Wahlhelfer sortieren die Stimmzettel der Stichwahl und der Europawahl in einem Wahllokal in der Landeshauptstadt Thüringen.
Bei der Landtagswahl traten insgesamt 15 Parteien an, fünf wurden in den Landtag gewählt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Landtagswahl 2024 Thüringen-Wahl: Wie Werteunion, Freie Wähler und MLPD abgeschnitten haben

05. September 2024, 14:00 Uhr

15 Parteien sind zur Thüringer Landtagswahl angetreten. Zehn von ihnen schafften es nicht ins Parlament. Wie die Kleinparteien abgeschnitten haben, wie es mit ihnen weitergeht - und wie viel Geld sie nun bekommen.

Zehn von 15 Parteien, die zur Thüringer Landtagswahl angetreten sind, haben es weder über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft, noch ein Direktmandat erhalten. Der neue Landtag wird mit AfD, CDU, BSW, Linke und SPD dementsprechend aus fünf Parteien bestehen. (Un-)mögliche Koalitionsoptionen werden dieser Tage rege diskutiert. Von der Bildfläche verschwunden sind jedoch die Parteien, die nicht zum künftigen Landtag gehören werden.

Zweistellige Wahlergebnisse der Grünen in Uni-Städten

Die Grünen sind als Teil der noch amtierenden Regierung unter Ramelow und der Ampel-Regierung im Bund keine Kleinpartei im wörtlichen Sinne. Dennoch ziehen auch sie nicht wieder ins Parlament ein.

Zwar haben sie nur zwei Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Landtagswahl verloren. Mit einem Wahlergebnis von nun 3,2 Prozent der Stimmen war der Verlust aber zu groß, um Teil des Landtags zu bleiben. Mehr als 38.000 Zweitstimmen erhielten die Grünen bei der Landtagswahl – mit 9.000 Stimmen verloren sie die meisten Wähler an die CDU. Grund dafür könnte auch sein, dass dieses Mal besonders viele Menschen taktisch wählten, um eine Sperrminorität der AfD zu verhindern.           

Die Wählerschaft der Grünen ist grundsätzlich eher jung und verfügt im Vergleich zu anderen Parteien über die höchsten Bildungsabschlüsse und das meiste Einkommen. Das zeigt sich auch in Thüringen: Über fünf Prozent der Zweitstimmen erhielt die Partei ausschließlich in den Gutverdiener-Wahlkreisen der Universitätsstädte, beispielsweise in Jena I (15,2 Prozent), Erfurt III (11,6 Prozent) und Weimar II (10,2 Prozent).

Als außerparlamentarische Opposition werden wir künftig anders arbeiten müssen.

Madeleine Henfling

Eingezogen ins Parlament sind die Grünen dennoch nicht. Wie es jetzt für die Partei weitergeht? "Als außerparlamentarische Opposition werden wir künftig anders arbeiten müssen", so Spitzenkandidatin Madeleine Henfling zu MDR THÜRINGEN.

Madeleine Henfling (Bündnis 90/ Die Grünen), Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Landtagswahl, gibt ihre Stimme im Wahllokal in der Feuerwache 3 Ilmenau-Roda ab.
Madeleine Henfling gab ihre Stimme ab. Doch die Grünen schafften es nicht in den Landtag. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Reichel

Mit dem verpassten Parlamentseinzug muss die Partei allerdings nicht nur Büros im Landtag aufgeben, sondern auch Beschäftigte. "Die zu verabschieden ist wirklich keine schöne Aufgabe", so die Grünen-Politikerin. Ob Henfling selbst und Bernhard Stengele weiter an der Spitze der Partei stehen wollen, ließ sie vorerst offen. "Ich will mich jetzt erstmal um meine Familie kümmern", so Henfling am Mittwoch bei der Landespressekonferenz.

    

FDP so schlecht wie seit 25 Jahren nicht mehr      

Die FDP fährt mit der jetzigen Wahl einen Negativrekord ein: Seit 1999 schnitt die Partei bei keiner Landtagswahl so schlecht ab wie dieses Mal mit 1,1 Prozent der Zweitstimmen. Das sind nur 0,1 Prozentpunkte mehr, als die Tierschutz-Partei erhalten hat.

Dabei ist das Zweitstimmen-Ergebnis der FDP für ihr Abschneiden in allen Wahlkreisen repräsentativ: Ihr thüringenweites Bestergebnis sind 1,7 Prozent in Erfurt III. Selbst in seinem eigenen Wahlkreis Erfurt II schaffte es Spitzenkandidat und Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich nur auf den sechsten von sieben Plätzen der Direktkandidaten.

