Vor Landtagswahl Thüringer CDU: "Weihnachten 2024 in der Staatskanzlei" - wo steht die Partei wirklich und was ist möglich?

19. November 2023, 19:21 Uhr

Auf ihrem Parteitag am Samstag hat die CDU ihren Landes- und Fraktionschef schon mal "auf den Schild gehoben" - Mario Voigt soll die Union in die Landtagswahl 2024 führen. Die Entscheidung fiel einstimmig, der Wahlkampf kann beginnen. Aber in welchem Zustand ist die hiesige Christdemokratie eigentlich? Antworten sind irgendwo zwischen dem Mühlhäuser Parteitag und einem Vereinsheim in Pfuhlsborn bei Bad Sulza zu finden.

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Rein führungstechnisch ist jetzt eigentlich alles so, wie man es in der CDU gerne hat. Die Partei hat sich am Samstag in Mühlhausen mit Mario Voigt für einen Leitwolf entschieden und ihm die bei solchen Gelegenheiten nicht ungewöhnlichen 100 Prozent Zustimmung gegeben.

Jetzt können die aktuell knapp 7.800 CDU-ler in Thüringen in den Wahlkampf starten - zuerst für die Landratswahl im Saale-Orla-Kreis im Januar, dann die Kommunal-, Oberbürgermeister- und Landrätewahlen im Mai und als Krönung des Wahlmarathons der Kampf um die Staatskanzlei am 1. September. Voigts Versprechen: "2023 sind die letzten Weihnachten, die wir in der Opposition feiern", ruft er in die Festhalle Mühlhausen. Applaus.

Voigt geht voran: Restzweifel werden pragmatisch weggeatmet

Für Voigt lief das Timing perfekt. Genau in der Woche vor dem Parteitag legt die Staatsanwaltschaft die Untreuevorwürfe gegen ihn ergebnislos zu den Akten. 13 Monate Ermittlungen samt Hausdurchsuchung, Handy-Beschlagnahmung, Zweifeln und Sorgen sind vorbei. Auf dem Parteitag ist ihm diese Erleichterung deutlich anzumerken.

Aber: Der Zuspruch gerade aus der CDU habe ihm geholfen über die Zeit zu kommen - "das werde ich Euch nicht vergessen." Die Bewerbungsrede um die Spitzenkandidatur fällt übrigens für Voigts Verhältnisse eher mäßig aus. Trotzdem gibt es minutenlagen Schlussapplaus mit Aufstehen - möglicherweise vorhandene Restzweifel werden pragmatisch weggeatmet.

Parteitag in Mühlhausen: Einer klatscht mit

Auch Mike Mohring klatscht mit. Die ehemalige Nummer 1 der Thüringer CDU sitzt bei den Delegierten aus dem CDU-Kreisverband Weimarer Land. Aber der Platz neben ihm bleibt leer. Ehemalige Anhänger halten sich fern. So sieht Bedeutungsverlust aus. Dass Mohring überhaupt auf dem Landesparteitag erschienen ist, zeigt seine Sicht auf die Dinge: Alles nur ein Missverständnis. Das Geld für seine Geburtstagsparty hat er doch inzwischen an die Parteikasse zurückgezahlt. Das sieht seine Partei bekanntlich anders und spricht von "vollendeter Untreue". Auf dem Kreisparteitag in Pfuhlsborn hat Mohring sein Amt als Kreisvorsitzender deshalb verloren.

An der Landtagskandidatur für den Wahlkreis 30 (Weimarer Land I und Saalfeld-Rudolstadt III) hält er aber eisern fest. In einer internen Krisensitzung sollen bei diesem Thema sogar Tränen geflossen sein. Weil Mohring aber im Sommer korrekt und satzungsgemäß von der CDU-Basis als Kandidat aufgestellt wurde, kann ihm die CDU die Landtagskandidatur nicht wieder entziehen. "Unsere Satzung gibt das nicht her", heißt es aus der Parteizentrale. Die Parteibasis im Weimarer Land grummelt: "Davon profitiert nur die AfD."

