Johannes Gräßer - Leiter jüdisch-israelische Kulturtage Erfurt 6 min
Johannes Gräßer, Leiter der jüdisch-israelischen Kulturtage Thüringen, zieht im Interview Bilanz. Bildrechte: Alice End

Interview Jüdisch-israelische Kulturtage verzeichnen mehr Publikum

25. März 2024, 11:48 Uhr

Die jüdisch-israelischen Kulturtage Thüringen sind am Sonntag nach zweieinhalb Wochen zu Ende gegangen. Festivalleiter Johannes Gräßer spricht von höchst emotionalen Begegnungen in politisch angespannter Lage. Dabei seien alle Veranstaltungen friedlich geblieben – und das mit mehr Publikum als im Vorjahr. Künftig will er das Festival verstärkt in den ländlichen Raum bringen. Es sei ein wichtiges Mittel im Kampf gegen Antisemitismus, erklärt Gräßer im Interview.

MDR KULTUR: Dieser Konflikt im Nahen Osten, der ja auch in Deutschland aggressiv ausgetragen wird: Wie sehr hat der Ihre jüdisch-israelischen Kulturtage in diesem Jahr bestimmt?

Johannes Gräßer: Zunächst möchte ich mal sagen, dass wir zurückblicken auf einen wirklich sehr friedlichen Verlauf der 32. jüdisch-israelischen Kulturtage. Bei den über 70 Veranstaltungen in 14 Thüringer Städten und Gemeinden gab es keinerlei Zwischenfälle oder Vorfälle, die negativ aufgefallen sind. Wir hatten viele Vorträge und Lesungen, wo es auch tatsächlich zu Diskussionen gekommen ist. Und genau dafür steht ja auch das Festival, dass wir einen Platz und einen Schutzraum für Diskussionen bieten. Und das wurde sehr gut wahrgenommen.

Sie haben ja mehr gemacht als bisher. Also in einem insgesamt aufgeheizten Umfeld haben Sie sich selbstbewusst mehr vorgenommen als in den Jahren davor. Wie ist das gelaufen?

Meine Devise war, nicht erst seit dem 7. Oktober, aber seitdem verstärkt: jetzt erst recht. Jetzt erst recht möchten wir jüdischen und vor allen Dingen auch israelischen Künstlerinnen und Künstlern ja eine Plattform, eine Bühne bieten. Und das haben wir gemacht in zahlreichen Veranstaltungen mit drei Acts, die wir direkt aus Israel eingeflogen haben, und weiteren israelischen Künstlern, die in Deutschland leben.

Und in der Tat hatten wir auch mehr Veranstaltungen als im vergangenen Jahr. Und ich kann jetzt schon sagen, dass die Bilanz so aussieht, dass wir tatsächlich auch einen kleinen Publikumszuwachs haben. Und das freut mich natürlich sehr und ermutigt mich auch dazu, dass auch im kommenden Jahr auszubauen. Wir möchten verstärkt auch in den ländlichen Raum gehen.

Meine Devise war, nicht erst seit dem 7. Oktober, aber seitdem verstärkt: jetzt erst recht.

Johannes Gräßer, Leiter der jüdisch-israelischen Kulturtage Thüringen

Mit den Kulturtagen engagieren Sie sich für das Gespräch über Israel, Judentum und Antisemitismus. Die Begriffe an sich klingen sinnvoll. Aber was heißt es eigentlich konkret aktuell? Wen sprechen Sie an? Und mit welchen Argumenten eröffnen Sie dieses Gespräch?

Mir geht es zunächst darum, dass wir das Thema positiv belegen. Eine Umfrage vom Dezember letzten Jahres von Forsa hat herausgefunden, dass knapp über 50 Prozent der Deutschen aussagen "Israel ist mir fremd". Bei der Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen waren es gar 79 Prozent.

Das heißt, wenn wir hier eine Befremdlichkeit gegenüber dem Land Israel haben, dann können wir als Festival dazu beitragen, hier eine Nahbarkeit herzustellen. Und wenn wir dann auch noch Wissen vermitteln und Anlässe für Begegnungen schaffen, tragen wir hier auch dazu bei, eben diese Befremdlichkeit abzubauen. Und das ist letztendlich auch ein sehr wichtiger Schritt gegen Antisemitismus.

Wie steht das Festival finanziell da? Sie kriegen kommunales Geld und vor allem Förderung vom Land Thüringen. Wie sieht das aus künftig?

Das ist richtig. Wir sind großzügig bedacht durch die Thüringer Staatskanzlei. Aber auch Kommunen wie die Stadt Gera und die Stadt Mühlhausen und andere haben sich hier finanziell beteiligt. Und diese Beteiligung der verschiedenen Akteure macht es eben möglich, dass wir in diesem Jahr 70 Veranstaltungen abhalten konnten. Und auch für das nächste Jahr sind diese Gelder im gleichen Umfang wie dieses Jahr gesichert. Und das macht mich auch als Festivalleiter froh, dass wir jetzt schon mit den Planungen für nächstes Jahr beginnen können.

Was war für Sie persönlich der bewegendste Moment in diesen Tagen?

Ich war tatsächlich mehrfach berührt vor allen Dingen mit den menschlichen Begegnungen der Künstlerinnen aus Israel. Vor allen Dingen beim Abschied. Und das war sehr emotional, weil ich gesagt bekommen habe, wie schön das hier war, wie toll das war, dass wir israelische Künstler gerade zu dieser Zeit einladen.

Und beim Abschied, wo teilweise auch Tränen geflossen sind, eben dann wieder die Stimmung aufgekommen ist: Jetzt müssen wir wieder zurück in dieses unschöne Umfeld in Israel. Das war für mich persönlich sehr bewegend und zudem auch Bestätigung, dass wir das richtig gemacht haben.

Das Interview führte MDR KULTUR-Moderator Carsten Tesch. Redaktionelle Bearbeitung: hki

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 25. März 2024 | 07:10 Uhr

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