarette.
Ihr allererstes Cosplay machte Patricia zu "Ashley" aus "Starlight Express". Bildrechte: privat

Jede Convention hat ihre Crunch-Time

Zurück in ihrem Nähzimmer sagt Patricia dann, dass sie die Blumen auf dem Rock aber von der Stickmaschine machen lasse. Ich bin erleichtert. Damit schrumpft der Mount Everest zum Schneekopf zusammen - immer noch hoch, aber machbar. Bis zum Comicpark sind es nur noch neun Tage und Patricia muss zwei Kostüme fertigstellen. Neben der Disney-Prinzessin "Anna", die sie am Samstag beim Comicpark tragen wird, muss sie nämlich auch ihr "Tinkerbell"-Kostüm für den Sonntag noch beenden. "Con Crunch" heißt diese stressige Zeit kurz vor einer Convention in der Cosplay-Szene.

Eine junge Frau im Kostüm von "Tinkerbell" aus dem Disneyfilm "Peter Pan". Sie trägt eine blonde Perücke, Feenflügel und ein grünes Kleid.
Zu Patricias Line-Up für den Comicpark gehört auch das "Tinkerbell"-Kostüm, das sie am Sonntag tragen möchte. Bildrechte: MDR/Kehrer

Patricia zeigt mir ihre Stickmaschine. Für sie hat sie einst ihre Ersparnisse für den Führerschein geplündert. Rund 3.000 Euro kostete das Gerät, das wie ein Hybrid aus traditioneller Nähmaschine und 3D-Drucker aussieht. Über einen USB-Stick lädt Patricia ein Sonnenblumen-Motive hoch, die sie handgezeichnet und später digitalisiert hat. Das Display zeigt, dass für die Blume 27.186 Stiche und sechs verschiedene Garnfarben benötigt werden. Patricia legt das Garn ein und startet die Maschine. Eine Blume dauert so "nur noch" 74 Minuten.

Cosplay ist kein Karneval

Trotz der maschinellen Unterstützung bin ich beeindruckt, wie viel Zeit, Geld und Leidenschaft Patricia in ihr Kostüm investiert. Das unterscheidet Cosplayer auch von Faschingsfreunden: "Karneval ist auf Masse ausgerichtet. Da bekommst du das Superhelden-Kostüm für 20 Euro im Kaufland hinterhergeschmissen", sagt Patricia. "Das hier", sie zeigt auf ihr "Anna"-Kostüm, "würde niemand zum Karneval anziehen." Für sie ist Cosplay ein Kunsthandwerk, das sich aus Schneiderei, Design, Maskenbildnerei und auch Schauspiel zusammensetzt.

Ein Schreibtisch auf dem verschiedene Dinge liegen. Zu sehen sind zwei Nähmaschinen, eine Schere, Klebeband und ein grüner Stoff.
Der grüne Rock zur "Anna" auf dem Schreibtisch. Es fehlen noch die aufwendigen Blumen-Stickereien. Bildrechte: MDR/Kehrer

Darüber hinaus gibt es Details, die man den Kostümen als Laie überhaupt nicht ansieht. So betreiben viele Cosplayer zum Beispiel eine aufwendige Recherche, bevor sie überhaupt anfangen, ein Kostüm herzustellen. "Man schaut sich das Kostüm immer und immer wieder im Film, Musical oder Videospiel an, sucht Fotos des Kostüms aus diversen Perspektiven und in verschiedene Lichtsituationen", erzählt Patricia. Den Film "Frozen Fever" habe sie praktisch studiert. Immer wieder habe sie sich angeschaut, wie sich Annas Blumenkleid bewegt, wann der Rock fällt, wann er fliegt und wie er sich an ihre Beine schmiegt. "Davon hängt dann zum Beispiel ab, welche Materialien ich verwende", sagt Patricia.

Karneval ist auf Masse ausgerichtet. Da bekommst du das Superhelden-Kostüm für 20 Euro im Kaufland hinterhergeschmissen.

Patricia Cosplayerin

Comicpark 2024 trägt Cosplay-Meisterschaft aus

Wie viel Aufwand Cosplayer betreiben, um ihren Figuren möglichst nahe zu kommen, weiß auch Jan Ettingshausen, der seit 2017 den Comicpark auf dem Ega-Gelände veranstaltet. Fast die Hälfte der Gäste (im letzten Jahr waren es rund 17.000) kämen im Cosplay, schätzt er. "Die sitzen teilweise Wochen und Monate an ihren Kostümen und Requisiten und verlinken uns im Social Media immer, wenn sie ihr Line-Up vorstellen", erzählt Ettingshausen.

