Ehrenamt Mitgliederschwund gestoppt: Zahl Ehrenamtlicher in Sachsens Feuerwehren stabilisiert sich
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16. Februar 2023, 14:39 Uhr
Feuer löschen, Leben retten: Nachdem die Freiwilligen Feuerwehren in Sachsen in den vergangenen 15 Jahren Mitglieder verloren haben, scheint sich die Lage nun zu stabilisieren. Vor allem die Entwicklung der Jugendwehren gibt den Engagierten Grund zur Hoffnung.
- Die Jugendfeuerwehren sind laut Innenministerium die wichtigste Quelle für die Mitgliedergewinnung bei Freiwilligen Feuerwehren.
- Um den Mitgliederschwund der vergangenen 15 Jahre zu stoppen, sind Sachsens Freiwillige Feuerwehren kreativ geworden.
- Angehörige der Feuerwehren opfern viel Zeit zum Wohle der Gesellschaft.
Der große Schwund scheint überstanden: Knapp 43.000 Menschen in Sachsen engagieren sich bei den Freiwilligen Feuerwehren. Etwa jedes zehnte Mitglied ist weiblich. Darüber hinaus steigen laut Auskunft des Sächsischen Innenministeriums die Mitgliederzahlen der Jugendfeuerwehren: "Dieser Trend ist enorm wichtig. Die Jugendfeuerwehr bleibt die wichtigste Quelle zur Mitgliedergewinnung der Freiwilligen Feuerwehren", erklärt Silvaine Reiche vom sächsischen Innenministerium. Dabei betont sie, dass sich die ihr vorliegenden Zahlen auf das Jahr 2021 beziehen, aktuellere gebe es noch nicht. Recherchen von MDR SACHSEN und eine Umfrage unter Feuerwehren deuten darauf hin, dass der Mitgliederschwund in den Freiwilligen Wehren gestoppt ist. Dennoch engagieren sich noch immer deutlich weniger Menschen in der Freiwilligen Feuerwehr als noch vor 13 Jahren: Im Jahr 2010 waren es laut Statistik vom sächsischen Innenministerium fast 3.000 mehr Mitglieder als heute in ganz Sachsen.
Im Gegenzug dazu gab es im selben Zeitraum zwischen 2010 und 2020 in den Jugendfeuerwehren einen Zuwachs von etwa 4.500 Mitgliedern, wie aus einer Statistik des sächsischen Landesfeuerwehrverbandes hervorgeht. Ein Trend, der sich fortsetzt: Allein im vergangenen Jahr 2022 zählten die Jugendfeuerwehren demnach mit 6,4 Prozent Zuwachs mehr als 1.000 neue Mitglieder als noch im Vorjahr.
Werbekampagnen und Doppelmitgliedschaften
Also alles gut bei der Freiwilligen Feuerwehr in Sachsen? Ganz so einfach ist es nicht, sagt Daniel Bauer, stellvertretender Kreisbrandmeister im Vogtlandkreis auf Nachfrage von MDR SACHSEN. Die Feuerwehren müssen sich zum Teil viel einfallen lassen, um Mitglieder zu gewinnen: "Die aktuelle Situation in Bezug auf die Mitgliederzahl kann man nicht pauschalisieren. Einige Gemeinden im Vogtlandkreis sind - gemessen an ihrer Einwohnerzahl - gut aufgestellt, andere weniger gut. Es gibt auch Gemeinden, die machen deshalb Werbekampagnen, um Mitglieder zu gewinnen." Sein Kollege aus Görlitz sieht es ähnlich: "Die Situation in der Freiwilligen Feuerwehr bei uns ist nicht schlecht, könnte aber trotzdem etwas besser sein", sagt Björn Mierisch, Kreisbrandmeister in Görlitz.
Eine besondere Herausforderung sei es, die sogenannte Tagesbereitschaft abzudecken, also die Zeit zwischen 7 und 17 Uhr. Eine Möglichkeit dafür: noch mehr Menschen gewinnen, die sich in der Freiwilligen Feuerwehr engagieren. Einen anderen Lösungsweg sieht Mierisch in Doppelmitgliedschaften, denn viele Menschen arbeiteten nicht unbedingt dort, wo sie leben: "Die Mitglieder engagieren sich also in der Freiwilligen Feuerwehr in ihrem Wohnort und an ihrem Arbeitsort. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Wir beraten dazu auch andere Landkreise."
Wieder mehr Freiwillige in Sachsens Großstädten
In den sächsischen Großstädten scheint es in puncto Ehrenamt im Bereich der Freiwilligen Feuerwehr kein Grund zum Klagen zu geben: Laut einer aktuellen dpa-Umfrage der dpa steigt beispielsweise in Chemnitz die Zahl der ehrenamtlichen Einsatzkräfte seit Jahren kontinuierlich an, wie eine Sprecherin der Stadt mitteilte. Im vergangenen Jahr habe es einen Zuwachs von etwa fünf Prozent gegeben. Aktuell engagierten sich in den 15 Freiwilligen Feuerwehren in Chemnitz rund 400 Einsatzkräfte.
