
Jubiläum 2025 Welche Geschichte hinter Leipzigs Themenjahr zur "Buchstadt" steckt
Hauptinhalt
03. März 2025, 15:14 Uhr
Leipzig wurde im 18. Jahrhundert zur Hauptstadt des deutschen Buchhandels. Im sogenannten "graphischen Viertel" zeichnen Verlage, Druckwerkstätten und Buchhandlungen das Stadtbild im Leipziger Osten. Die Buchmesse, die Gründung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Leipzig und die Deutsche Nationalbibliothek festigen den Ruf als Buchstadt. Ein großer Teil davon geht im Zweiten Weltkrieg verloren. Um daran zu erinnern und weil vieles bis heute die Stadt prägt, hat Leipzig 2025 ein Themenjahr ausgerufen: "Mehr als eine Geschichte. Buchstadt Leipzig". Mit zahlreichen Veranstaltungen soll auf die Bedeutung von Literatur und Buch hingewiesen werden.
- Im Osten von Leipzig gab es einst das sogenannte "Graphische Viertel" mit Verlagen, Druckwerkstätten, Buchbindereien und Buchhandlungen.
- Die Leipziger Buchmesse macht die Stadt über Jahrhunderte zum Zentrum des deutschen Buchhandels.
- Auch Ausbildungen rund um das Buch blicken auf eine lange Tradition in Leipzig, nicht nur an der Hochschule für Grafik und Buchkunst.
- Leipzig ist Bibliotheksstadt: 1912 wird in Leipzig die Deutsche Bücherei gegründet, die seit 1990 Teil der Deutschen Nationalbibliothek ist.
- Zahlreiche jüdische Autoren und Verleger ließen sich in Leipzig nieder.
Den Namen Buchstadt trägt Leipzig schon seit Jahrhunderten. Nachdem Johannes Gutenberg um 1440 den Buchdruck erfunden hat, dauert es zwar ein paar Jahrzehnte, bis ein Wanderdrucker aus Delitzsch 1481 das erste Buch in Leipzig druckte, doch bereits um 1500 gibt es in der Stadt elf Druckereien.
Im 17. Jahrhundert wird Leipzig zum zentralen Verlagsort, im 18. Jahrhundert schließlich zur "Hauptstadt des deutschen Buchhandels", wie es der Leipziger Verleger Philipp Erasmus Reich stolz erklärt. Auch die Gründung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im Jahr 1825, die Eröffnung der Deutschen Bücherei 1912 (später Teil der Deutschen Nationalbibliothek) sowie die Ansiedlung zahlreicher Unternehmen der Buchindustrie im Graphischen Viertel festigen den Ruf Leipzigs als Buchstadt.
Der Zweite Weltkrieg und die deutsche Teilung schaden diesem Ruf jedoch, jüdische Verleger werden vertrieben, Verlage wandern ab. Doch obwohl die Geschäfte fortan anderswo gemacht werden, bleibt Leipzig ein wichtiger Ort für Buchmenschen. Vor allem die Buchmesse und die Ausbildungsmöglichkeiten an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur und am Leipziger Literaturinstitut rechtfertigen weiterhin den Titel Buchstadt.
2025 hat Leipzig deshalb ein Themenjahr ausgerufen: "Mehr als eine Geschichte. Buchstadt Leipzig". Mit zahlreichen Veranstaltungen soll auf die Bedeutung von Literatur und Buch für die Stadt hingewiesen werden. Dabei lassen sich fünf verschiedene Facetten der Buchstadt erkennen.
Leipziger Graphisches Viertel als Heimat der Verlage
Im Laufe von fünf Jahrhunderten entsteht mit dem Graphischen Viertel ein von Verlagen, Druckwerkstätten, Buchbindereien und Buchhandlungen geprägter Stadtteil im Osten der Stadt. Hier siedeln sich Musikverlage wie Breitkopf & Härtel, C. F. Peters und legendäre Verlagshäuser wie F. A. Brockhaus, Philipp Reclam jun. oder der Kurt Wolff Verlag an.
Später kommen der Insel Verlag, der Gustav Kiepenheuer Verlag, der Seemann Verlag und der Klett Verlag hinzu. Eine illustre Reihe, hinter der sich zugleich eine komplizierte Geschichte um Verlagsgründungen, Verbote – etwa in der Zeit des Nationalsozialismus – und Umzüge verbirgt, die mit der deutschen Teilung einhergingen.
Heute wird das Verlagsleben der Stadt von kleineren, oft unabhängig arbeitenden Häusern bestimmt. Darunter der Klett-Kinderbuch-Verlag, der Verlag Seemann Henschel oder der Verlag Poetenladen. Andere Neugründungen der Nachwendezeit, wie der Plöttner Verlag oder Faber und Faber, haben inzwischen aufgeben müssen. Dennoch ist die Leipziger Verlagsgeschichte nicht zu Ende geschrieben. Dem musealen Teil steht einer der Aufbrüche, der Neugründungen und des Weitermachens gegenüber.
Leipziger Buchmesse prägt die Stadt
Bereits im Jahr 1632 übertrifft die Zahl der in der Messestadt Leipzig vorgestellten Bücher die der Frankfurter Buchmesse. Die Stadt wird zum Zentrum des deutschen Buchhandels. Ein Status, den sie bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verteidigen kann.
1946 findet die erste Buchmesse der Nachkriegszeit statt. In der DDR hat die Messe dann viele Gesichter: Leistungsschau der eigenen Buchproduktion, aber auch Loch in der Mauer und Begegnungsort zweier Welten. Das größte Interesse des Publikums gilt den Ständen der Verlage aus dem Westen. Aufgrund ihres subversiven Potenzials gerät die Messe in den Blick der Zensurbehörden.