Zusammenarbeit? - Überhaupt die AfD

Die CDU hat erkennbar keine Lust, sich in den letzten Monaten bis zur Wahl von der politischen Konkurrenz einklemmen zu lassen - also zwischen einer Zusammenarbeit mit Rotrotgrün und der "Brandmauer" zur rechtsextremen Thüringer AfD. "Wir werden als größte Oppositionspartei weiter Gesetze in den Landtag bringen, die wir für richtig halten", so formulierte es Voigt auf dem Parteitag mit Blick auf Abstimmungen im Landtag, die die CDU mit Hilfe von AfD-Zustimmung gewonnen hatte.

Bei den (meisten) eigenen Leuten war das sowieso gut angekommen. "Hätte ich gar nicht gedacht, dass der Mario das durchzieht. Alle Achtung." - so formuliert das Peter Krause, CDU-Fraktionsvorsitzender in Weimar und ehemaliger Landtagsabgeordneter.

Die AfD erwiesen rechtsexrtemistisch - was heißt das?

Im September 2018 hatte der Thüringer Verfassungsschutz den Landesverband der AfD Thüringen zum Prüffall erklärt. In dieser Vorstufe zur Beobachtung wertete der Geheimdienst offen zugängliches Material aus. Anlass waren u.a. mehrere Redebeiträge des AfD-Landeschefs Björn Höcke etwa zur deutschen Erinnerungskultur ("Denkmal der Schande") oder dessen Teilnahme an den fremdenfeindlichen Protesten in Chemnitz im Sommer 2018.

Im März 2020 wurde die Thüringer AfD zum Verdachtsfall hochgestuft. Seitdem konnten eingeschränkt geheimdienstliche Mittel wie die Überwachung von Telefonen eingesetzt werden. Gleichzeitig wurde die AfD-Parteiströmung "Der Flügel" als "erwiesen extremistische Bestrebung" eingestuft. Daraufhin lösten die damaligen "Flügel"-Anführer, der Thüringer AfD-Chef Höcke sowie dessen Pendant in Brandenburg, Andreas Kalbitz, die Parteiströmung offiziell auf. Dies bezeichnete der Thüringer-Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer damals als "Nebelkerze".

Im März 2021 erklärte der Thüringer Verfassungsschutz den Thüringer AfD-Landesverband schließlich zur "erwiesen rechtsextremistischen" Bestrebung. Seitdem kann der Verfassungsschutz das komplette Arsenal nachrichtendienstlicher Mittel wie etwa V-Leute einsetzen.

Flaggen vor der Thüringer Staatskanzlei
Die Thüringer Staatskanzlei in Erfurt. Bildrechte: IMAGO / Norbert Neetz

Ziel Staatskanzlei: Die CDU und die Machtfrage

"Weihnachten 2024 in der Staatskanzlei" - wie soll die CDU das schaffen? In den aktuellen Umfragen kommt die von Voigt favorisierte "Deutschlandkoalition" aus Union, SPD und FDP auf etwas über 30 Prozent und die CDU liegt vor den Linken. Die AfD scheidet für eine Zusammenarbeit aus - das hat Voigt auf dem Parteitag in Mühlhausen deutlich wiederholt und dafür viel Beifall aus dem Saal bekommen.

Bleibt also die Linke. Früher hat Voigt wenigstens noch angedeutet, dass er sich die Linke in einer solchen Konstellation als Tolerierungspartner vorstellen kann. Je näher der Wahlkampf rückt, desto größer wird das offizielle CDU-Schweigen auf solche Nachfragen. Aber wir werden sehen.

Aktuelle Migliederzahlen der Thüringer CDU: Mit aktuell 7.800 Mitgliedern ist die CDU die mitgliederstärkste Partei in Thüringen. Auf Platz zwei folgen Sozialdemokraten und Linke mit jeweils rund 3.500 Mitgliedern. Die AfD meldet knapp 1.500, die Grünen etwa 1.400 Parteimitglieder. Die FDP machte keine Angaben.

MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 19. November 2023 | 19:00 Uhr

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