Auch in den 21 Ortswehren in Leipzig habe es im vergangenen Jahr einen leichten Anstieg gegeben, wie die Stadt mitteilte. Hier seien etwa 640 Freiwillige aktiv, hinzu kämen Mitglieder in den Alters- und Ehrenabteilungen, im Feuerwehrorchester und mehr als 350 Kinder und Jugendliche in Jugendfeuerwehren. Die Mitgliederzahlen in Dresden schwanken laut dergleichen Umfrage: Etwa 1.440 Kameradinnen und Kameraden haben die 21 Dresdner Stadtteilfeuerwehren.
Freiwillige Feuerwehr im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
Wer sich bei der Freiwilligen Feuerwehr engagiert, leistet viel für die Gesellschaft. Am Beispiel der Jahresstatistik des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wird das schnell deutlich: 3.170 Mal wurde die Freiwillige Feuerwehr hier im vergangenem Jahr alarmiert. 149.000 Stunden waren insgesamt 39.000 Einsatzkräfte im Dienste der Freiwilligen Feuerwehr unterwegs. Sie löschten Brände, leisteten technische Hilfe bei Verkehrsunfällen, rückten aus zu Fehlalarmen, beseitigten Unwetterschäden, unterstützten den Rettungsdienst und retteten 225 Menschen, wie Karin Kerber vom Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilte.
Doch die blanken Zahlen geben nur teilweise einen Eindruck. So wurden zwar laut Jahresstatistik im vergangenen Jahr insgesamt 318 Einsätze weniger gefahren, allerdings gingen all die Fahrten und Löscharbeiten im Zusammenhang mit den Waldbränden im Juli und August 2022 lediglich als ein Einsatz - nämlich als Katastrophe - in die Statistik ein.
Etwa 4.000 Feuerwehrangehörige engagieren sich laut Landratsamt aktiv im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, knapp neun Prozent davon sind Frauen. Auch hier hat sich die Mitgliederzahl positiv entwickelt: "Der Rückgang zwischen 2014 und 2017 unter diese 4.000 Aktiven konnte durch verschiedene 'Personalgewinnungsmaßnahmen' der Feuerwehren wieder wettgemacht werden", so Karin Kerber, Sprecherin des Landratsamts Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Auch sie verweist auf die gute Arbeit der Jugendfeuerwehren: "Sie sind ein wesentlicher Garant der Nachwuchsarbeit."
Feuerwehr als Ehrenamt
Nur die wenigsten Feuerwehrleute in Deutschland arbeiten hauptberuflich bei der Feuerwehr. Fast 95 Prozent engagieren sich ehrenamtlich. Für ihre Einsätze werden sie nicht bezahlt. Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr haben andere Berufe, die sie bei Alarm jederzeit schnell verlassen können müssen. Auch in der Freizeit werden sie zu Einsätzen gerufen. Bei Alarm geht es zuerst zum Feuerwehrhaus, wo Einsatzkleidung, Ausrüstung und Fahrzeuge bereitstehen.
Zuständig für den "abwehrenden Brandschutz" sind in Deutschland die Städte und Gemeinden. Wie diese kommunale Pflichtaufgabe genau ausgestaltet wird, legen Gesetze der Länder fest. In Sachsen müssen Städte ab 80.000 Einwohnern auch eine Berufsfeuerwehr haben.
Zeit opfern für das Wohl der Gesellschaft
Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren opfern viel freie Zeit zum Wohl der Gesellschaft - und das nicht nur, wenn es mal brennt. Auch Vorbereitung und Ausbildung gehören dazu, wie Karin Kerber deutlich macht: "Um sich für zu erwartende Einsätze hinreichend zu qualifizieren, wenden die Feuerwehrangehörigen einen Großteil ihrer Freizeit auf, um an Ausbildungen teilzunehmen, beziehungsweise auch selbst als Ausbilder tätig zu sein." Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge leisteten die ehrenamtlichen Ausbilder und Ausbilderinnen insgesamt knapp 5.000 Stunden Ausbildung, um bei 72 Lehrgängen insgesamt 950 Feuerwehrangehörige zu qualifizieren. Denn um bei Unwettern, Großschadenslagen oder anderen Einsätzen helfen zu können, bedarf es laut Kerber vieler theoretische und praktische Übungen.
Gut zu wissen: Ausfallhonorar für Arbeitgeber und Selbstständige Wenn Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr während ihrer Arbeitszeit zu Einsätzen gerufen werden, müssen Arbeitgeber den Lohn trotzdem zahlen. Auf Antrag werden die Kosten allerdings erstattet. Selbstständige können Verdienstausfälle geltend machen - pro Stunde höchstens 24 Euro. Pro Tag wird der Verdienstausfall für höchstens zehn Stunden erstattet. Sächsisches Staatsministerium des Innern
MDR (kav)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 11. Februar 2023 | 11:30 Uhr