Kommunalpolitik Neun Namen auf Wahlliste für Oberbürgermeisterwahl in Dresden
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10. Juni 2022, 21:39 Uhr
Dresden - barockes Elbflorenz mit unschätzbaren Kunstschätzen, Touristenmagnet und sächsische Landeshauptstadt mit mehr als 500.000 Einwohnern. Die nach Leipzig zweitgrößte Stadt im Osten ist dieses Jahr Schauplatz der Kommunalwahlen. Acht Männer und eine Frau streben das Oberbürgermeisteramt an. MDR SACHSEN stellt sie vor. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden am 12. Juni.
Inhalt des Artikels:
- Neun Kandidierende zur Wahl
- Kandidat der Piraten: Radikales Umsteuern in Verkehrspolitik
- Die PARTEI versucht, Dresden vor den Maschinen zu retten
- Mitbegründer von "Querdenken 351" bevorzugt den Runden Tisch
- Einzelbewerber Wolff möchte statt Querdenken nun Mitgestalten
- Amtierender Oberbürgermeister will weitermachen
- Grünen-Kandidatin strebt mehr Klimaschutz an
- AfD-Kandidat vertritt die politischen Rechten
- Linke-Kandidat gegen rechte Auswüchse
- SPD-Kandidat setzt auf den Wohlfühlfaktor
Neun Kandidierende zur Wahl
Wer wird die Geschicke für die kommenden sieben Jahre in der Landeshauptstadt Dresden lenken? Acht Männer und eine Frau streben nach dem Oberbürgermeisteramt. Am 12. Juni entscheiden die Dresdner und Dresdnerinnen, wer demnächst die Verwantwortung für ihre Stadt übernehmen wird. Zur Wahl stehen:
- Eva Jähnigen (Grüne)
- Albrecht Pallas (SPD)
- Maximilian Krah (AfD)
- André Schollbach (Linke)
- Dirk Hilbert (Verein Unabhängiger Bürger für Dresden)
- Martin Schulte-Wissermann (Piraten)
- Marcus Fuchs (Einzelbewerber)
- Sascha Wolff (Einzelbewerber)
- Jan Pöhnisch (Die PARTEI)
Kandidat der Piraten: Radikales Umsteuern in Verkehrspolitik
Dresden sei die kleinste Großstadt der Welt. Hier gebe es alles, man müsse es nur finden, sagt Martin Schulte-Wissermann, Jahrgang 1971. Er ist Mitglied der Piraten Dresden und der Dissidenten-Fraktion im Stadtrat. Der Wahldresdner hat hier in der Landeshauptstadt Physik studiert. Seit 2014 sitzt er im Stadtrat.
Ich stehe für Standfestigkeit und Hartnäckigkeit. Was ich sage, mache ich auch. Das habe ich die letzten 25 Jahre in Bürgerinitiativen wie die 'Königsbrücker muss leben' oder 'Wohnen am Leipziger Bahnhof' bewiesen.
"Ich stehe für Standfestigkeit und Hartnäckigkeit. Was ich sage, mache ich auch", so Schulte-Wissermann. Das habe er die letzten 25 Jahre in Bürgerinitiativen wie die "Königsbrücker muss leben" oder "Wohnen am Leipziger Bahnhof" bewiesen. Statt 15.000 würden nur noch 10.000 Autos täglich auf der Königsbrücker Straße fahren. Trotzdem solle sie nach einem Beschluss von 2016 vierspurig ausgebaut und 120 Bäume gefällt werden. Für Schulte-Wissermann ist das der falsche Weg. Sein Plan: Radikales Umsteuern in der Klima- und Verkehrspolitik.
Man müsse die Stadt der kurzen Wege endlich angehen, sagt der 51-Jährige. Das Bauen immer neuer Einkaufszentren irgendwo am Rand der Stadt müsse aufhören. "Wir müssen wieder unser Leben in die Stadt verlagern. Wohnen, Arbeiten und Freizeit im eigenen Viertel oder mehr im angrenzenden Viertel", so der Piraten-Kandidat.
