75 Jahre Kriegsende in Thüringen Gera wird kampflos übergeben

Widerstandslose Kapitulation

23. April 2015, 19:04 Uhr

Gera wurde immer wieder von Kampfflugzeuge angegriffen. Der 6. April 1945 war der schwärzeste Tag für die Stadt, bevor diese eine Woche später kapitulierte.

Die größte Stadt Ost-Thüringens erlebte zwischen Mai 1944 und April 1945 zwölf schwere Luftangriffe. Immer wieder luden Kampfflugzeuge bei Überquerungsflügen zu und von anderen Städten Bomben über Gera ab, das wie eine Art Gelegenheitsziel für die Alliierten wirkte. Die größte Bombardierung fand kurz vor Kriegsende am 6. April 1945 statt. Gera war dieses Mal Primärziel des Angriffes. Insgesamt gingen während des Krieges 550 Tonnen Bombenlast über der Stadt nieder, wovon die Hälfte am 6. April fiel. Es war außerdem der einzige Tag, an dem Brandbomben auf die Stadt fielen. Auch wenn auf Gera, verglichen mit anderen Thüringer Städten, zahlenmäßig weniger Bombenlast fiel, so mussten doch überall in der Stadt Menschen Furchtbares erleben. Dieser schwarze Freitag brannte sich tief in das Bewusstsein der Geraer ein.

Bombardierung von Gera 1945 - Bomber in der Luft
Bombardierung von Gera 1945 - Bomber in der Luft Bildrechte: The National Archives

Bedeutende und das Stadtbild prägende Bauten, wie Schloss Osterstein mit seinen Kunstschätzen, die Alte Post oder das ehemalige Waisenhaus, wurden zerstört. Auch wenn das Stadtbild in seiner Gesamtheit erhalten blieb, so ist der historisch gewachsene Innenstadtraum mit seiner vielfältigen Bebauung verloren gegangen. Hauptziel der Angriffe waren die Bahnhöfe und Gleisanlagen.

Das bedeutendste Rüstungswerk der Stadt, die Geraer Technischen Werke, die für die Marine produzierten, blieben jedoch von Angriffen verschont. Stattdessen trafen viele Bomben die umliegenden Bereiche. Fabriken, Geschäfte und die Infrastruktur wurden beschädigt. Das Wirtschaftsleben und die Trinkwasserversorgung waren unterbrochen. 1.800 Wohnungen wurden vernichtet. Hinzukam, dass Gera Zufluchtsort für Evakuierte und Geflüchtete war. 125.000 Menschen lebten zu der Zeit in Gera.

Die letzte Zeitung erschien in Gera am 12. April 1945. Darin proklamierte der Thüringer Gauleiter Fritz Sauckel abermals: "Wer vor dem Feind die weiße Fahne hisst, wird als Landesverräter und Deserteur behandelt." Am 13. April führte ein Todesmarsch mit Buchenwald-Häftlingen durch die Stadt. Acht Häftlinge wurden im Stadtgebiet erschossen. Am gleichen Tag gab es an der  westlichen Stadtgrenze Artilleriebeschuss und Tieffliegerangriffe.

Am Mittag des 14. April 1945 kapitulieren schließlich die letzten in Gera verbliebenen 1.200 Wehrmachtssoldaten. Als die Soldaten der 80. Division der 3. US-Armee Gera widerstandslos besetzten, atmeten viele Menschen auf. Die Todesangst und die ständige Bedrohung aus der Luft hatten damit ein Ende. Insgesamt 548 Menschen starben durch die Angriffe der letzten Kriegsmonate auf die Stadt. 2.600 Geraer Soldaten fielen an der Front. 211 Geraer Bürger jüdischen Glaubens starben, viele konnten rechtzeitig emigrieren. Zum Kriegsende lebten nur noch sechs Juden in Gera.

Buchtipp Ostthüringen im Bombenkrieg 1939-1949

von Günter Sagan
in Michael Imhof Verlag

ISBN: 978-3865686367
Preis: EUR 19,95

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 01. April 2020 | 18:00 Uhr

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