Das "Line-Up" beschreibt, welche Kostüme die Cosplayer an welchem Tag einer Convention tragen werden. Zwei Tage Comicpark bedeuten dann also in der Regel auch zwei verschiedene Kostüme - so wie bei Patricia mit "Anna" und "Tinkerbell". Diese Vielfalt an Cosplays mache auch den besonderen Reiz des Comicparks aus, ist Ettingshausen überzeugt. 

Ein Man mit Bart, schwarzem T-Shirt und schwarzem Baseballcap sitzt an einem Tisch vor einem Ladenfenster. In der Hand hält er eine Kaffeetasse. 10 min
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10 min

Jan Ettingshausen veranstaltet seit 2017 den Comicpark in Erfurt. Im Interivew erzählt er, was die Besucher von der Convention im Egapark diese Jahr erwarten können.

MDR FERNSEHEN Sa 25.05.2024 19:00Uhr 10:26 min

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Zu sehen sind die besten Kostüme jedes Jahr beim obligatorischen Cosplay-Wettbewerb. "Da gibt es dieses Jahr aber auch eine Neuerung", verrät Ettingshausen. "Es gibt seit diesem Jahr eine Cosplay-Performance-Meisterschaft in Deutschland. Der Vorentscheid für Thüringen findet am Sonntag auf dem Comicpark statt und der oder die Gewinnerin tritt dann bei der Leipziger Buchmesse im Finale an."

Cosplay als Berufswunsch?

An dem Vorentscheid zur neuen Cosplay-Performance-Meisterschaft wird auch Patricia teilnehmen. Nicht als Bewerberin, sondern als Jurorin. Für sie ist es das erste Mal, dass sie für eine Convention ein Honorar erhält. Vom Cosplay leben können aber nur die wenigsten. "Die werden dann von Conventions oder bei Events von Computerspielfirmen gebucht", erzählt Patricia.

Zwei Kostüme aus dem Musical "Six" auf Schaufensterpuppen. Das vordere Kostüm ist schwarz hat Flügelärmel und ist mit glitzernden rosa Strasssteinen besetzt. Das hintere Kostüm ist golden und schwarz.
Mehrere Kostüme stehen im Nähzimmer von Patricia. Manche sind noch im Entstehen, andere sind fertig. Bildrechte: MDR/Kehrer

Für sie sei Cosplay bisher vor allem ein teures Hobby. Ihre aufwendigen Kostüme spart sie sich von ihrer Arbeit im Reisebüro ab, mit der sie zugleich ihr Fernstudium im Tourismusmanagement finanzieren muss. Wenn sie mit ihrem Hobby künftig etwas Geld verdienen könnte, wäre sie wohl nicht abgeneigt. "Ich bin auf jeden Fall schon ganz aufgeregt, weil es das erste Mal für mich als Gast und nicht als Privatperson auf einer Convention ist. Und natürlich hofft man da schon ein bisschen, dass es so bleibt."

Plötzlich eine echte Prinzessin  

Am Ende sind es aber die vielen schönen Momente, die all den Aufwand für Patricia rechtfertigen. "Da kommen dann Leute bei einer Convention auf dich zu, und bitten dich um ein Foto, weil du genauso aussiehst, wie die Figur aus ihrem Lieblingsfilm", erzählt sie. 

Eine junge Frau steht an einen Baum gelehnt im winterlichen Wald. Sie trägt ein grünes, mit blumen verziertes Kleid, schwarze Stiefel und eine schwarze Jacke. Ihre roten Haare hat sie zu einer Frisur hochgesteckt. Sie trägt eine dezente Krone.
Patricia in einem anderen "Anna"-Kostüm aus "Frozen". (Winter 2022) Bildrechte: privat

Am schönsten sei es aber, wenn Kinder auf sie zukämen. "Auf dem Ega-Gelände gibt es ja den großen Spielplatz und wenn ich da als Disneyprinzessin aufkreuze, dann kommen die angelaufen und rufen: 'Wow', da ist Anna! Dann bin ich für das kleine fünfjährige Mädchen die echte Anna aus 'Frozen'. Dann erzähl' ich ihr, dass ich gerade aus dem Königreich 'Arendelle' gekommen wäre und verspreche ihr, meiner Schwester Elsa liebe Grüße von ihr zu bestellen."

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MDR (ask)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 25. Mai 2024 | 19:00 Uhr

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