Mario Voigt (CDU, M), Vorsitzender der CDU in Thüringen und Spitzenkandidat, steht in einem Fernsehstudio bei der Runde der Spitzenkandidaten neben Björn Höcke (AfD), Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen und Spitzenkandidat, und Katja Wolf, Spitzenkandidatin des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Thüringen.
Wer spricht mit wem? (von links: Björn Höcke (AfD), Mario Voigt (CDU), Katja Wolf (BSW)) Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Landtagswahl 2024 Wie Thüringen zu einer neuen Regierung kommt - Fragen und Antworten

16. September 2024, 17:58 Uhr

Nach der Thüringer Landtagswahl am 1. September sitzen fünf Parteien im neuen Parlament: AfD, CDU, BSW, Linke und SPD. Wer nach der Wahl mit wem spricht und weitere Antworten auf Fragen lesen Sie hier.

Wie ist die Ausgangslage?

Im Thüringer Parlament werden zukünftig fünf Parteien vertreten sein: AfD, CDU, BSW, Linke und SPD. Die 88 Sitze im Thüringer Landtag verteilen sich wie folgt auf die Parteien:

  • AfD: 32,8 Prozent | 32 Sitze
  • CDU: 23,6 Prozent | 23 Sitze
  • BSW: 15,8 Prozent | 15 Sitze
  • Die Linke: 13,1 Prozent | 12 Sitze
  • SPD: 6,1 Prozent | 6 Sitze

Wie geht es im Landtag weiter?

Wenn die gewählten Kandidatinnen und Kandidaten ihr Landtagsmandat angenommen haben, bilden die Abgeordneten, die derselben Partei angehören, gleichnamige Fraktionen im Landtag. Spätestens 30 Tage nach der Wahl, also am 1. Oktober 2024, muss der neu gewählte Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. So regelt es die Thüringer Verfassung. Am 16. September wurde die konstituierende Sitzung auf den 26. September, 12 Uhr, festgelegt.

Mit der konstituierenden Sitzung endet die 7. Wahlperiode des Thüringer Landtags. Bis dahin üben die gewählten Abgeordneten des 7. Thüringer Landtags ihr Mandat weiter aus und können beispielsweise noch an Ausschusssitzungen teilnehmen.

Was passiert in der konstituierenden Sitzung?

Die neuen Abgeordneten kommen zum ersten Mal als Fraktionen im Plenarsaal zusammen. Die konstituierende Sitzung wird bis zur Wahl einer neuen Landtagspräsidentin oder eines -präsidenten vom Alterspräsidenten geleitet.

Erst danach können die neu gewählten Mitglieder des Landtags ihre Rechte und Pflichten als Abgeordnete wahrnehmen. In der konstituierenden Sitzung werden außerdem gemäß der Geschäftsordnung die Schriftführerinnen und Schriftführer gewählt und der Petitionsausschuss gebildet.

Jürgen Treutler AfD
Jürgen Treutler (AfD) wird voraussichtlich Alterspräsident im neuen Landtags. Bildrechte: AfD Thüringen

Der Alterspräsident ist der älteste Abgeordnete des neu gewählten Landtags. Mit 73 Jahren wird dies voraussichtlich Jürgen Treutler (AfD) sein. Damit ist er dafür verantwortlich, die Wahl der Landtagspräsidentin oder des Landtagspräsidenten zu leiten.

Wie wird eine Landtagspräsidentin oder ein Landtagspräsident gewählt?

Laut Geschäftsordnung des Thüringer Landtags darf die stärkste Fraktion zuerst eine Kandidatin oder einen Kandidaten für das Amt des Landtagspräsidenten oder der Landtagspräsidentin vorschlagen. Dies ist jetzt die AfD. Die Abstimmung erfolgt geheim und ohne vorherige Aussprache im Parlament.

Gewählt ist, wer die einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, also mehr Ja- als Nein-Stimmen, auf sich vereint. Ergibt sich keine solche Mehrheit, wird die Wahl wiederholt. Ergibt auch der zweite Wahlgang keine Mehrheit, kann die stärkste Fraktion den zuerst vorgeschlagenen Kandidaten oder eine neue Kandidatin vorschlagen. Ab diesem Wahlgang ist es denkbar, dass auch die übrigen Fraktionen eigene Wahlvorschläge einbringen.

