Haushaltsdebatte Üppiger Doppelhaushalt macht Landtagsfraktionen Sorgen
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29. August 2022, 18:42 Uhr
Sachsen braucht für die Jahre 2023/2024 einen neuen Haushalt. Das Kabinett hatte sich schon geeinigt. Aber die Fraktionen im Sächsischen Landtag müssen darüber beraten und abstimmen. Es geht um so viele Milliarden Euro wie nie, die auf rund 4.500 Seiten im Planentwurf aufgeschlüsselt sind. Nach der Sommerpause haben die Fraktionen ihre ersten Eindrücke kundgetan. Damit sind die Abstimmungsrunden eröffnet. Jetzt müssen sich die Ausschüsse mit den Details befassen.
Sachsen wird mit dem neuen Doppelhaushalt für 2023 und 2024 fast alle seine finanziellen Reserven aufbrauchen. "Durch Rücklagen kann planmäßig jedenfalls nichts mehr abgefangen werden", sagte Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) am Montag bei der Einbringung des Etats im Landtag. Die Rücklagen seien weitgehend aufgebraucht. Er hätte sich "zumindest an der einen oder anderen Stelle etwas mehr Zurückhaltung bei den Ausgaben gewünscht, um so noch einen Notgroschen in petto zu haben". Der Minister appellierte an die Abgeordneten, die Haushaltsausgleichsrücklage schnellstmöglich wieder zu erhöhen, sobald das die Lage zulasse.
Grunderwerbssteuer soll steigen
700 Millionen Euro will der Finanzminister zur Tilgung der Corona-Kredite nehmen, aber die sächsische Schuldenbremse nicht antasten. Sachsen hatte sich per Verfassung 2014 verboten, Schulden für Investitionen aufzunehmen. Ausnahmen gelten nur nach Katastrophen oder Hochwasser. Vorjohann kündigte aber an, die Grunderwerbssteuer anzuheben. Immobilienkäufer müssen bislang 3,5 Prozent nach Kauf eines Grundstückes oder Anteils Steuern ans Land Sachsen bezahlen. Das soll gemäß Entwurf auf 5,5 Prozent steigen. In anderen Bundesländern wie Brandenburg und Thüringen beträgt diese Steuer 6,5 Prozent.
Was sind die Eckpunkte des geplanten Haushaltes für 2023 und 2024?
- Für 2023 sind rund 24 Milliarden Euro eingeplant. Für 2024 sind es 24,9 Milliarden.
- Das Gesamtvolumen umfasst knapp 49 Milliarden Euro. Damit will Sachsen fünf Milliarden mehr ausgeben als noch 2021/2022.
- Für die Städte und Kommunen ist ein Drittel des Haushaltes vorgesehen (8 Milliarden Euro). Das ist gesetzlich vorgeschrieben.
- Die Investitionsquote steigt 2023 auf 17 Prozent (2022: 14 Prozent).
- Je 4 Milliarden Euro sollen pro Jahr in die Hochschulmedizin und den Schulhausbau gesteckt werden.
- Schulen: 730 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer sollen neu entstehen.
- Neue Stellen sind vorgesehen: 290 in Hochschulen und 50 in Berufsakademien.
- Innere Sicherheit: 518 neue Stellen bei der Polizei und 120 im Justizbereich.
- Verwaltung: Aufbau eines Expertenpools mit 80 Beschäftigten, um Verwaltungen bei der Digitalisierung zu helfen.
Erste Einschätzung im Überblick
Nach Vorstellung der Eckpunkte waren die Landtagsfraktionen dran. Deren Urteile reichten innerhalb der Koalitionsparteien von "nicht zustimmungsfähig" (Grüne) über "guten Seiten" mit Nachbesserungsbedarf (SPD) bis zu einem "Zeichen, dass der Freistaat selbstbewusst in die Zukunft schaut" (CDU). Die AfD nannte die Haushaltspläne eine "Bankrotterklärung" und die Linke "sozial ungerecht". Am Ende der Sitzung überwiesen die Fraktionen den Entwurf einstimmig in die Ausschüsse. Dort verhandeln die Abgeordneten nun weiter.
AfD gegen höhere Grunderwerbssteuer
AfD-Chef Jörg Urban kritisierte die Rekordausgaben von 49 Milliarden Euro und dass Rücklagen fast vollständig aufgebraucht würden. Die geplante Grunderwerbssteuer-Erhöhung und neue Stellen in der Verwaltung sendeten nach Urbans Meinung falsche Signale an die Bürger. "Inmitten der schlimmsten Krise will die Regierung Steuern erhöhen. Das ist eine Unverschämtheit." Stattdessen sollten in Krisenzeiten Bürokratie und Verwaltung verkleinert werden, sagte er.
Urban kritisierte geplante Fördergelder für E-Mobilität, für einen Klimafonds, Radverkehr, Ökolandbau, Fachstellen für Boden- und Wassermanagement und Projekte zur Demokratieförderung. 140 Millionen Euro Investitionen für Krankenhäuser fand der AfD-Chef zu gering und verwies auf die sächsische Krankenhausgesellschaft. Die hatte Ende Januar mitgeteilt, dass die notwendige Investitionsquote "weit hinter dem realen Bedarf" zurückliege. Die AfD vermisste im Entwurf Gründungsprämien für Unternehmen und eine Erhöhung des Meisterbonus.
