Kommentar Causa Mario Voigt: Einstellung der Ermittlungen mit Ansage

14. November 2023, 11:51 Uhr

Nach über einem Jahr hat die Erfurter Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen CDU-Landeschef Mario Voigt eingestellt. Die Behörde hat keine hinreichenden Hinweise auf eine Bestechlichkeit Voigts festgestellt. Voigt war vorgeworfen worden, unzulässig an einem Auftrag der Europäischen Volkspartei an eine Jenaer Firma, für die er selber tätig war, mitgewirkt zu haben. Ein Kommentar von Guido Fischer.

Von einem "Freispruch erster Klasse" jubiliert die CDU. Ganz abgesehen davon, dass es Freisprüche erst am Ende von Gerichtsverfahren gibt, sehe ich das nüchterner. Es war vor allem eine Einstellung mit Ansage. Nicht nur, weil selbsternannte oder tatsächliche "Auskenner" schon seit Wochen mit der Botschaft durch Erfurt liefen, dass das Verfahren gegen Mario Voigt bald eingestellt werden dürfte. Vor allem auch, weil es von Anfang an unwahrscheinlich erschien, dass sich in Voigts Verhalten etwas Gerichtsverwertbares finden lässt.

Ja, Mario Voigt hat im Europawahlkampf 2019 als Digitalexperte der Europäischen Volkspartei mitgemischt. Und ja, Mario Voigt hat als Berater Honorare einer Jenaer Firma bezogen. Und ja, es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass er mitgeholfen hat, dass diese Jenaer Firma einen Auftrag eben der Europäischen Volkspartei bekam. Was aber von Anfang an klar gewesen sein dürfte, ist die Tatsache, dass Voigt keinesfalls diesen Auftrag vergeben konnte. Er hatte schlicht keine Prokura für die EVP.

Nebentätigkeiten rechtens

Als Abgeordneter hat Voigt auch besondere Rechte, was private Zuverdienste anbelangt. Abgeordnete dürfen im Gegensatz zu Regierungsmitgliedern bezahlten Nebentätigkeiten nachgehen. Dass dies in den seltensten Fällen justiziabel ist, haben schon die ungleich anrüchigeren Maskengeschäfte von Bundestagsabgeordneten gezeigt. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat diese als zulässig bewertet.

Politiker sind immer auch Lobbyisten. Wenn sie - wie im Fall Mario Voigt - einen Wahlkreis als direkt gewählter Abgeordneter im Parlament vertreten, wird geradezu erwartet, dass sie sich nicht nur für Vereine und Verbände, sondern auch um die Wirtschaft ihres Wahlkreises kümmern. Minister, Ministerpräsidenten und auch der Kanzler reisen mit Wirtschaftsdelegationen um die Welt, um Geschäfte anzukurbeln. Tun sie das nicht, droht ihnen die Abwahl. Bei dieser Gratwanderung hat sich Mario Voigt offenbar korrekt verhalten. Das sieht auch die Staatsanwaltschaft so.

Bessere Chancen im Wahlkampf

Was bedeutet das für den Politiker Mario Voigt? Er kann nun unbelastet als CDU-Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf starten. Seine Nominierung ist nur noch Formsache. Er hofft, dass er in einem Jahr als neuer Hausherr in die Staatskanzlei einzieht.

Doch auch wenn seine Chancen mit der heutigen Entscheidung gestiegen sind - der Weg dorthin bleibt steinig. Die CDU dümpelt in Umfragen nach wie vor um die 20-Prozent-Marke. Eine Regierung ohne eine irgendwie geartete Kooperation mit Linke oder AfD erscheint aus heutiger Sicht unrealistisch. Und dann muss Voigt noch seine persönlichen Werte aufpolieren. Bisher liegt er nicht nur meilenweit hinter Amtsinhaber Bodo Ramelow, sondern sogar knapp hinter dem Rechtsextremisten Björn Höcke.

Keine Samthandschuhe

Und was heißt das für die Justiz? Müssen künftig Verfahren gegen Politiker rascher eingestellt oder gar nicht erst eröffnet werden, wenn die Aussichten auf eine Anklage gering sind? Wer so etwas fordert, hat den Rechtsstaat nicht verstanden. Alle Ermittlungen werden grundsätzlich ergebnisoffen geführt. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen nicht nur nach belastendem, sondern auch nach entlastendem Material suchen.

Darüber hinaus wäre es ein fatales Signal, wenn Politiker von der Justiz mit Samthandschuhen angefasst würden. Wer nicht nur vom Steuerzahler bezahlt wird, sondern auch entscheidet, wie unser aller Geld, das Geld des Staates, ausgegeben wird, muss besonders streng geprüft werden. Wenn Politiker jetzt schnellere Verfahren anmahnen, könnten sie dazu selbst beitragen. Etwa indem sie endlich die immer größeren Personallücken bei Polizei, Gerichten und Staatsanwaltschaften schließen.

MDR (guf/sar)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 13. November 2023 | 19:00 Uhr

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