70 Jahre Kriegsende in Thüringen Die Zerstörung Creuzburgs

Der erste Kampfplatz in Thüringen

31. März 2015, 20:00 Uhr

Wolkenloser Himmel und Sonne leiteten den Ostersonntag 1945 ein. Doch bevor die Glocken der Creuzburger Nicolaikirche zum Osterfest am 1. April riefen, heulten morgens um 7 Uhr die Sirenen. Viele Einwohner flüchteten aus ihren Häusern in die Seitentäler der nahegelegenen Wälder und in einen Felsenkeller. Das Wenige, was sie bei sich trugen, sollte für viele das Einzige sein, was von ihrem Besitz bleiben würde. Der folgende Kampf war die erste Auseinandersetzung des Zweiten Weltkrieges in Thüringen. Creuzburg wurde dabei fast vollständig zerstört.  

In den Morgenstunden überquerten amerikanische Kampfeinheiten der 3. US-Armee unter General Patton die Westgrenze Thüringens. Dort erwartete die Wehrmacht den nahenden Feind und ließ alle Brücken zwischen Dankmarshausen und Hörschel sprengen. Amerikanische Aufklärungs-Schwadronen sichteten nördlich bei Creuzburg eine unzerstörte Brücke über die Werra. Auf deutscher Seite war die Verteidigung vorbereitet, doch es fehlte an notwendiger Artillerie und Panzerabwehr. Nur kleine Feldstellungen und Sperrabschnitte waren möglich. Die militärische Wirkung reichte lediglich wenige hundert Meter über die Werra, dahinter konnten die amerikanischen Truppen ungestört agieren.

In Creuzburg selbst hatten wenige Tage zuvor Verteidigungsmaßnahmen begonnen. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter hatte angeordnet, die Stadt bis zuletzt zu verteidigen. So wurde der Volkssturm aufgerufen, alle Jungen ab 16 Jahren wurden gemustert. Die Männer und Jugendlichen mussten in der Stadt Panzersperren bauen. Die Pappelallee am Steinweg wurde dafür gefällt. Hinter der Liboriuskapelle schachteten sie einen Panzergraben.

Am frühen Nachmittag des 1. April 1945 setzten erste Granaten der Amerikaner die Stadt an verschiedenen Stellen in Brand. Schwarze Rauchwolken verfinsterten den Himmel. Die Frauen der Freiwilligen Feuerwehr mussten die Löscharbeiten wegen des heftiger werdenden Feindbeschusses einstellen. Zu den Granaten kamen auch Phosphorbomben der Amerikaner hinzu, die die Stadt weiter in Brand setzten. Am späten Nachmittag erschütterte Creuzburg eine gewaltige Detonation: Als sich die amerikanischen Panzer näherten, sprengten deutsche Soldaten die seit 1225 unversehrte Werrabrücke.

Aus der Ferne konnten die Bewohner nur zusehen, wie die Flammen Haus für Haus vernichteten. Als das Feuer das Stadtzentrum erreichte, explodierte in der Nicolaikirche ein Munitionsdepot, das die Wehrmacht dort angelegt hatte. Das Feuer bekam dadurch neue Nahrung. Ganz Creuzburg stand daraufhin in Flammen. Als nach Tagen die Bewohner Creuzburgs aus ihren Verstecken in die Stadt zurückkehrten, fanden die meisten in rauchenden Trümmern ihr Wohnhaus zerstört. 85 % der Stadt lagen in Schutt und Asche, viele standen vor dem Nichts. Historische Baudenkmäler und alle öffentlichen Gebäude waren vernichtet worden. Nur einige Häuser an der Peripherie in der nördlichen und westlichen Vorstadt wie auch die Burg Creuzburg hatten den Angriff überstanden.

In Eisenach erschien am 1. April die letzte Ausgabe der Gauzeitung. Ein letztes Mal verkündete Gauleiter Fritz Sauckel den Endsieg. Doch die US-Armee rückte in Thüringen weiter vor. Creuzburg vor Augen hissten zahlreiche Thüringer Städte in den folgenden Tagen weiße Fahnen.
In den Folgejahren begannen die Creuzburger den mühsamen Wiederaufbau ihrer Stadt. Die mittelalterliche Werrabrücke entstand nach dem Krieg nach den Originalvorlagen neu. Die Nicolaikirche stand bis 1968 als Ruine mitten in der Stadt, bis heute ist der Wiederaufbau nicht voll beendet.

Buchtipp "... wir sahen nur einen roten Feuerball..."
Das Kriegsende in Creuzburg 1945
Zeitzeugen berichten
Stadt und Kirchgemeinde Creuzburg (Hrsg.), 2005

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