Wegen Protokollnotiz Streit in Landespolitik nach Flüchtlingsgipfel
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12. Mai 2023, 03:30 Uhr
Bode Ramelow sieht nur einen "Teilerfolg", die Kommunen drohen mit einer Klage und die Opposition tobt über einen Thüringer Alleingang: Nach dem Flüchtlingsgipfel sind die Probleme im Freistaat nicht weniger geworden.
Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels am Mittwoch stoßen in der Thüringer Landespolitik auf ein geteiltes Echo. Während Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zumindest einen "Teilerfolg" sieht, zeigen sich die Thüringer Kommunen weitestgehend enttäuscht.
Thüringer Landesregierung fordert Paradigmenwechsel
Thüringen hatte zur Einigung eine Protokollnotiz hinterlassen, in der die Landesregierung ein klares Bekenntnis des Bundes fordert, die Kommunen und Länder auch perspektivisch finanziell zu unterstützen. Es bedürfe eines atmenden Systems "bei dem nicht pauschale Summen, sondern Pro-Kopf-Finanzierungen zu Grunde gelegt werden", heißt es in der Notiz.
Außerdem fordert der Freistaat einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik. Statt "einer Reihe aufenthaltsrechtlicher Verschärfungen" brauche es "Vereinfachungen der Arbeitsmöglichkeiten von geduldeten Flüchtlingen". Dazu solle das Chancen-Aufenthaltsrecht schon nach einer dreijährigen Duldung in Deutschland greifen und auch für Asylbewerber mit Aufenthaltsgestattung gelten.
Opposition kritisiert Protokollnotiz
Kritik an der Protokollnotiz kam prompt von der Thüringer CDU und FDP. "Als einziges Bundesland stellt sich Thüringen gegen die dringend notwendige Verschärfung des Asylrechts zur Begrenzung des Flüchtlingsstroms", beklagte die CDU-Fraktion am Freitag. Der Ministerpräsident handele damit nicht im Interesse Thüringens. Stefan Schard, der migrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, griff Ramelow an: "Sein Gerede vom Spurwechsel verkennt die Realitäten in unseren Kommunen und an den Europäischen Außengrenzen."
Auch FDP-Gruppensprecher Thomas Kemmerich attackierte Ramelow scharf und warf ihm vor, sich als "Held, der die Welt retten möchte" zu inszenieren. "Tatsächlich löst seine Regierung damit keine Probleme im eigenen Land, sondern schafft beständig neue", so Kemmerich.
Kommunen fordern volle Kostenübernahme
Die Thüringer Kommunen zeigten sich weitestgehend enttäuscht vom Ergebnis des Flüchtlingsgipfels. Ilm-Kreis-Landrätin Petra Enders (pl) forderte - genau wie die Protokollnotiz - eine Pro-Kopf-Erstattung der Kosten und keine Pauschalsummen. Zudem kritisierte sie, dass die Bundesmittel nicht grundsätzlich und dauerhaft erhöht wurden.
Martina Schweinsburg (CDU) vom Landkreistag bezeichnete die finanzielle Zusage des Bundes, "als richtigen, aber kleinen Schritt". Jetzt komme es darauf an, wie schnell das Land die rund 26 Millionen Euro an die Kommunen auszahlen wird. Außerdem forderte der Landkreistag, dass der Freistaat für Flüchtlinge ohne Aussicht auf Asyl eine zentrale Unterkunft schafft, um Kommunen zu entlasten.
Ebenfalls für Entlastung soll eine konsequente Abschiebung abgelehnter Flüchtlinge sorgen, wie sie der Gemeinde- und Städtebund fordert. Finanziell erwarte der Gemeinde- und Städtebund einen eins zu eins Kostenausgleich für die Unterbringung der Geflüchteten. Sollte das Land nicht für die Kosten aufkommen, will der Landkreistag eine Verfassungsklage in Erwägung ziehen.
Thüringen erhält ca. 26,3 Millionen Euro zusätzlich
Die Regierungschefs von Bund und Ländern hatten sich beim Flüchtlingsgipfel auf eine Aufstockung der Bundesmittel zur Finanzierung der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr verständigt. Der Bund hatte bei der Einigung eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten zugesagt. Über die Aufschlüsselung der Kosten soll im November entschieden werden. Auf Thüringen dürften nach Berechnungen des Migrationsministeriums rund 26,3 Millionen Euro entfallen.
Neben der Finanzierung verständigten sich Bund und Länder auf die "drängendsten Aufgaben", wie Bodo Ramelow erklärte. So solle der Zugang der Geflüchteten stärker gesteuert werden, die Zahl und der Status der nach Deutschland gekommenen Menschen so früh wie möglich erfasst werden. Eine angemessene Unterbringung, Betreuung und Integration der Geflüchteten solle gewährleistet, aber auch Straftäterinnen und Straftäter zügig zurückgeführt werden.
MDR (ask),dpa
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Thüringen Journal | 11. Mai 2023 | 19:00 Uhr