Bau-Wettbewerb kurz vor Abschluss Leipziger Stasi-Zentrale: Architekturhistoriker fordert Erhalt
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31. Januar 2024, 15:07 Uhr
Auf dem Leipziger Matthäikirchhof soll ein neues Stadtquartier entstehen. Im Zuge dessen könnte die ehemalige Stasi-Zentrale abgerissen werden. Der Architekturhistoriker Arnold Bartetzky plädierte im Gespräch bei MDR KULTUR dafür, den Stasi-Bau aus den 1980er-Jahren zu erhalten und kreativ weiterzuentwicklen – aus Gründen des Denkmal-, aber auch des Klimaschutzes.
- Der Wettbewerb um die Neugestaltung des ehemaligen Stasi-Geländes auf dem Leipziger Matthäikirchhof steht kurz vor Abschluss.
- Der Architekturhistoriker Arnold Bartetzky hofft, dass die Stasi-Bauten aus den 80er-Jahren als Denkmal erhalten bleiben.
- Die Entwürfe für den neuen Matthäikirchhof werden in einer Ausstellung zu sehen sein.
In Leipzig wird eine Entscheidung um die künftige Gestaltung des Matthäikirchhofs, besser bekannt als ehemaliges Stasi-Gelände, erwartet. Der neue Entwurf für das Areal wird laut Stadtverwaltung am Donnerstag öffentlich bekanntgeben. Der Architekturhistoriker Arnold Bartetzky hofft, dass die Bauten der Stasi-Zentrale nicht abgerissen werden. Im Gespräch bei MDR KULTUR erklärte er: "Je mehr ich mich mit dem Areal beschäftigt habe, desto deutlicher bin ich für einen weitgehenden Erhalt und eine kreative Weiterentwicklung des Bestandes."
Wichtige DDR-Architektur auf dem Leipziger Matthäikirchhof
Die Stasi-Zentrale sei keine Architektur-Ikone, ist aber aus Sicht von Bartetzky dennoch erhaltenswert. Renommierte Künstler der DDR wie Karl-Heinz Adler und Friedrich Kraft hätten die Gebäude aus den 80er-Jahren mitgestaltet. Das spricht für den Architekturhistoriker eindeutig gegen einen Abriss. "Vor allem aber lassen sich die Bauten sanieren und mit einigen wenigen Eingriffen – einige Entwürfe weisen schon in die Richtung – freundlicher gestalten und zur Stadt hin öffnen, sodass dieser sehr großzügige Hof zu einem vielversprechenden öffentlichen Ort werden kann", erklärte der Experte.
Zwar würden sich viele Leipzigerinnen und Leipziger schon lange einen Abriss der Stasi-Zentrale wünschen, sagte Bartetzky. Es gebe aber auch einen Teil der Bevölkerung, der ganz anderer Meinung sei. Vor allem jüngere Generationen hätten mit dieser Art der Architektur keine Probleme, sondern würden sich "mit ihr vielfach identifizieren". Das hätten andere erfolgreiche Umnutzungen "vermeintlich hässlicher Architektur" bereits gezeigt, erklärte Bartetzky.
Leipziger Stasi-Zentrale als Denkmal bewahren
Für den Erhalt der ehemaligen Stasi-Zentrale spricht aus Sicht des Architekturhistorikers auch ihr Denkmalwert. Die Gebäude hätten gar eine geschichtspolitische Bedeutung: Die Stasi habe "sich hier in der Stadt ausgebreitet und festungsartig verschanzt", so Bartetzky. Die Bauten müssten deswegen vollständig erhalten bleiben, um "die Inanspruchnahme der Stadt durch die Stasi" zu veranschaulichen. "Nur so können die Bauten letztendlich die Geschichte erzählen", betonte er im Gespräch bei MDR KULTUR.
Abriss und Neubau sorgen für schlechte Klimabilanz
Als ein anderes wichtiges Argument gegen den Abriss nennt Bartetzky die Klimabilanz. Der Neubau von Gebäuden sei für einen beträchtlichen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich. Allein die Zementherstellung schlägt den Angaben des Architekturhistorikers zufolge mit acht Prozent zu Buche. "Das ist mehr als doppelt so viel wie der angeprangerte Flugverkehr. Ein Neubau ohne Not ist deshalb schlicht und ergreifend eine Klimasünde."
Ein Neubau ohne Not ist deshalb schlicht und ergreifend eine Klimasünde.
Darüber herrsche auch in der Fachwelt von Architektur und Stadtplanung Einigkeit. Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten mache sich etwa für eine Umbau- und Weiterentwicklungskultur stark, gemäß dem Motto "nicht immer abreißen und neu bauen". Bartetzky hofft, dass vom Wettbewerb um die Gestaltung des Matthäikirchhofs ein "Zeichen ausgeht, dass diese Notwendigkeit der Transformationen der Baugewohnheiten in Leipzig verstanden wurde."
Ausstellung zur Gestaltung des Leipziger Matthäikirchhofs geplant
Ursprünglich waren 66 Arbeiten beim Wettbewerb eingereicht worden. Inzwischen sind noch neun Architekturbüros in der engeren Auswahl. Unter ihren Entwürfen ist Bartetzky zufolge nur ein einziger, der den kompletten Abriss der DDR-Bauten auf dem Matthäikirchhof vorschlägt. Die restlichen Entwürfe sehen entweder einen Teilabriss der ehemaligen Stasi-Zentrale vor oder setzen sich für ihre weitgehende Erhaltung ein. Über den Siegerentwurf wird eine Jury unter dem Vorsitz von Professor Markus Neppl, einem Kölner Architekten und Stadtplaner, entscheiden.
Das fast zwei Hektar große, weitgehend ungenutzte Areal des Matthäikirchhofs soll zu einem neuen Stadtquartier entwickelt werden. Ausgangspunkt dieser Pläne ist die Entscheidung des Bundes zum Neubau eines zentralen Archivs für die sächsischen Stasi-Unterlagen und die Idee zu einem sogenannten Demokratiecampus, das "Forum für Freiheit und Bürgerrechte". Auch Kultureinrichtungen und Wohnungen sollen auf dem Gelände, das weitgehend der Stadt gehört, Platz finden. Alle Entwürfe für den neuen Matthäikirchhof sind ab dem 29. Februar in einer Ausstellung im Stadtbüro am Burgplatz zu sehen.
Quellen: MDR KULTUR, MDR SACHSEN, Stadt Leipzig / Redaktionelle Bearbeitung: vp
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 31. Januar 2024 | 08:10 Uhr