Eine politische Karriere Abschied nach zwei Jahrzehnten: Mike Mohring gibt Spitzenämter auf

02. März 2020, 05:00 Uhr

Fast zwölf Jahre lang stand er an der Spitze der CDU-Landtagsfraktion, war fünf Jahre auch Vorsitzender der Thüringer Christdemokraten und wollte seine Karriere als Regierungschef fortsetzen. Doch stattdessen erlebte Mike Mohring ein Wahldesaster. Am Montag gibt er seine Ämter als Chef der Thüringer CDU und der Landtagsfraktion auf. Ein Rückblick auf den politischen Weg des Mannes aus Apolda.

Thüringer Landespolitik ohne Mike Mohring? Man kann es sich kaum vorstellen. 20 Jahre lang ist eigentlich nichts in der Thüringer Politik passiert, ohne dass der Mann aus Apolda dabei war, dagegen war, oder sonstwie involviert.

Fast zwölf Jahre lang stand er an der Spitze der CDU-Landtagsfraktion, war die letzten fünf Jahre auch Vorsitzender der Thüringer Christdemokraten und wollte seine Karriere eigentlich als Regierungschef des Freistaats fortsetzen - was aber bekanntlich nicht geklappt hat. Stattdessen erlebte er mit seiner CDU bei der Wahl ein Desaster.

Mike Mohrings Weg nach oben

Dabei sah es lange so aus, als würde der politische Lebensweg des Mike Mohring aus Apolda im Weimarer Land nur eine Richtung kennen: nach oben. Als Oberschüler beim Neuen Forum, mit 21 Jahren Wechsel zur CDU. Führungsämter in der Jungen Union, das erste Landtagsmandat 1999 - da war Mohring erst 27 und dem zu der Zeit übermächtigen CDU-Landesvater Bernhard Vogel schon aufgefallen.

Dabei war Mohring nie ein braver Parteisoldat – aber er konnte besser reden als viele andere Christdemokraten und Mehrheiten organisieren, gerne auch für sich selbst. In der Altherren-Sprache von Bernhard Vogel hieß es über ihn: Der Mike trägt den Marschallstab schon im Tornister.

Mike Mohring am Rednerpult im Landtag
Mike Mohring führte die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag fast zwölf Jahre lang an, darunter auch in Opposition zu Ministerpräsident Bodo Ramelow. Bildrechte: MDR/Karina Heßland

Als CDU-Generalsekretär zwischen nassforsch und naseweis

Die Macht in der Thüringer Staatskanzlei war unterdessen von Vogel an Dieter Althaus übergegangen. Der neue Chef baute Mohring zielstrebig weiter auf - machte ihn 2004 erst zum CDU-Generalsekretär, später, nach einer Kabinettsumbildung 2008, zum Fraktionsvorsitzenden. Damit markierte Althaus den jungen Mann aus dem Weimarer Land unmissverständlich als Nachfolger.

Aber schon in der Zeit als CDU-"General" zeigten sich Verwerfungen zwischen der behäbigen Partei-Basis und dem quirligen, stets ein bisschen zu modisch gekleideten Generalsekretär. "Wenn dem langweilig wird, fummelt er an seinem Handy rum", maulten eifersüchtige Parteifreunde. Um gleich hinterher zu schieben: Der langweilt sich schnell.

Nach Althaus' Skiunfall griff Lieberknecht zu

Aber dann kam der Neujahrstag 2009 und der verhängnisvolle Skiunfall von Ministerpräsident Althaus. Die Nummer eins der Thüringer Christdemokratie erholte sich nicht richtig und verlor ein Dreivierteljahr später bei der Landtagswahl entscheidende Prozentpunkte. Statt weiter zu regieren und das Amt des Regierungschefs etwa in der Mitte der Wahlperiode an den Wunschnachfolger zu übergeben, stellte sich die Machtfrage sofort und damit für Mohring einige Jahre zu früh.

Statt ihm griff Christine Lieberknecht zu, bildete eine Koalition mit der SPD und machte Mohring wieder zum Chef der CDU-Landtagsfraktion. Lieberknecht war im Machtgefüge der Thüringer CDU zwar nur die Nummer drei. Aber sie war älter und erfahrener als Mohring und zudem besser mit der SPD vernetzt.