Die PARTEI versucht, Dresden vor den Maschinen zu retten
Den ersten Termin lässt er verstreichen. Einige Tage später schafft es Jan Pöhnisch dann doch noch zum Interview. Pöhnisch ist Jahrgang 1990, Mitglied bei der Satirepartei Die PARTEI und von Beruf Sozialarbeiter. Als jüngster Kandidat sieht er sich als Vertreter der Jugend, der die Gefahren der Digitalisierung im Blick hat. Es brauche nur einen einzigen Computervirus oder einen Angriff von einem mies gelaunten Hacker und schon würden sich die Maschinen gegen Dresden erheben und versuchen die Stadt zu versklaven, ist sich Pöhnisch sicher.
Aus diesem Grund will der Satirepolitiker alle notwendigen Haushaltsmittel dafür einsetzen, eine leistungsfähige elektromagnetische Impulsbombe zu bauen. Die soll im Fall der Fälle eingesetzt werden, wenn Verteidigung nötig ist. "Alles andere wäre Wahnsinn."
Es braucht nur einen Computervirus oder einen Angriff von einem mies gelaunten Hacker und schon werden sich die Maschinen gegen Dresden erheben und versuchen Dresden zu versklaven.
Der Kandidat der Satire-Partei sei immer auf der Suche nach dem Sinn. Warum er kandidiert, weiß er ganz genau: "Ich glaube, die Dresdner und Dresdnerinnen an sich sind sie ein eher schlichtes Völkchen, vergleichbar mit Bauern aus der Provinz und sie brauchen einfach eine Führungspersönlichkeit."
Mitbegründer von "Querdenken 351" bevorzugt den Runden Tisch
Ein echter "Bürger"-Meister wolle er werden - Marcus Fuchs, Mitbegründer der Initiative "Querdenken 351". Der IT-Projektmanager ist Jahrgang 1983 und als Einzelbewerber unter dem Stichwort "Dresden verdient Größe #197" angetreten. "Ich kenne die Sorgen und Nöte, kann tatkräftig zupacken. Das habe ich in den letzten zwei Jahren ausführlich bewiesen", sagt Fuchs. Er sei kein Berufspolitiker, sondern komme mitten aus der Bevölkerung.
Ich bin kein Berufspolitiker, sondern komme mitten aus der Bevölkerung. Ich kenne die Sorgen und Nöte, kann tatkräftig zupacken, das habe ich in den letzten zwei Jahren ausführlich bewiesen.
Diese letzten zwei Jahre hat der führende Kopf der Querdenken-Bewegung regelmäßig Kritiker der Corona-Maßnahmen, radikale Impfgegner bis hin zu Reichsbürgern zu Demonstrationen mobilisiert. Konfrontationen mit der Polizei in Zeiten verschärfter Hygienemaßnahmen blieben nicht aus. Als künftiger Oberbürgermeister würde er nicht mehr spalten wollen, sondern möchte lieber an den Runden Tisch zu bestimmten Themen einladen: "Die Menschen ins Gespräch bringen, diesen Debattenraum leben, den Dialog führen, das ist essentiell für die Demokratie. Und diese Toleranz ist ein ganz wesentlicher Bestandteil, um die Gesellschaft wieder zusammenzuführen, also die Spaltung zu überwinden."
Einzelbewerber Wolff möchte statt Querdenken nun Mitgestalten
Mit Sascha Wolff strebt ein weiterer Kopf der Querdenken-Bewegung den Chefsessel im Rathaus an. Der Einzelbewerber ist Jahrgang 1969, von Beruf Zimmermann und Diplomingenieur. Sein Motto lautet "Vielfalt für Dresden". Wolff wurde als Maskenverweigerer vor Gericht zu einem Bußgeld verurteilt.
Die größte Herausforderung für die Stadt Dresden ist die Wiederentdeckung der Gemeinsamkeit in der Stadt, sozusagen wie eine Familienstadt der Stadtfamilien neu zu etablieren und zu entdecken.
In Dresden habe er mittlerweile etwa 60 Mal aus Grundgesetz und Verfassung gelesen, um diese Texte und Ideen den Menschen der Stadt wieder näher zu bringen, so Wolff. "Insofern denke ich, ich habe da keine Probleme mit dem Gemeinwesen." Bürgerentscheide, Gesprächsforen und Mitgestaltungsaktionen stellt er sich vor. "Die größte Herausforderung für die Stadt Dresden ist die Wiederentdeckung der Gemeinsamkeit in der Stadt, sozusagen wie eine Familienstadt der Stadtfamilien neu zu etablieren und zu entdecken, um mit der Kraft der Familien in die Zukunft der Stadt zu gehen."
