Tobias Wolff, Intendant der Oper Leipzig, steht im Foyer des Hauses am Augustusplatz in Leipzig.
Nur noch bis 2027 wird Tobias Wolff die Oper in Leipzig leiten. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Vertragsende 2027 Leipziger Opernintandant geht nach nur einer Amtszeit

27. September 2024, 15:48 Uhr

Der Vertrag des Leipziger Opernintendanten Tobias Wolff wird nicht über das Jahr 2027 hinaus verlängert. Laut dem Theater konnten sich Wolff und die Stadt nicht auf eine gemeinsame Vision für die Oper in Leipzig einigen. Tobias Wolff hat das Amt 2022 übernommen und Nachhaltigkeit als ein großes Ziel ausgegeben. Es hatte aber auch mehrere Schwierigkeiten gegeben: schlecht verkaufte Vorstellungen oder der laute Abgang des Tanzchefs Mario Schröder.

Der Vertrag des amtierenden Intendanten der Oper Leipzig, Tobias Wolff, wird nicht verlängert. Damit endet seine Intendanz bereits nach fünf Jahren im Sommer 2027. In der Pressemitteilung der Stadt heißt es dazu, die Nichtverlängerung sei das Ergebnis von planmäßigen Vertragsgesprächen, bei denen "sich unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung und Entwicklung der Oper Leipzig" entwickelt hätte.

Leichter Publikumszuwachs nach Corona

Schaut man auf die ersten zwei Jahre seiner Intendanz und die inzwischen begonnene dritte Spielzeit, zieht Tobias Wolff selbst eine durchwachsene Bilanz. In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" im Juli wird ein Satz von ihm zur Überschrift: "Verkürzt ließe sich sagen: Wenn’s läuft, läuft’s richtig. Wenn nicht, dann wirklich gar nicht." Demnach würden Mozarts "Zauberflöte" im Opernhaus und die Nazi-Parodie "The Producers" in der Musikalischen Komödie gut laufen. "The Producers" wird diese Spielzeit aber gar nicht mehr gespielt und "Die Zauberflöte" steht nur sieben Mal auf dem Spielplan.

Die Oper Leipzig hatte in der vergangenen Spielzeit eine Auslastung von knapp 72 Prozent, was gut 170.000 Besuchern entspricht. 2022/2023, in Wolffs erster Spielzeit, lag die Auslastung bei 65 Prozent – das seien Spätwirkungen der Corona-Zeit gewesen. Die Auslastung ist also besser geworden, aber mit Luft nach oben.

Spielplan-Politik in Leipzig

Offenkundig sind Werke, die nicht in die Top 10 der Opernhitparade gehören, schwer zu verkaufen. Das ist nichts Neues. Nachdem Ulf Schirmer (Wolffs Vorgänger im Amt) zuletzt alle Kraft auf eine Komplettaufführung der Opern Richard Wagners gebündelt und damit (zu) viel links liegen gelassen hatte, wäre wieder Platz für andere beliebte Opernliteratur gewesen. Auch große Oper neben Wagner, die gut zum Gewandhausorchester passt, das ja in der Oper spielt. Zu Bruckner, Mahler und Schostakowitsch passen Verdi, Puccini und Strauss wie die Faust aufs Auge, auch weil ein entsprechend großer Orchesterapparat hier für die Oper vorgehalten wird.

Von Strauss kam ein neuer, überzeugender "Rosenkavalier" ins Programm. Nächste Vorstellungen aber erst im Juni 2025. Da heißt es warten. Auch bei Mozart-Klassikern: Die gelungene, witzige und gut nachgefragte Neuproduktion von Mozarts "Don Giovanni" steht erst im April 2025 wieder im Programm. Ein ebenfalls sehr anrührender "Gulio Cesare in Egitto" von Händel ist diese Spielzeit gar nicht zu sehen.

