Landespolitik Bei erster Sitzung des neuen Landtags droht ein Rechtsstreit
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23. September 2024, 21:48 Uhr
Der neue Thüringer Landtag wird am Donnerstag zu seiner ersten Sitzung zusammentreten. Und für die deutet sich gleich ein Rechtsstreit an. Hintergrund ist, dass CDU und BSW sofort zu Beginn einen Antrag einbringen wollen, mit dem die Regeln für die Wahl des Landtagspräsidenten geändert werden sollen. Die AfD hat aber klar gemacht, dass sie den Antrag für rechtlich unzulässig hält. Und dass sie auf die Einhaltung der aktuellen Geschäftsordnung pochen wird.
Für die erste Sitzung des neuen Landtags am Donnerstag deutet sich ein Rechtsstreit an. Dabei geht es um die Frage, wer in der konstituierenden Sitzung des Parlaments Kandidaten für die Wahl des Landtagspräsidenten oder der Landtagspräsidentin vorschlagen darf.
Laut aktueller Geschäftsordnung darf das zuerst die stärkste Fraktion, also die AfD. Die anderen Fraktionen - CDU, BSW, Linke und SPD - haben aber bereits mehrfach erklärt, dass sie keinen AfD-Abgeordneten auf diesem Posten haben wollen.
Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung
Der Antrag von CDU und BSW sieht daher vor, gleich zu Beginn der Sitzung mit der Mehrheit der Abgeordnetenstimmen die Geschäftsordnung zu ändern - und zwar in der Form, dass alle Fraktionen Kandidaten vorschlagen dürfen. Diese Änderung soll noch stattfinden, bevor der Landtag den Präsidenten wählt.
Laut Torben Braga, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion, lässt das aber die Geschäftsordnung nicht zu. Diese gelte in der neuen Legislatur fort und schreibe klar vor, was in der ersten Sitzung geschehen müsse: "Der Alterspräsident stellt die Beschlussfähigkeit fest und führt die Wahl des Landtagspräsidenten durch. Und zwar in dieser Reihenfolge. Es gibt keine Klausel, dass eine Diskussion über die Geschäftsordnung oder Verfahrensfragen über die Wahl des Präsidenten dem vorgelagert werden könnten."
Die Punkte der Tagesordnung
Inzwischen hat die noch amtierende Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) die Einladung für die Landtagssitzung am Donnerstag verschickt. In der Tagesordnung für die Sitzung ist auch vorgesehen, den Antrag von CDU und BSW noch vor der Wahl des Landtagspräsidenten zu beraten. Aus Sicht von Braga ist die Einladung "ausgesprochen problematisch, um nicht zu sagen, rechtlich unzulässig."
AfD: Wollen auf Einhaltung der Gesetze achten
Nach Angaben von Braga wird die AfD in der Landtagssitzung auf die Einhaltung der Gesetze und Vorschriften achten. Die AfD sei zurzeit noch dabei, abschließend die Angelegenheit und ihr Vorgehen am Donnerstag zu prüfen. Klar ist: Eröffnet wird die Sitzung vom Alterspräsidenten. Und den stellt die AfD-Fraktion in Person des 73-jährigen Jürgen Treutler.
"Die Rechtsauffassung, die meine Fraktion vertritt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch vom Alterspräsidenten vertreten", sagt Braga. "Der Alterspräsident ist bis zur Wahl eines Präsidenten für die Auslegung der Geschäftsordnung in dieser Angelegenheit zuständig. Wenn es Vorbehalte gegen seine Rechtsauffassung gibt, dann ist es nicht seitens meiner Fraktion so, dass wir eine verfahrensrechtliche Überprüfung beantragen müssten."
Verfassungsgericht will bei Rechtsstreitigkeiten schnell entscheiden
Soll heißen: Nach den Worten von Braga wäre es Aufgabe der anderen Fraktionen, die rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um ihre Position durchzusetzen. Gegebenenfalls vor dem Thüringer Verfassungsgericht. Dafür müsste Donnerstag eine Unterbrechung der Sitzung beantragt werden.
Das Verfassungsgericht hatte bereits angekündigt, bei Rechtsstreitigkeiten schnell zu entscheiden. Erwartet werden laut einem Gerichtssprecher vor allem Eilverfahren, bei denen die Verfassungsrichter in Weimar ohne Anhörungen entscheiden können. Je nachdem, wann die Klage eingeht, kann so ein Verfahren noch am selben Tag oder am Folgetag entschieden werden.
Staatsrechtler: Landtag kann Geschäftsordnung ändern
Die Position der AfD ist allerdings rechtlich nicht eindeutig geklärt. Der Staatsrechtler Philipp Austermann etwa von der Hochschule des Bundes in Brühl geht davon aus, dass der Thüringer Landtag sofort mit seinem Zusammentreten beschlussfähig ist - und mit Mehrheit die Geschäftsordnung ändern kann: "Die Konstituierung des Landtags hat in dem Moment stattgefunden, in dem der Alterspräsident die Sitzung eröffnet hat. Es gibt keine Reihenfolge, auch nicht in der Verfassung, wonach zuerst der Landtagspräsident gewählt werden muss. Der Landtag kann daher auch vorher die Geschäftsordnung ändern, weil es der verfassungsrechtlich garantierten Geschäftsordnung-Autonomie des Landtags entspricht, seine Geschäftsordnung jederzeit selbst ändern zu können."
Allerdings steht weder in der Verfassung noch in der Geschäftsordnung explizit, dass der Landtag bereits mit seinem Zusammentreten arbeits- und beschlussfähig ist. Nach Angaben von Austermann, der auch schon als Lehrbeauftragter für Parlamentsrecht an der Humboldt-Universität in Berlin und als Referent in der Verwaltung des Deutschen Bundestages arbeitete, ergibt sich diese Beschlussfähigkeit aber aus seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung.
"Landtag ist mächtiges und wichtiges Staatsorgan"
Das Parlament sei das Staatsorgan, das als einziges vom Volk gewählt werde. Und von dem die demokratische Legitimation auch auf die weiteren Staatsorgane abgeleitet werde. "Da muss man davon ausgehen, dass dieses sehr mächtige und wichtige Staatsorgan jederzeit handlungsfähig sein muss. Warum soll ein Landtagspräsident erst gewählt werden, bevor die Geschäftsordnung geändert werden kann? Insbesondere, wenn ich damit rechnen muss, dass es zu einer längeren Hängepartie kommt und über längere Frist niemand gewählt wird? Das kann niemand sehenden Auges wollen, und auch die Verfassung will das nicht. Die Verfassung möchte in Thüringen und auf Bundesebene immer ein arbeits- und handlungsfähiges Parlament. Und sie möchte auch ermöglichen, dass eine handlungsfähige Regierung gewählt werden kann."
MDR (mm)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 23. September 2024 | 19:00 Uhr