Nach der Wiedervereinigung steht die Buchmesse vor einer schwierigen Zukunft. Und doch gelingt es ihr, sich ein weiteres Mal neu zu erfinden. Und zwar, indem sie ihren Fokus verschiebt, von einer reinen Handelsmesse hin zu einem lebendigen Publikumsevent. So trägt das begleitende Literaturfestival "Leipzig Liest" die Leipziger Buchmesse weit über die Grenzen des Messegeländes hinaus, mit Lesungen und Veranstaltungen in der ganzen Stadt.
Ausbildungen rund ums Buch
Schon 1853 wird in der Alten Buchhändlerbörse die Buchhändler-Lehranstalt gegründet. Heute werden in der Gutenbergschule nicht nur Buchhändler und Medienkaufleute, sondern auch Mediengestalter, Drucker und Buchbinder ausgebildet.
Ein weiterer Leuchtturm der Stadt ist die Hochschule für Grafik und Buchkunst, die mit ihrer Gründung im Jahr 1764 zu den ältesten Kunsthochschulen Deutschlands zählt. Das Deutsche Literaturinstitut, 1955 eröffnet, ist lange die einzige Hochschule im deutschsprachigen Raum, an der man literarisches Schreiben lernen kann.
Die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur im Süden von Leipzig wiederum ist die zweitgrößte Hochschule für angewandte Wissenschaft in Sachsen. De facto geschlossen hat dagegen die Universität Leipzig ihre Buchwissenschaft. Das Ende der Gutenberg-Galaxis ist allerdings in der Ausbildungsstadt Leipzig trotzdem nicht in Sicht.
Leipzig wird zur Stadt der Bibliotheken
Seit 1913 sammelt die Deutsche Nationalbibliothek alles, was in deutscher Sprache in und außerhalb Deutschlands erscheint, dazu fremdsprachige Publikationen über Deutschland. Mit ihren vier Erweiterungsbauten am Deutschen Platz ist sie die größte Bibliothek Deutschlands und eine der zehn größten Bibliotheken der Welt. Hinter den dicken Mauern der Magazine ruht das kulturelle Gedächtnis der Nation.
Das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen wurde vor 130 Jahren als Bibliothek für Kriegsblinde gegründet, Hier richtet sich das Angebot inzwischen an blinde und sehbehinderte Menschen, aber auch Menschen mit einer sogenannten Lesebehinderung. Ältere Menschen, deren Augenlicht langsam nachlässt, finden Bücher in Großdruck. Im eigenen Verlag entstehen auch Kinderbücher. Für eine barrierefreie Ausgabe des Kinderbuchklassikers "Der Grüffelo" wurde zusätzlich zur Brailleschrift zum Beispiel Fuchs und Maus aus Kunstfell eingeklebt.
Räume für gemeinsame Leseerlebnisse bietet natürlich auch die Leipziger Stadtbibliothek. Mit fünfzehn Zweigstellen und zwei Fahrbibliotheken ist sie ganz nah an den Leipzigerinnen und Leipzigern.
Jüdische Geschichte in Leipzig
Viele jüdische Autoren, Schriftsetzer, Gelehrte oder Verleger sind im 19. und 20. Jahrhundert mit der Leipziger Buchbranche verbunden. Ihr Engagement ist enorm und ihr unternehmerischer Mut macht sie außerordentlich erfolgreich. Sei es Kurt Wolff, der Verleger Franz Kafkas, sei es Henri Hinrichsen, der den Musikverlag C. F. Peters entscheidend prägt oder sei es Sindel Siegfried Schussheim, der in Leipzig einen Lesezirkel und einen Stadtplanverlag gründet.
Auch wenn bei den meisten Verlegern die jüdische Identität nicht im Vordergrund steht, wird sie nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten zum Stigma und Grund dafür, sie auszuschließen oder ganz der Existenz zu berauben.
Spuren jüdischer Verleger lassen sich in Leipzig jedoch bis heute finden, selbst wenn die Häuser oftmals nicht mehr stehen, die Hausnummern andere sind oder die Angehörigen der einstigen Gründer ins Exil fliehen mussten. Gegenwärtig ist es zum Beispiel der Verlag Hentrich & Hentrich, der sich im Leipziger Capa-Haus explizit jüdischer Kultur und Zeitgeschichte widmet und die Erinnerung an jüdisches Leben wachhält, nicht nur in der Buchstadt Leipzig.
Buchtipps (zum Aufklappen)
Mark Lehmstedt
"Buchstadt Leipzig"
Biografisches Lexikon des Leipziger Buchgewerbes Band 1 · 1420-1539
Lehmstedt Verlag
78 Euro
ISBN 978-3-95797-099-2
Patricia F. Blume
"Die Geschichte der Leipziger Buchmesse in der DDR: Literaturtransfer, Buchhandel und Kulturpolitik in deutsch-deutscher Dimension"
De Gruyter Saur
69,95 Euro
ISBN: 978-3-11131-596-6
Christian Rau
"Nationalbibliothek im geteilten Land. Die Deutsche Bücherei 1945-1990"
Wallstein Verlag
54,90 Euro
ISBN: 978-3-83533-199-0
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Hrsg.)
"Uns eint die Liebe zum Buch. Jüdische Verleger in Leipzig 1815-1938"
Verlag Hentrich & Hentrich Leipzig 2021
19,90 Euro
ISBN: 978-3-95565-460-3
Redaktionelle Bearbeitung: hro
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. März 2025 | 06:20 Uhr