Die Machtaufteilung zwischen Ministerpräsidentin und Fraktionschef

Als Lieberknecht einst CDU-Fraktionschefin unter Althaus war, hatte sie ihr Amt so umschrieben: Ich bin Fraktionsvorsitzende, damit mein Ministerpräsident eine Mehrheit hat. Für den CDU-Landtagsfraktionschef Mohring galt das so nicht. Vieles, was Lieberknecht am Dienstag mit der SPD im Landeskabinett beschloss, überstand die CDU-Fraktionssitzung am Folgetag nicht. Das nervte nicht nur die Regierungschefin. Auch beim Koalitionspartner, den Sozialdemokraten, machte mehr und mehr das Wort vom "Trickser" Mohring die Runde - da will sich jemand auf Deubel komm raus als Opposition in der Koalition profilieren, hieß es angesäuert.

Wahlkampf eher als Einpersonenstück gestaltet

Nach der Wahl 2014 flüchteten sich die genervten Sozialdemokraten endgültig in die Arme der Linken. Jetzt griff Mohring nach der Macht in der CDU und bugsierte Lieberknecht ins politische Abklingbecken. Mit Lieberknechts jungen Gefolgsleuten, etwa dem nunmehr geschassten Generalsekretär Mario Voigt, dem Chef der Jungen Union, Stefan Gruhner, oder den von Lieberknecht mit letzter Kraft zum Landtagspräsidenten gemachten Christian Carius schloss der neue starke Mann eine Art Burgfrieden. Der funktionierte zwar leidlich, aber eher als Friedhofsruhe - eine echte Versöhnung zwischen den Kontrahenten fand nicht statt.

Auch die Anfang 2019 attestierte und unter viel Anteilnahme niedergekämpfte Krebserkrankung Mohrings änderte daran nichts grundlegend. Den nächsten Landtagswahlkampf gestaltete die Nummer eins der Thüringer Christdemokratie wieder mehr oder weniger als Einpersonenstück. Andere Wahlkämpfer vor ihm hatten ein Schattenkabinett oder ein Wahlkampfteam - Mike Mohring hatte nur sich selbst nebst einem extra eingeflogenen Berater aus Berlin, der ihm eine letztendlich untaugliche Wahlkampf-Strategie empfahl.

Wahlschlappe 2019: Verhandlungen statt Rückzug

Die Wahlschlappe am 27. Oktober 2019 fiel bitter aus. Statt wie früher stärkste Kraft im Freistaat zu werden, musste Mohring mit Linken und AfD ausgerechnet die Parteien vorbeiziehen lassen, die er im Wahlkampf am heftigsten bekämpft hatte.

Solidaritätsadressen nach der Niederlage? Fehlanzeige. Stattdessen lauerte sein Umfeld in Partei und Fraktion auf die Ankündigung, die Verantwortung für die Niederlage zu tragen und sich aus seinen Führungsämtern zurückzuziehen. Aber: Statt zu gehen, flüchtete Mohring in mehrere - teilweise auch ungewöhnlich angelegte - Verhandlungsversuche mit den siegreichen Linken.

Weg in den Bundestag nun denkbar

Die Kraft, seine Partei angesichts des komplizierten Thüringer Wahlergebnisses auf neue Wege zu führen, hatte Mike Mohring zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. Nun will er seine Spitzenämter niederlegen. Wie es bei ihm weitergeht? Er ist ja erst 48 Jahre alt. Wird er als einfacher Abgeordneter seinen Dienst im Landtag versehen? Seine CDU-Kollegen können sich das kaum vorstellen.

Möglich scheint stattdessen, dass es den Mann aus Apolda nach Berlin zieht, in den Bundestag - etwa als Nachfolger des für das Weimarer Land zuständigen Abgeordneten Johannes Selle, wenn der zur nächsten Bundestagswahl aus Altersgründen retiriert.

Aber wie sagte doch ein gewisser Friedrich Merz, der beim letzten großen Auftritt Mohrings, beim Politischen Aschermittwoch in Apolda, die Festrede hielt? "Wir verabschieden Mike Mohring AUF ZEIT". Die Menge im Festzelt applaudierte übrigens begeistert.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 02. März 2020 | 19:00 Uhr

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