Amtierender Oberbürgermeister will weitermachen
Der amtierende Chef im Rathaus will es wieder wissen. Dirk Hilbert, Jahrgang 1971, tritt an mit dem Verein "Unabhängige Bürger für Dresden". Seine FDP-Mitgliedschaft ruht. Es gab Beschwerden gegen seine Wahlzulassung, die die Landesdirektion als unbegründet zurückwies. Jetzt will Hilbert mit sieben Jahren Erfahrung an der Stadtspitze punkten.
Die Stadtverwaltung mit ihren Eigenbetrieben und den insgesamt mehr als 20.000 Beschäftigten sei ein richtiger Großkonzern. "Deswegen ist es wichtig zu wissen, an welchen Strippen muss man ziehen, welche politischen Ziele hat man und wie kann man sie umsetzen und das glaube ich, bringe ich mit", so Hilbert.
Ich möchte 10.000 Wohnungen in der kommunalen Wohnungsgesellschaft bis 2036 bauen. Warum so viel? Weil wir dann unsere Belegrechte bei der Vonovia verlieren und sie uns teuer am Markt einkaufen müssten und deswegen sollten wir gut daran tun, eine gewisse Grundlage im eigenen Beritt zu haben.
In den vergangenen sieben Jahren habe sich die Bautätigkeit in Dresden nahezu verdoppelt. Das ist laut Hilbert auch dringend notwendig: "Ich möchte 10.000 Wohnungen in der kommunalen Wohnungsgesellschaft bis 2036 bauen. Warum so viel? Weil wir dann unsere Belegrechte bei der Vonovia verlieren und sie uns teuer am Markt einkaufen müssten und deswegen sollten wir gut daran tun, eine gewisse Grundlage im eigenen Beritt zu haben." Defizite gebe es beim Hausbau für junge Familien. Hier müsse die Stadt mit Angeboten für Standorte nachlegen.
Grünen-Kandidatin strebt mehr Klimaschutz an
Dresden müsse bezahlbaren Wohnraum bieten, dürfe aber nicht zugebaut werden, sagt Eva Jähnigen. Die Grünen-Politikerin ist Jahrgang 1965 und Dresdner Umweltbürgermeisterin. 2008 ging sie schon einmal mit einer OB-Kandidatur ins Rennen, war für die Grünen danach im Sächsischen Landtag.
Jähnigen hat in ihrer beruflichen Laufbahn verschiedene Metiers kennengelernt. Sie arbeitete als Werkzeugmacherin und als Krankenschwester. "Nach der Wende bin ich Juristin geworden, habe mich mit Verwaltung beschäftigt und 2015 habe ich mich dafür entschieden, die Oppositionsbänke zu verlassen und in die Verwaltung als Bürgermeisterin zu gehen, um Dinge zu verändern."
Die wenigsten Klimaschutzmaßnahmen werden im Ressort der Umweltbürgermeisterin realisiert. Entscheiden muss der Oberbürgermeister und genau deswegen bewerbe ich mich als OB, um diese Aufgaben besser zu erfüllen, schneller mit dem Klimaschutz voranzukommen.
Natur und Mensch mehr Raum geben, für eine natürliche Kühlung im Sommer, das ist eines von Jähnigens Zielen. Als Umweltbürgermeisterin habe sie nicht alles Wünschenswerte umsetzen können, sagt sie selbstkritisch. "Die wenigsten Klimaschutzmaßnahmen werden im Ressort der Umweltbürgermeisterin realisiert. Entscheiden muss der Oberbürgermeister, wie legen wir die Prioritäten beim Verkehr, bei der Wärmeversorgung, bei der Energie und genau deswegen bewerbe ich mich als OB, um diese Aufgaben besser zu erfüllen, schneller mit dem Klimaschutz voranzukommen und klare Prioritäten zu setzen."
AfD-Kandidat vertritt die politischen Rechten
An die politsche Spitze der Landeshauptstadt will auch Maximilian Krah. Er ist Jahrgang 1977, Mitglied der AfD und Abgeordneter im EU-Parlament. Im AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes wird er erwähnt, weil er regelmäßig das Wort "Umvolkung" benutze. Krah gilt als gut vernetzt, auch mit der extremen Rechten in ganz Europa.