Dieser Fall wird vermutlich eintreten, weil es als unwahrscheinlich gilt, dass ein AfD-Vertreter die erforderliche Mehrheit bekommt. Sowohl CDU-Chef Mario Voigt als auch BSW-Chefin Katja Wolf, SPD-Chef Georg Maier sowie Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft (Linke) haben angekündigt, dass ihre Fraktionen keinen AfD-Politiker zum Landtagspräsidenten wählen werden.

Abgeordnete sitzen im Plenarsaal des Landtages beim Sonderplenum mit Beschluss des Landeshaushalts für 2023.
Zur ersten Sitzung des neuen Landtags steht die Wahl einer Landtagspräsidentin oder eines Landtagspräsidenten auf der Tagesordnung. Bildrechte: picture alliance/dpa | Bodo Schackow

Stehen im dritten Wahlgang mehrere Bewerberinnen oder Bewerber zur Wahl, gewinnt die oder der Kandidat, die oder der mehr Stimmen als alle anderen Bewerberinnen oder Bewerber auf sich vereint.

Wenn dieses Ergebnis nicht eintritt, wird eine Stichwahl zwischen den zwei Bewerberinnen oder Bewerbern mit den meisten Stimmen durchgeführt. Gewinner ist dann der oder die Kandidatin mit den meisten Stimmen. Der neue Landtag kann nun seine Arbeit aufnehmen.

Da Landesverfassung und Landtags-Geschäftsordnung das genaue Verfahren beim Scheitern eines Kandidaten nicht im Detail regeln, gibt es Befürchtungen, die AfD könnte gegen das Vorgehen klagen und damit den Landtagsbetrieb für Wochen lahmlegen.

Zudem wäre es theoretisch möglich, dass Treutler als Alterspräsident keine Vorschläge für die Wahl einer Landtagspräsidentin oder eines Landtagspräsidenten der anderen Parteien zulassen könnte. Dann könnte es zu einer Klage der anderen Fraktionen vorm Verfassungsgericht kommen.

Wie wird eine neue Regierung gebildet?

Zuerst wird eine Ministerpräsidentin oder ein Ministerpräsident gewählt. Er oder sie ernennt anschließend die Ministerinnen und Minister der neuen Regierung.

Bei der Ministerpräsidentenwahl muss ein Bewerber im ersten oder im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen, um gewählt zu sein. Im dritten Wahlgang aber ist gewählt, wer die meisten Stimmen auf sich vereinen kann.

Weil die AfD stärkste Kraft im Parlament sein wird, müssten also immer mehrere Fraktionen kooperieren, wenn sie verhindern wollen, dass zum Beispiel Björn Höcke Ministerpräsident wird, sollte er kandidieren.

Wie ist der Zeitplan für die Wahl eines Ministerpräsidenten oder einer Ministerpräsidentin?

Es gibt keinen vorgeschriebenen Zeitraum, in dem die Wahl eines Ministerpräsidenten oder einer Ministerpräsidentin erfolgen muss. Nach der Wahl 2019 vergingen bis zum ersten Wahlgang vier Monate. In der Regel verständigen sich die Parteien, die eine Regierung bilden wollen, zunächst auf einen Personalvorschlag. Die an der Regierung beteiligten Fraktionen können diesen im Landtag zur Wahl einbringen.

Laut Geschäftsordnung wäre es möglich, den Landtag mindestens 48 Stunden nach der Einbringung des Wahlvorschlags zu einer Sitzung zusammentreten zu lassen.

Welche Parteien wollen eine Regierung bilden?

Thüringens CDU-Chef Mario Voigt sieht den Regierungsauftrag bei seiner Partei. Eine wahrscheinliche Variante für die Regierungsbildung ist eine Koalition aus CDU, BSW und SPD, also eine sogenannte Brombeer-Koalition unter Führung der CDU und Voigt als Ministerpräsident.

Doch die drei Parteien kommen im neuen Parlament nur auf 44 Sitze - ihnen würde also eine Stimme zur Mehrheit fehlen. Damit sind sie auf mindestens eine Stimme aus der Opposition angewiesen, das wären in diesem Fall AfD und Linke. Wenn Mehrheiten ohne Einbindung der AfD gebildet werden sollen, wäre die Brombeer-Koalition auf eine Tolerierung durch die Linke angewiesen.

Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft (Die Linke) bei der LPK
Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft (Die Linke) bringen eine rot-rot-rote Minderheitsregierung ins Spiel. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Linke-Vorsitzende Ulrike Grosse-Röthig zeigte eine Alternative auf: "Rot-Rot-Rot hat in Thüringen auch 36 Prozent", sagte sie. Wenn die CDU nicht koalieren, sondern toleriert werden wolle, dann könne sie am Ende auch Rot-Rot-Rot tolerieren.

Ähnlich äußerte sich Ramelow beim "Spiegel": "Wenn wir schon bei absurden Sachen sind: SPD, Linke und BSW zusammen bilden Rot-Rot-Rot", sagte er. "Und die CDU toleriert das, damit sie ihren Beschluss einhält. Das ist nicht verboten, das haben sie fünf Jahre praktiziert."

Thüringens SPD-Chef Georg Maier sagte, es sei für seine Partei eine Option, in die Opposition zu gehen. Grund seien vor allem Vorbehalte innerhalb der Thüringer SPD gegen eine Koalition mit dem BSW. Die SPD sei sich ihrer staatspolitischen Verantwortung für Thüringen bewusst, eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, betonte Maier.

Weil keine der Parteien mit der AfD kooperieren will, führt wohl kein Weg an den Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow vorbei. Der CDU steht aber ein Unvereinbarkeitsbeschluss im Weg, der ihr eine Zusammenarbeit mit der AfD wie auch mit der Linken verbietet.

Wer hat schon mit wem gesprochen?

CDU und BSW:

Die Thüringer Spitzen von CDU und BSW haben sich am 4. September in Erfurt zu einem ersten Gespräch getroffen, um zu beraten, wie es nach der Landtagswahl weitergehen soll. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt kam mit dem Generalsekretär der Partei, Christian Herrgott. Vom Bündnis Sahra Wagenknecht waren die beiden Landesvorsitzenden Katja Wolf und Steffen Schütz mit dabei. Über die Inhalte des Austauschs sei Stillschweigen vereinbart worden, sagte ein CDU-Sprecher.

Mario Voigt, im Anschluss an die CDU Fraktionssitzung im Thüringer Landtag
Mario Voigt (CDU), hier im Thüringer Landtag, möchte Thüringer Ministerpräsident werden. Bildrechte: IMAGO / Jacob Schröter

Voigt hat auch mit Sahra Wagenknecht über eine mögliche Zusammenarbeit in Thüringen gesprochen. Ein CDU-Sprecher sagte, das Gespräch sei konstruktiv gewesen. Voigt und Wagenknecht hätten mögliche gemeinsame Vorhaben in der Bildungs- und Migrationspolitik sowie beim Bürokratieabbau diskutiert. Es sei auch um außenpolitische Fragen gegangen, sagte der Sprecher. Voigt und Wagenknecht hätten aber Stillschweigen über die Gesprächsinhalte vereinbart.

SPD und CDU:

Mit SPD-Landeschef Georg Maier hat sich Mario Voigt (CDU) ebenfalls am 4. September getroffen. Für Maier ist nach diesem ersten Gespräch mit der CDU der Rückzug der Sozialdemokraten in die Opposition nicht vom Tisch.

Linke und CDU:

CDU-Chef Mario Voigt hat sich auch mit den beiden Linke-Vorsitzenden Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft im Thüringer Landtag getroffen. Es gehe darum, eine Gesprächsfähigkeit zwischen den Akteuren im Parlament herzustellen, sagte Grosse-Röthig. Voigt wollte sich nach dem Treffen nicht äußern.

SPD und BSW:

Thüringens SPD-Chef Georg Maier hat sich zudem in Erfurt mit BSW-Landeschefin Katja Wolf unterhalten. Maier sprach von einem Kennenlerngespräch. Zu Inhalten machten beide keine Angaben. Mit dem Thüringer Landesverband des Bündnisses Sahra Wagenknecht hat es nach Angaben von Maier bisher kaum Kontakte gegeben. Der SPD-Landesvorsitzende ist nach eigenen Angaben derzeit in den Thüringer Kreisverbänden unterwegs, um sich ein Stimmungsbild der Parteibasis zu verschaffen.

