Porträt "Politisch gescheitert sind wir nicht" - Thüringens FDP-Generalsekretär Robert-Martin Montag nach der Wahl
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12. September 2024, 05:00 Uhr
1,1 Prozent holte die FDP zur Thüringer Landtagswahl und lag damit weit unter ihren Erwartungen. Wir haben den Generalsekretär Robert-Martin Montag gefragt, wie er das einordnet, was er heute zur Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten sagt, wie er die politische Arbeit der AfD im Landtag erlebt hat und wie es jetzt für ihn weitergeht.
Am ersten Donnerstag im September sitzt Robert-Martin Montag in seinem kleinen Büro im Thüringer Landtag. Seit vier Tagen weiß er, dass er nicht mehr lange hier sitzen wird. Denn seine Partei, die FDP, holte nur 1,1 Prozent der Zweitstimmen bei der Landtagswahl, zu wenig, um im neuen Landtag vertreten zu sein.
"Die knapp 14.000 Menschen, die uns gewählt haben, kenne ich wahrscheinlich persönlich", sagte Montags Parteichef Thomas Kemmerich nach der Wahl in einem Anflug von Selbstironie auf einer Pressekonferenz.
Wahlergebnis der FDP "Riesenenttäuschung"
Montag nennt das Wahlergebnis eine "Riesenenttäuschung". "Auf einer Skala von Null bis Zehn ist es mit Sicherheit eine Elf." So viele Wochen habe er gekämpft, "mit voller Überzeugung und Leidenschaft bis 17:59 Uhr am Sonntag". Und dann das. Er stand auf Listenplatz 3. Wäre die FDP in den Landtag gewählt worden, wäre er drin gewesen. So wie die vergangenen fünf Jahre, in denen er als Abgeordneter im Thüringer Parlament saß.
Äußerlich wirkt der 44-Jährige, der gern schmale Anzüge mit Pulli drunter trägt, an diesem warmen Spätsommertag gelassen. Doch er ist hier, weil er erzählen soll, wie es ihm mit diesem Wahlergebnis geht. Wie es ist zu scheitern. Falls es das überhaupt für ihn ist: ein persönliches Scheitern.
Politisch gescheitert sind wir nicht.
Robert-Martin Montag sagt: "Politisch gescheitert sind wir nicht." Lieber spricht er über das, was die FDP aus seiner Sicht für Thüringen erreicht hat. Sie sei "als kleine Fraktion und Gruppe" ähnlich aktiv gewesen wie große Fraktionen. "Allein das zu bewältigen in dem kleinen Team, ist schon eine Mammutaufgabe gewesen." Darauf könne man stolz sein. Überhaupt sei er stolz auf die Sachpolitik, die seine Partei in der vergangenen Wahlperiode gemacht habe. "Wir haben etwas erreicht im gesundheitspolitischen Bereich und auch in anderen Bereichen."
Die FDP im 7. Thüringer Landtag
2019 ist die FDP mit fünf Prozent der Stimmen in den Thüringer Landtag gewählt worden. Die Liberalen übersprangen die Fünf-Prozent-Marke denkbar knapp mit 73 Stimmen und stellten fünf Abgeordnete.
Im September 2021 verlor die FDP ihren Fraktionsstatus, nachdem die Abgeordnete Ute Bergner aus der Fraktion ausgetreten war. Damit blieben vier Abgeordnete übrig - zur Bildung einer Fraktion sind in Thüringen fünf notwendig. Danach entschied der Landtag, die FDP sei eine Gruppe - mit weniger Finanzen sowie Rechten im Vergleich zu einer Fraktion.
Einsatz für Gesundheitsthemen
Tatsächlich hat sich Robert-Martin Montag als Abgeordneter besonders für Gesundheitsthemen eingesetzt. Als einen seiner größten Erfolge im Landtag sieht er die erweiterte Niederlassungsförderung, mit der Neugründungen oder Übernahmen von Praxen und Apotheken in Orten mit maximal 45.000 Einwohnern unterstützt werden sollen. Die Initiative dazu war von der FDP gekommen.
Im Landtag gilt Montag als anerkannter Gesundheitspolitiker auch über die Parteigrenzen hinaus. Es gibt Stimmen, die sagen, er wird fehlen. Ja, meint er, es habe ihm große Freude gemacht, mitreden und Dinge verändern zu können. "Es wäre jetzt falsch zu sagen, es würde mir nicht fehlen, Landtagsabgeordneter zu sein", sagt er.
Mehr über Robert-Martin Montag
Geboren 1980 in Erfurt, aufgewachsen in Ruhla
1999 Abitur am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Ruhla
2008 Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena und in Istanbul
Berufliche Tätigkeit vor der Mitgliedschaft im Landtag:
Referent der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), Potsdam Stellvertretender Verbandsgeschäftsführer (Strategie und Grundsatzfragen) beim Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa), Berlin
Politische Tätigkeiten:
Seit 2002 Mitglied der FDP
Seit 2012 Vorsitzender des Kreisverbands der FDP Wartburgkreis-Eisenach
Seit 2013 Mitglied im Vorstand des Landesverbands der FDP Thüringen
Seit 2019 Generalsekretär des Landesverbands der FDP Thüringen
2019 - 2024 Mitglied im Thüringer Landtag
Montag: Protestwahl gegenüber Berlin
Da stellt sich nur eine Frage: Warum ist das nicht bei den Wählerinnen und Wählern angekommen? "Weil Thüringen im Wahlkampf keine Rolle gespielt hat", sagt Montag. "Wir sind da deutlich unter Wert geschlagen worden." Die Landtagswahl sei eine Protestwahl gegenüber Berlin gewesen.