Möglicherweise führte auch das für Kemmerich dazu, eine erneute Bundestagskandidatur auszuschließen. Ob er beim FDP-Landesparteitag im Oktober erneut um das Amt des Thüringer Parteivorsitzenden kandidieren wolle, ließt er offen. Im Vordergrund stünden nun unternehmerische "Projekte" mit seinem Sohn.

Trotz des Rekordtiefs reiht sich das Ergebnis der Landtagswahl ein in die mangelnde Popularität der FDP in Thüringen - kommunale Enklaven wie die FDP-regierte Stadt Jena außen vor gelassen. Dennoch markiert die Landtagswahl einen Wendepunkt für die Partei. Spätestens mit der Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsident mit Hilfe der AfD hatte sich die Landespartei bei ihrer großen Schwester unbeliebt gemacht.

Im September vergangenen Jahres hatte die Bundes-FDP schließlich den Geldhahn zugedreht, aus dem zuletzt 300.000 Euro für den Wahlkampf geflossen waren. Bei der Pressekonferenz am Tag nach der Landtagswahl sagte Bundeschef Christian Lindner jedoch: "Die Phase der wechselseitigen Vertrauensbildung ist mit dem Wahlsonntag abgeschlossen."

Im Gespräch mit MDR THÜRINGEN bestätigte auch der Geschäftsführer der FDP Thüringen, Tim Wagner: "Die FDP Thüringen erhält in Wahlkämpfen ab sofort wieder die gleiche finanzielle und personelle Unterstützung von der Bundes-FDP wie alle anderen Landesverbände."

Und das trotz des schlechten Ergebnisses? Der Zeitpunkt sei bereits zuvor abgesprochen gewesen. Würden die Thüringer keinen Wahlkampf gegen die Bundespartei machen und die Bundes-FDP ihnen keine Steine in den Weg legen, so würden sie ab nach der Wahl wieder zusammenarbeiten, so Wagner.

Parteien über ein Prozent erhalten Kostenerstattung

Was die FDP, die Grünen, die Tierschutzpartei und die Freien Wähler eint, ist nicht nur ein Ergebnis unter fünf Prozent und damit keine Zukunft im Thüringer Landtag, sondern auch, dass sie alle über ein Prozent der Zweitstimmen erhalten haben. Niedrig – aber lukrativ: Denn das deutsche Parteiengesetz sieht vor, dass Parteien, die mindestens ein Prozent erhalten haben, 83 Cent pro Stimme vom Staat dazubekommen.            

Im Falle der Grünen sind das 31.779,87 Euro. Die FDP bekommt 11.273,06 Euro. Selbst die Tierschutzpartei erhält mit den bereits erwähnten 1,0 Prozent der Zweitstimmen und damit 12.113 Stimmen 10.053,79 Euro Wahlkampf-Kostenrückerstattung. Und auch die Freien Wähler profitieren von der Regelung: 1,3 Prozent der Wähler machten ein Kreuz bei der Partei. In absoluten Zahlen: 15.371 Zweitstimmen x 0,83 Euro = 12.757,93 Euro.

Freie Wähler überdurchschnittlich stark in Südthüringen

Ginge es nach den stärksten Wahlkreisen der Freien Wähler, hätte die Partei noch viel mehr Geld erhalten. Je südlicher, desto populärer. Dabei sticht vor allem der Wahlkreis Hildburghausen I/Schmalkalden-Meiningen III heraus: Dort machten 6,2 Prozent der Wähler ihr Kreuz bei den Freien Wählern, möglicherweise weil dort der Spitzenkandidat der Partei, Andreas Hummel, antrat.

Und weil der Landkreis Hildburghausen seit der Kommunalwahl im Frühjahr von einem der beiden einzigen Freien-Wähler Landräte Thüringens regiert wird. Weiterer Grund des verhältnismäßigen Erfolgs der Partei in Südthüringen könnte auch auf die Nähe zu Bayern zurückzuführen sein - dem Stammland der Freien Wähler. 

Auch Kleinparteien schneiden in Wahlkreis des Spitzenkandidaten stärker ab

Obwohl die restlichen sechs Parteien, die nicht ins Parlament eingezogen sind, sogar unter einem Prozent liegen, lässt sich auch bei ihnen der "Promi"-Effekt erkennen: Sie sind jeweils dort am stärksten, wo Spitzen- oder zumindest Direktkandidaten aufgestellt waren.            

Die Familien-Partei beispielsweise trat mit Sven Seyfarth als Spitzenkandidat erstmals zu einer Landtagswahl an und erhielt 0,5 Prozent der Stimmen. Zwar stellte die Partei keinen Direktkandidaten auf, dennoch erhielt sie im Wahlkreis Erfurt IV und damit der Stadt Seyfarths mit 0,7 Prozent der Stimmen etwas mehr als im landesweiten Durchschnitt.

