Umgang mit Thüringer AfD-Landesverband Polizeiführung erinnert Beamte an Verfassungstreue

13. August 2021, 05:00 Uhr

Seit dem Frühjahr 2021 hat der Verfassungsschutz die Thüringer AfD als rechtsextremistisch eingestuft. Das hat nun Folgen bei der Thüringer Polizei. In einem internen Schreiben werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihre Pflicht zur Verfassungstreue erinnert und amtlich belehrt. Das Dokument zielt offenbar besonders auf AfD-Mitglieder in der Polizei. Das Innenministerium sieht in der Belehrung kein Problem.

Thomas Quittenbaum ist schon lange an Bord der Thüringer Polizei. Doch ein solches Schreiben dürfte auch er in seiner langen Beamtenlaufbahn noch nicht verfasst haben. Er ist aktuell als Vize-Präsident der Landespolizeidirektion der ranghöchste Polizeibeamte im Freistaat.

Sein ehemaliger Boss, Frank-Michael Schwarz, sitzt seit neustem als künftiger Polizeiabteilungsleiter im Innenministerium, weshalb der Sessel des Polizeipräsidenten vakant ist. Damit kam es nun Quittenbaum zu, ein brisantes Schreiben an über 6.000 Polizeibeamte und Angestellte in Thüringen zu verfassen. Es geht um den heiklen Umgang mit der Frage: Was passiert, wenn ein Polizeibeamter oder eine Polizeibeamtin Mitglied in der AfD und gleichzeitig aktiv im Dienst ist?

Thüringer AfD als rechtsextrem eingestuft

Hintergrund dieser Frage ist der Umstand, dass der Thüringer Verfassungsschutz den Thüringer AfD-Landesverband im Frühjahr dieses Jahres als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft hatte. Das bedeutet, die Thüringer AfD kann vom Geheimdienst mit sogenannten nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden.

Dazu gehören der Einsatz von V-Leuten oder das Abhören von Telefonen. Die AfD ist aus Sicht des Verfassungsschutzes als extremistisch anzusehen, weil bei ihr Bestrebungen erkennbar seien, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährden.

Diensteid auf Verfassungstreue abgelegt

Genau auf diese freiheitlich-demokratische Grundordnung haben aber alle Polizisten in Thüringen ihren Diensteid abgelegt. Dazu haben sie sich bei ihrer Diensteinstellung zur sogenannten Verfassungstreue verpflichtet. Das alles leitet sich aus dem Grundgesetz und dem Beamtenstatusgesetz ab. Eine komplexe juristische Materie, die auch dem Schreiben von Thomas Quittenbaum zu entnehmen ist.

In dem dreiseitigen internen Papier, das MDR THÜRINGEN vorliegt, heißt es: "Die durch den jeweiligen Amtseid begründete Pflicht zur Verfassungstreue von Beamtinnen und Beamten, aber auch durch vertraglich eingegangene Bindungen von Angestellten im Öffentlichen Dienst, ist erwiesenermaßen immer dann verletzt, wenn sich Bedienstete aktiv für Ziele einsetzen, welche mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar sind."

Da Quittenbaum und seine Chefs im Thüringer Innenministerium dies nach der Einstufung durch den Verfassungsschutz so bei der AfD Thüringen sehen, ist das der Anlass für eine aktuell amtliche Belehrung in der Thüringer Polizei.

Einzelfallprüfung bei AfD-Mitgliedschaft

Nun steht aber die Polizeiführung vor einer heiklen Frage: Ab wann verstößt ein Polizeibeamter oder eine Polizeibeamtin gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Zusammenhang mit der AfD? Ob Polizisten die Partei wählen ist geheim, weil das durch das Wahlgesetz gedeckt ist. Daraus lässt sich ein solcher Verstoß nicht ableiten.