"Ich bin ein Vertreter der politischen Rechten, der demokratischen politischen Rechten. Ich bin kein Linker. Nie gewesen. Und wenn wir auf Dresden schauen, haben wir einen OB, der sich selbst in der linken Mitte verortet, und er ist mit der Aufgabe, die Stadt zu einen, grandios gescheitert."
Ich bin ein Vertreter der politischen Rechten, der demokratischen politischen Rechten. Ich bin kein Linker. Nie gewesen.
Querdenkern wolle er nicht den Stinkefinger zeigen, sondern sie ins Rathaus einladen. Dass Pegida und Querdenken-Demos investitionswillige Unternehmen und ausländische Arbeitskräfte verschrecken könnten, befürchtet der OB-Kandidat nicht. Im Gegenteil. Krah ist sich sicher, dass gerade eine Reihe von Mittelständlern bereit sei hier zu investieren, dass sich Leute hier eine Wohnung kaufen, Eltern ihre Kinder hier zum Studium schicken. "Wir kriegen mehr Leute, wir kriegen andere und ich behaupte, wir kriegen bessere."
Linke-Kandidat gegen rechte Auswüchse
Bezahlbaren Nahverkehr und bezahlbare Mieten will André Schollbach zur Chefsache machen. Der Rechtsanwalt ist Jahrgang 1978, Mitglied der Linken und Fraktionschef im Stadtrat. Er möchte dafür sorgen, dass "dieses unsägliche Monopoly" in Dresden auf dem Wohnungsmarkt aufhört. "Wir benötigen eine aktive Grundstückspolitik, wo wir eben nicht weiter Grundstücke verscherbeln, sondern sie selbst nutzen." Man müsse in den sozialen Wohnungsbau investieren und brauche eine Mietpreisbremse.
Wir müssen investieren in den sozialen Wohnungsbau, wir brauchen endlich eine Mietpreisbremse und wir benötigen eine aktive Grundstückspolitik, wo wir eben nicht weiter Grundstücke verscherbeln, sondern sie selbst nutzen.
Auch die soziale Spaltung sei eine Gefahr. Rechte Hetzer würden die Stadt für ihre Zwecke missbrauchen. "Diese rechten Auswüchse, diese rechten Umtriebe, die gefährden auch den Wirtschaftsstandort Dresden." Das erfahre er aus vielen Gesprächen mit Wissenschaftlern und Unternehmern. "Die sagen mir alle das Gleiche, dass nämlich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Fachkräfte Sorge haben, nach Dresden zu kommen. Und deswegen müssen wir da ganz dringend was verbessern."
SPD-Kandidat setzt auf den Wohlfühlfaktor
Die Landeshauptstadt steht vor der größten Modernisierungsaufgabe seit 1990, findet Albrecht Pallas. Dem will sich der SPD-Landtagsabgeordnete, Jahrgang 1980, stellen. Er kenne die Stadt aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, habe als Polizist in der Stadt gearbeitet, war Stadtrat. "Ich bin jetzt seit 2014 Landtagsabgeordneter und kümmere mich in der Landespolitik eben auch um die Interessen der Menschen in Dresden und all das werfe ich in die Waagschale."
Es sind Flächen verdichtet worden und natürlich sind dabei Freiflächen weggefallen, kulturelle Flächen, Flächen für Jugendliche und junge Erwachsene. Wichtig ist neben Bauen und Entwicklung, dass wir wieder solche Orte für junge Menschen schaffen.
Trotz der guten Entwicklung müsse ein Stadtoberhaupt im Blick haben, dass ein Drittel der Arbeitnehmer hier nur Niedriglohn bekomme, so Pallas. Das sei doppelt bitter angesichts der steigenden Wohnkosten. "Es sind Flächen verdichtet worden und natürlich sind dabei Freiflächen weggefallen, kulturelle Flächen, Flächen für Jugendliche und junge Erwachsene. Und das ist ein Problem, weil diese vielleicht das Gefühl haben, Dresden ist vielleicht doch nicht meine Stadt." Einige überlegten wegzuziehen, manche kämen nicht her. "Wichtig ist neben Bauen und Entwicklung, dass wir wieder solche Orte für junge Menschen schaffen," betont Pallas.
MDR (rh/ma)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 25. Mai 2022 | 19:00 Uhr