CDU will Investitionen in neues Personal
Der Schatzmeister der CDU, Jan Löffler, sagte, die Bürger erwarteten "gerade in Krisenzeiten", dass "der Freistaat Sachsen selbstbewusst in die Zukunft schaut". Er bezog sich damit auf die gestiegene Investitionsquote des Landes (von 14 auf 17 Prozent) und dass mehr Geld für Straßenbau, Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen ausgegeben werden soll. Investitionen in die Zukunft müssten auch mit Personalaufbau unterstützt werden. Löffler verteidigte die Pläne für mehr Personal bei Polizei, Justiz und in der Verwaltung.
Zugleich verlangte er jedoch, "Stellenzuwächse noch stärker zu hinterfragen". Denn: "Wir müssen auch immer die mittel- und langfristigen Folgen der Haushaltspolitik im Auge behalten", mahnte Löffler. Man könne sich nicht alle zwei Jahre von einem Rekordhaushalt zum nächsten hangeln. Mehrausgaben würden durch Rücklagen gedeckelt. Doch müsse man die erst erwirtschaften.
Linke vermisst Entlastungen und soziale Gerechtigkeit
"Den Stempel sozialer Gerechtigkeit sollte auch der nächste Haushalt tragen", verlangte Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt. Er habe den Eindruck, dass die Regierung die Bürger "nicht wirklich entlasten" wolle. Stattdessen habe er "an vielen Stellen ein ausdrückliches Weiter so" im Etat-Entwurf gelesen. Seine Partei wolle sich in den Haushaltsverhandlungen für Entlastungen für Familien, Eltern und Sozialschwache einsetzen. Außerdem müssten mehr Lehrer nach echtem Bedarf eingestellt werden.
Der Freistaat kann wenigstens einen Teil der Kita-Elternbeiträge übernehmen, das rasant verteuerte Kita- und Schulessen kostenlos machen, bedürftige Familien mit einem Gutscheinprogramm für Freizeit und mit dem Familienpass unterstützen.
Das Land sollte nach Meinung der Linken den sozialen Wohnungsbau in Dresden und Leipzig verstärken, mehr Geld für Krankenhäuser ausgeben und ein neues Vergabegesetz mit Mindestlöhnen auch für Leiharbeiter verabschieden, so Gebhardt. Und: "Sachsen muss endlich den Turbo anschieben bei regenerativen Energien!"
Grüne wollen für Krisenbewältiger und Kultur kämpfen
Die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Franziska Schubert, beschrieb die Kernfrage, an der die Grünen Haushaltsdiskussion messen: "Leistet das, was vorgeschlagen wird, einen Beitrag, mit den Krisen umzugehen und findet auch noch politische Gestaltung statt?" Bei der Krisenbewältigung bezog sich Schubert auf die Folgen des russischen Angriffskriegs, Klimawandel und Energiewende. Überall da, wo sich Menschen und Unternehmen aufmachten, Krisen zu bewältigen, "muss Politik den Weg frei machen und fördern".
Auch sie kritisierte die geplante Anhebung der Grunderwerbssteuer und dass Sachsen an der Schuldenbremse festhalten will. Man werde darüber reden müssen, warum "die Kultur in ihrer Breite eine Nullrunde" hinnehmen soll. Investive Verstärkungsmittel (Geld zur Eigenbewirtschaftung) würden fast vollständig fehlen. Dann kam sie zum Punkt: "Für uns ist dieser Entwurf nicht zustimmungsfähig."
Es darf kein öffentliches Geld dafür verwendet werden, um etwas zu unterstützen, was uns in Krisen nichts hilft oder diese sogar noch verschärft.
SPD für mehr Innovationen und Hilfen
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Panter nannte Sachsens Haushaltspolitik in den vergangenen drei Jahren "solide, ehrlich, innovativ". Der Entwurf zum neuen Doppelhaushalt "erfüllt in seiner Gesamtheit nicht die drei Kriterien", urteilte er. Zwar gebe es gute Seiten bei Bildung und innerer Sicherheit. Er vermisse aber "langfristige Innovationsprojekte" mit denen man in Krisen punkten könne. Dass das Land ohne neue Schulden auskommen wolle, stattdessen Rücklagen verbrauche und die Schuldenbremse nicht anrühre, hält Panter für "Augenwischerei".
Unsere Aufgabe ist es, Sicherheit zu geben und nicht Unsicherheit zu schüren. Das ist möglich, wenn man pragmatisch denkt und Lösungen sucht.
Auch der SPD-Politiker sprach sich dafür aus, Lehrerstellen nach objektiven Schülerzahlen zu planen "und nicht nach Gusto des Finanzministers". Mit Blick auf steigende Energiekosten verlangte Panter ein Eingreifen des Staates. "Wir müssen über die Übergewinnsteuer sprechen und über Solidarabgaben von großen Vermögen." Panter warb für einen "Notfallfonds von Krisengewinnlern", für mehr Hilfe für die Tafeln und den Verbraucherschutz und dass auch Sachsen die Bürger entlastet. "Wir können nicht alles in Berlin abladen."
MDR (kk)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 29. August 2022 | 19:00 Uhr
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