Bleibt die Mitgliedschaft in der AfD. Aber reicht der bloße Besitz eines AfD-Parteibuches aus, um gegen einen Beamten oder eine Beamtin wegen Verstoßes gegen die Verfassungstreue vorzugehen? Quittenbaum bleibt bei diesem Punkt in dem Schreiben im Ungefähren. Dort heißt es:

Im Rahmen einer dann vorzunehmenden Einzelfallprüfung sind, neben dem Aspekt etwa einer eventuellen Mitgliedschaft im AfD-Landesverband Thüringen, weitere Kriterien bzw. Anhaltspunkte zu prüfen, die in ihrer Gesamtschau zur Beurteilung durch den Dienstherrn heranzuziehen sind.

Welche Kriterien oder Anhaltspunkte das sind, lässt Quittenbaum in dem Papier offen. Aber allein die Tatsache, dass der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremistisch eingestuft hat, ist offenbar schon ein gewichtiges Argument und könnte für einen Polizeibeamten als AfD-Mitglied zumindest eine disziplinarrechtliche Prüfung nach sich ziehen.

Doch auf Nachfrage heißt es, dass nicht aktiv überprüft werde, ob ein Polizist oder eine Polizistin Mitglied in der AfD ist. Sprich: Wer einfaches AfD-Mitglied ist, ohne öffentlich erkennbare Aktivitäten, der dürfte kaum etwas zu befürchten haben.

Polizisten müssen Belehrung unterschreiben

Interessant ist der Aspekt, dass dem Innenministerium und auch der Polizeiführung der Amtseid der Beamtinnen und Beamten zur Verfassungstreue, den sie alle zu ihrem Dienstantritt geleistet haben, offenbar im Bezug zur aktuellen AfD-Einstufung nicht ausreicht. Denn dem Schreiben von Quittenbaum hängt eine zweiseitige Belehrung an.

Die Dienststellenleiter in der Thüringer Polizei sind verpflichtet, ihre Mitarbeiter über die Einstufung der AfD als extremistisch zu informieren und sie über ihre Pflicht zur Verfassungstreue zu belehren. Das Ganze muss dann auch aktenkundig gemacht werden und die Beamten müssen unterschreiben.

Auf MDR THÜRINGEN-Nachfrage was denen passiert, die sich weigern, die Belehrung zu unterschreiben, heißt es aus dem Innenministerium: "Dies ist grundsätzlich abhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls, gegebenenfalls sind disziplinarische oder arbeitsrechtliche Maßnahmen zu prüfen."

Polizeigewerkschaften unterstützen Belehrung

Trotzdem legt das Ministerium Wert auf die Feststellung, dass eine solche Belehrung bei der Polizei zur normalen Vorgehensweise gehöre und den Standards entspreche. So werde sichergestellt, dass alle Beamtinnen und Beamte den Inhalt der Belehrung kennen. Die Thüringer Polizeigewerkschaften sehen in der Belehrung ebenfalls kein Problem. Thomas Scholz von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte:

Eine solche Belehrung ist ein Achtungszeichen, das den Kolleginnen und Kollegen sagt, achtet auf euer Verhalten.

Thomas Scholz

Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Jürgen Hoffmann erklärte, dass die Belehrung im Zusammenhang mit der Einstufung der AfD richtig sei. "Damit ist klar, wer in diese Partei eintritt, erklärt sich mit ihren Zielen einverstanden, das sollte jedem Polizisten bewusst sein", so Hoffmann. Bis spätestens zum 1. Oktober dieses Jahres müssen alle Beamten und Angestellten in der Polizei über die Einhaltung der Verfassungstreue im Umgang mit der AfD belehrt worden sein.

Rundschreiben über AfD in Landesverwaltung

Doch der Fall der Thüringer AfD hat auch Folgen in anderen Bereichen der Landesverwaltung, wenn auch nicht so gravierende. Nach Auskunft der Thüringer Staatskanzlei hat es in einer ganzen Reihe von Ministerien entsprechende Rundschreiben gegeben. In diesen seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darüber informiert worden, dass die Thüringer AfD durch den Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft worden sei.

Auch in diesen Schreiben wird an die Verfassungstreue erinnert, über die jeder Mitarbeiter bei seiner Einstellung in den Landesdienst belehrt worden sei. Allerdings gibt es keine Belehrungen, die entsprechend unterzeichnet werden müssen, wie bei der Polizei.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 13. August 2021 | 08:00 Uhr

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