Wir sind da deutlich unter Wert geschlagen worden.
Dabei hatte die Thüringer FDP sich im Wahlkampf betont unabhängig von der Bundes-FDP positioniert. Doch diese Strategie hat offensichtlich nicht verfangen. Montag sagt, für die FDP wäre es "definitiv besser", aus der Ampel auszutreten.
Man baut sich keine politische Karriere auf, wenn man Mitglied der FDP im Osten ist.
Das würde allerdings nichts daran ändern, dass die Liberalen nicht mehr im Thüringer Landtag sitzen. Dazu sagt Montag, ein Mandat sei "immer etwas auf Zeit, das weiß man." Und was seine Partei angeht, erklärt er: "Man baut sich keine politische Karriere auf, wenn man Mitglied der FDP im Osten ist, sondern da ist man Überzeugungstäter und das bin ich auch."
Schon zur Landtagswahl 2019 hatte die FDP nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. Zur diesjährigen Wahl stand die Partei schon in den Umfragen lange vor der Wahl noch schlechter da. Nun habe der Wähler entschieden, wie er entschieden habe und das sei vollkommen okay und legitim, sagt Montag.
Der Tag, als Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt wurde
Montag ist freundlich im Gespräch, nimmt sich Zeit und beantwortet geduldig alle Fragen. Nur einmal wird er kurz wütend: Als er auf die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten am 5. Februar 2020 angesprochen wird und wie er diesen Tag in Erinnerung hat. "Es nervt mich total, diese Frage gestellt zu bekommen. Ja, aber sorry, es ist ein FDP-Mann gewählt worden und man hatte nach dem 5. Februar den Eindruck, dass jetzt der Faschismus ausgebrochen ist. Und das halte ich nach wie vor für eine Unverschämtheit uns gegenüber."
Ja, aber sorry, es ist ein FDP-Mann gewählt worden und man hatte nach dem 5. Februar den Eindruck, dass jetzt der Faschismus ausgebrochen ist. Und das halte ich nach wie vor für eine Unverschämtheit uns gegenüber.
Viele hätten damals Fehler gemacht und müssten selbstkritisch sein. Und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: "Das kann ich aber aus der Innenbetrachtung von Politik durchaus sagen, das waren sie." Er meint damit Rot-Rot-Grün.
Schnell lächelt Montag wieder, es ist ein Sunnyboy-Lächeln, zugewandt und einnehmend. Er sei ein optimistischer Mensch, sagt er. "Erstmal ist es gut, wenn Menschen unterschiedlicher Meinung sind. Ich habe das im Grunde immer als sehr konstruktiv wahrgenommen." Nur eine Partei im Landtag habe sich destruktiv verhalten: die AfD.
Montag: AfD agierte destruktiv im Thüringer Landtag
Dabei, erzählt Montag, habe er anfangs den AfD-Politikern im Landtag genauso zugehört wie allen anderen. Doch er habe bei ihnen keinen ehrlichen Gestaltungswillen erkennen können. So habe es in den Fachausschüssen kaum Wortmeldungen seitens der AfD gegeben. Stattdessen seien im Parlament Reden gehalten worden, "die faktisch mit der Sachfrage nichts zu tun hatten". "Wer nur laut ist und selber keine Lösung anbietet, der verliert in einem solchen System eben auch die Zuschreibung von Kompetenz."
Es gibt eine erhebliche Arroganz gegenüber der Komplexität von Zusammenhängen.
Der FDP-Politiker sagt über sich selbst, dass er sich stets gut vorstellen kann, mit seiner Meinung durchaus falsch zu liegen. Und dann wird er noch einmal kurz ärgerlich: "Es gibt eine erhebliche Arroganz gegenüber der Komplexität von Zusammenhängen."
Er meint das ganz allgemein und nennt verschiedenste Beispiele: Den Umgang mit der Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten, den Umgang mit den Erfahrungen und Transformationsleistungen der Ostdeutschen oder schlicht die fehlende Demut bei manchen. "Die Nichtbeschäftigung bei gleichzeitiger maximaler Empörungshaltung halte ich für ein intellektuelles Armutszeugnis."
Zeit für Reflexion und Zukunftspläne
Montag weiß noch nicht, was er zukünftig machen wird. Er weiß auch noch nicht, ob er Generalsekretär der Thüringer FDP bleiben wird. "Ich muss jetzt erstmal reflektieren, wo meine Verantwortung liegt, ob man etwas hätte anders machen können. Oder ob man überhaupt weitermacht." Da sei noch gar nichts entschieden. "Die Zeit zum Nachdenken nehme ich mir bewusst."
Die schlimmste Erfahrung sei, wenn man im Nachhinein sagen würde, man hätte mehr machen sollen. "Wenn man sich das nicht vorwerfen kann, dann hat man eine innere Ruhe." Auf manche Dinge habe man eben keinen Einfluss. Man nimmt ihm das ab. Denn er sagt auch: "Das fällt mir trotzdem nicht leicht. Es ist nicht so, dass ich hier entspannt sitze und denke, sollen die anderen mal machen."
Wann Montag aus seinem Landtagsbüro ausziehen muss, ist noch unklar. Es steht nur fest, dass das bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments geschehen muss, sagt eine Sprecherin der Landtagsverwaltung auf Anfrage. "Da finden gerade die Gespräche mit den parlamentarischen Gruppen und den Fraktionen statt."
"Man muss die Sachen auch akzeptieren", sagt Robert-Martin Montag und lächelt wieder. Wie ein Gescheiterter wirkt er nicht.
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 12. September 2024 | 18:05 Uhr
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