Georg Maier (SPD) bei der LPK
SPD-Chef Georg Maier hält sich mehrere Wege offen. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Maier sagte im Vorfeld, ihm liege auch eine Einladung vom Bündnis Sahra Wagenknecht vor. Das sei ein Optionsgespräch, keine Sondierung, betonte der 57-Jährige. Bauchschmerzen habe er angesichts der Hürden, die die BSW-Bundeschefin Sahra Wagenknecht für Gespräche in Thüringen aufgestellt habe, bei denen es vor allem um eine andere Ukraine-Politik der SPD-geführten Bundesregierung gehe. Viele Sozialdemokraten seien empört, dass BSW-Vertreter die SPD im Wahlkampf als Kriegstreiberin hingestellt hätten.

Linke und BSW:

Die Thüringer Spitzen von der Linken und der Wagenknecht-Partei haben in Erfurt die politische Lage nach der Landtagswahl besprochen. "Thüringen hat politische Stabilität verdient", erklärten die beiden Linke-Landesvorsitzenden Christian Schaft und Ulrike Grosse-Röthig. Über die Inhalte des Gesprächs sei Stillschweigen vereinbart worden.

AfD:

Die AfD ist mit ihrem Rechtsaußen Björn Höcke isoliert - keine der in den Landtag eingezogenen Parteien will mit dieser Partei zusammenarbeiten. Der AfD-Landesvorstand hatte trotzdem einstimmig beschlossen, die Parteispitze der CDU sowie des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu Gesprächen einzuladen. Es gehe darum, "zu sondieren, ob eine gemeinsame Basis für eine Zusammenarbeit vorhanden ist", hatte ein Sprecher gesagt. Eine Regierungsbeteiligung der vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD gilt als unwahrscheinlich.

AfD Höcke
Keine der anderen Parteien im neu gewählten Thüringer Landtag möchte mit Björn Höcke und seiner AfD zusammenarbeiten. Bildrechte: picture alliance/dpa

Bisher ist die AfD denn auch mit ihren Einladungen zu Gesprächen über eine Regierungsbildung erfolglos geblieben. Die Einladungen seien am 4. September verschickt worden. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) habe das Angebot am Tag darauf abgelehnt, sagte ein AfD-Sprecher. Eine Rückmeldung der CDU stehe noch aus.

Wer setzt die Wahl der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten auf die Tagesordnung?

Zunächst verständigen sich die Parteien, die eine Regierung bilden wollen, auf einen Personalvorschlag. Die an der Regierung beteiligten Fraktionen im Landtag können diesen Personalvorschlag dann im Landtag zur Wahl einbringen. Gemäß der Geschäftsordnung wäre es möglich, den Landtag mindestens 48 Stunden nach der Einbringung des Wahlvorschlags zu einer Sitzung zusammentreten zu lassen.

Einen Termin für die Wahl der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten legt die Landtagspräsidentin oder der Landtagspräsident in Absprache mit allen Fraktionen fest.

Wer führt die Regierungsgeschäfte, wenn keine Ministerpräsidentin bzw. kein Ministerpräsident gewählt wurde?

Das Amt der Mitglieder der Landesregierung endet laut Verfassung mit dem Zusammentritt eines neuen Landtags, mithin spätestens am 30. Tag nach der Landtagswahl.

Daran knüpft die Phase der geschäftsführenden Landesregierung an. Denn nach Artikel 75 der Verfassung haben der Ministerpräsident und auf sein Ersuchen die Ministerinnen und Minister die Pflicht, die Geschäfte bis zum Amtsantritt ihrer Nachfolgerinnen und Nachfolger fortzuführen.

Wie lange kann die alte Regierung geschäftsführend im Amt bleiben?

Die Regierung kann so lange geschäftsführend im Amt bleiben, bis die neue Regierung gebildet ist und ihre Arbeit aufgenommen hat. Einen genauen Zeitpunkt, bis wann das geschehen muss, ist nicht festgelegt. Theoretisch kann die Regierung über die gesamte Wahlperiode geschäftsführend im Amt bleiben.

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