Digitalisierung Tschüss mp3? Fraunhofer Institut in Ilmenau verabschiedet sich von Lizenzen

17. Mai 2017, 15:11 Uhr

Manch einer kann sich noch daran erinnern, als Musik im Laden gekauft wurde, als Plattensammlungen ganze Regale einnahmen und Lieblingslieder in Radiohitparaden aufgenommen wurden. Es war eine Welt ohne Internet und ohne mp3. Seit dessen Erfindung vor 20 Jahren hat sich viel getan. Zeit für einen Rückblick.

Die Erfindung von "digital"

Vollkommen klar: Das mp3-Format hat die Musikwelt revolutioniert. Dabei war eine andere Revolution noch gar nicht so lange her. Mitte der 1980-Jahre wurden Schallplatte und Musik-Kassette von einer neuen Erfindung vom Markt gefegt. Musikliebhaber ersetzten komplette Plattensammlungen durch Musik-CDs.

Junger Mann hält einen Stapel CD's
Das Aus für die Plattensammlung? Mit dem "mp3"-Format wurde es möglich, große Mengen Musik klein zu verpacken und über das Internet zu verschicken. Bildrechte: MDR/Nicky Scholz

Das Zauberwort lautete "digital".  Im Gegensatz zu älteren Medien wurden dabei Musik, Geräusche und Sprache erstmals in Nullen und Einsen umgewandelt. Das war irgendwie cool und man erhoffte sich eine bessere Tonqualität sowie eine längere Lebensdauer als bei den empfindlichen Magnetbändern in Musikkassetten. Im Jahre 1997 erwirtschaftet die Musikindustrie in Deutschland auf diese Weise umgerechnet 2,6 Milliarden Euro.

Mit  zunehmender Verbreitung des Internets wuchs der Wunsch, Musik in guter Qualität durch Telefonleitungen zu schicken. Dabei ging es aber nicht darum, den Telefonhörer ans Radio zu halten, sondern ein Musikstück in elektronische Daten zu zerlegen, das heißt zu kodieren. Nach der Übertragung sollte das Lied möglichst originalgetreu wiederhergestellt werden. Zwar war die Musik auf CDs bereits digital, doch die Datenmenge, also die Anzahl der Nullen und Einsen darauf, viel zu groß! Ein Kompressionsverfahren musste her, um Töne, Sprache und Lieder möglichst in kleinen Paketen über das Internet verschicken zu können.

Wer hat’s erfunden?

Den Anfang machten die Forscher der Uni Erlangen-Nürnberg, die 1989 ein erstes brauchbares Verfahren, den OCF-Standard, entwickelten - nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu mp3. 1991 war die Entwicklung abgeschlossen. Maßgeblich beteiligt war das Fraunhofer-Team rund um Karlheinz Brandenburg, dem heutigen Leiter des Fraunhofer Instituts in Ilmenau. 

Das Kompressions-Verfahren mit dem damals noch sperrigen Namen "MPEG-Audio-Layer-3" wurde kurz darauf umbenannt in "mp3", sicherlich ein Grund für den bald einsetzenden Erfolg. Von nun an war es möglich, Musik in CD-Qualität durch ISDN-Leitungen zu senden, und das in annehmbarer Geschwindigkeit.

mp3 + Internet = Weltrevolution

Was macht mp3? - mp3 verkleinert große Datenmengen, indem es unwichtige Informationen weglässt. Die für Menschen nicht hörbaren Frequenzen werden herausgefiltert. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Aufnahme (CD) benötigt mp3 nur 10 Prozent des Speicherplatzes. Auf einmal passten also ganze Musiksammlungen auf eine einzige CD. 1998 lagen die ersten mp3-Player in den Läden. Ein Segen auch für die Musikübertragung via Internet und der Beginn einer kleinen Weltrevolution, welche die Musikindustrie kräftig durcheinanderwirbelte. Die war darauf nicht vorbereitet. Binnen weniger Jahre brach ein bewährtes Geschäftsmodell komplett zusammen. Denn fast gleichzeitig mit mp3 begann auch der rasante Austausch von Musiktiteln über das Internet - meist illegal. Plattenverkäufe brachen ein. Die Musikindustrie schlitterte in eine tiefe Krise. Im Jahr 2000 verklagte die Band Metallica erfolgreich die kostenlose Musiktauschbörse "Napster". Und heute?

mp3 ist doch nicht so ganz tot - im Gegenteil

Die Art, wie wir heute Musik hören, hat sich seit der Entwicklung von "mp3" erneut gewandelt. Dank immer schnellerer Internetverbindung ist es mittlerweile möglich, Musik in Echtzeit zu herunterzuladen und zu hören - noch vor wenigen Jahren undenkbar. Auch die Musikindustrie hat daher mittlerweile Angebote entwickelt, Musik über das Internet zu vertreiben.

Trotz gegenteiliger Medienberichte ist mp3 nicht tot, sondern quicklebendig. "Es ist und bleibt das am weitesten verbreitete Format für digitale Musik, das von praktisch jedem Gerät abgespielt werden kann", so Karlheinz Brandenburg. Hintergrund der irreführenden Berichte ist das Auslaufen des Lizenzprogrammes mit einem großen Elektronikunternehmen. Im Ergebnis bedeutet dies nur, dass Hersteller von beispielsweise MP3-Playern das Verfahren jetzt gebührenfrei verwenden dürfen. Für Unternehmer ist das wohl eher ein Glücksfall. Für Konsumenten ändert sich vermutlich nichts.

Über dieses Thema berichtet MDR THÜRINGEN auch im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Redakteur | 17.05.2017 | 13:20 Uhr

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