Auch die Piraten-Partei kann sich innerhalb ihrer 0,3 Prozent der Stimmen besonders auf den Wahlkreis Jena I verlassen, wo die Spitzenkandidatin und Jenaer Kommunalpolitikerin Heidrun Jänchen antrat und 0,6 Prozent der Stimmen einfuhr.

Für die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) stimmten insgesamt 0,2 Prozent der Wähler. In den drei Wahlkreisen, in denen ihre Direktkandidaten zugelassen wurden, liegt ihr Ergebnis bei 0,4 bis 0,7 Prozent.

Zum ersten Mal trat auch das rechtsgerichtete Bündnis Deutschland bei der Landtagswahl in Thüringen an. Insgesamt erhielt es 0,5 Prozent der Stimmen – die meisten davon erstaunlicherweise nicht im Heimat-Wahlkreis der Spitzenkandidatin und früheren Höcke-Stellvertreterin Steffi Brönner.

Dafür aber im Wahlkreis Altenburger Land I mit 1,1 Prozent der Stimmen. Dort kandidierte Uwe Rückert, der durch Fusionierungspläne mit der Werteunion und noch lauteren Streitigkeiten darüber auf sich aufmerksam machte.

Werteunion strebt weitere Fusionen an

Im Frühjahr kündigte die rechts-konservative Werteunion noch vor der Gründung ihres Landesverbandes an, bereit zu sein, mit Spitzenkandidat Albert Weiler den Ministerpräsidenten stellen zu wollen. Nun erhielt sie bei der Landtagswahl jedoch nur 0,6 Prozent der Stimmen. Plakatiert wurde mit Bundesparteichef und Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen - der stand in Thüringen jedoch gar nicht zur Wahl.

Dennoch profitierte auch die Werteunion von bekannteren Gesichtern. Ihre besten Ergebnisse erzielte sie in den Wahlkreisen bei Saalfeld-Rudolstadt mit bis zu 2,1 Prozent. Dort kandidierte Steffen Teichmann, ehemals Mitglied der Bürger für Thüringen, die im März auch unter seiner Leitung mit der Werteunion fusioniert hatten.

Die Eröffnung des einzigen Wahlkampfbüros der Partei in Gera unter Direktkandidat Peter Schmidt brachte bis zu 1,2 Prozent der Wähler dazu, für die Werteunion zu stimmen. Ebenso wie der Spitzenkandidat-Faktor von Albert Weiler, der seit Jahren hauptamtlich als Kommunalpolitiker im Saale-Holzland-Kreis arbeitet, und damit ebenfalls 1,1 Prozent der Stimmen für die Partei eintreiben konnte. 

Ich muss nicht in den Bundestag einziehen und lasse gerne Jüngeren den Vortritt.

Albert Weiler

Für die Zeit nach der Landtagswahl kündigte die Werteunion an, weitere Fusionierungsgespräche führen zu wollen – auch mit dem Bündnis Deutschland und der FDP. Aus Kreisen der FDP hieß es jedoch, eine Fusion käme allein wegen der inhaltlichen Nähe zur AfD nicht in Frage.

Obwohl sich die Werteunion mit Blick auf die Bundestagswahl gegründet hatte, sagte Spitzenkandidat Albert Weiler nun: "Ich muss nicht in den Bundestag einziehen und lasse gerne Jüngeren den Vortritt." Er wolle sich auf die Festigung des Landesverbandes konzentrieren.

MLPD ist schwächste Partei bei Thüringer Landtagswahl           

Schwächstes Parteien-Wahlergebnis der Landtagswahl beansprucht die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) für sich. Sie erhielt 0,1 Prozent der Zweitstimmen - das sind 1.342 Kreuze. Eine Wahlkampf-Kostenerstattung erhält die Partei zwar nicht. Dennoch hat sie keine Geldsorgen: "Wir sind eine sparsame Partei und verwenden Wahlplakate in der Regel für mehrere Wahlkämpfe", so der Spitzenkandidat Tassilo Timm zu MDR THÜRINGEN.

Wir sind eine sparsame Partei und verwenden Wahlplakate in der Regel für mehrere Wahlkämpfe.

Tassilo Timm

Dass sich das Parteiergebnis im Vergleich zur letzten Wahl mehr als halbiert hat, führt Timm vor allem auf das taktische Wählen vieler Thüringer zurück. Den Erfolg der MLPD messe die Partei nicht am Wahlergebnis. Was jetzt anstehen würde, sei die Planung einer offenen Liste, um zur Bundestagswahl mit konzentrierten Kräften anzutreten und ein breites antifaschistisches Bündnis zu stärken, so der Spitzenkandidat.

MDR (jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 01. September 2024 | 19:00 Uhr

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