Impressionen von der Bühne der Leipziger Oper. Der Rosenkavalier.
Richard Strauss passt perfekt zum Leipziger Opernhaus – zuletzt lief "Der Rosenkavalier". Bildrechte: Kirsten Nijhof

Gewagte Entscheidungen

Tobias Wolff sieht einen Akzent seiner Arbeit bei Albert Lortzing. Der Zeitgenosse Wagners hatte mehrere Jahre in Leipzig gelebt und gewirkt. Mit Lortzings Zauberoper "Undine" hatte Wolff seine Intendanz eröffnet. Das eher unbekannte Werk wurde zum Rohrkrepierer. Da bleibt die Frage, ob weitere Lortzing-Opern, die zu einem Lortzing-Jubiläum 2026 im Spielplan auftauchen sollen, vom Publikum besser angenommen werden.

Die Spielzeiteröffnung 2024 mit der Nach-Barock-Oper "Amadis, der Ritter", von einem Sohn Johann Sebastian Bachs komponiert und explizit als Familienoper geplant, kam jüngst bei der Kritik nicht gut an: eine knallbunte Regie würde die schöne Musik zukleistern, hieß es. Ob die Inszenierung ihr Publikum findet, muss man allerdings abwarten. Es gab bisher zwei Vorstellungen.

Umstritten war die Entscheidung von Tobias Wolff, den Ballettdirektor Mario Schröder nach 14 Jahren zum Ablauf der vergangenen Spielzeit zu entlassen. Mario Schröder war beliebt, seine Inszenierungen in der Regel gut besucht; andererseits war er lange als Ballettdirektor tätig. Der Wunsch nach einer neuen künstlerischen Handschrift war durchaus nachvollziehbar.

Undine liegt in einem blauen Kleid auf der Treppe.
Mit "Undine" des Leipziger Komponisten Albert Lortzing eröffnete Wolff 2022 seine erste Spielzeit. Bildrechte: Kirsten Nijhof

Grüne Oper Leipzig

Wolff hat sich in den bisherigen Jahren seiner Intendanz stark um das Thema Nachhaltigkeit bemüht – Stichwort Klimawandel. Das kann man als Mode abtun, aber es geht um mehr als recycling-fähige Bühnenbilder und Kostüme, nämlich auch um die Frage, wie das Publikum in die Oper kommt oder wie die Oper ressourcenschonend auf Gastspielreise geht. Das hat Relevanz! Wolff betont, dass die Oper als öffentliche Einrichtung der Stadt auch eine Vorbildfunktion habe. Er hat sich die Nachhaltigkeit mit viel Engagement auf die Fahne geschrieben.

Spielszene: Mary, Queen of Scots
Das Bühnenbild zu "Mary, Queen of Scots" bestand aus recycleten Material. Bildrechte: Oper Leipzig/Tom Schulze

Rolle der Oper in Leipzig

Die Suche nach einer Nachfolge soll in den kommenden Wochen beginnen. Dazu wird es eine Auswahlkommission geben. In ihr sollen Mitglieder des Stadtrates und Opernexperten versammelt sein. Was die zukünftige Ausrichtung und Entwicklung der Oper Leipzig betrifft, hat die Stadt durchaus konkrete Vorstellungen: Eine Kooperation zwischen sogenannter Hochkultur und Freier Szene ist gewünscht, wie auch die Öffnung der Kultur für ein diverses Publikum. Nachhaltigkeit bleibt ein Thema.

Eine wichtige Frage ist zudem, wie Kultur in einer digitalen Gesellschaft vermittelt werden kann; also auch, wie und mit welchen neuen Formaten die traditionsreiche Kunstform der Oper eine junge Generation ansprechen kann. Angesichts der vielen Krisen, die den Alltag prägen und inzwischen auch die politische Ordnung in Frage stellen, soll Erinnerungskultur in Leipzig künftig eine starke Rolle spielen, auch mit Blick auf die jüngere Geschichte Leipzigs, als man für Freiheit und Demokratie auf die Straße ging.

Das Leipziger Opernhaus
Die neue Opernleitung soll sich auch fragen, wie Oper zur modernen Leipziger Stadtgesellschaft passt. Bildrechte: Kirsten Nijhof

Leipzig betont gerne und mit Stolz, dass Kultur in der Messestadt eine Sache der Bürgerschaft war, in Abgrenzung zur Hofoper in Dresden. Wie sieht eine Bürgerschaft in Leipzig heutzutage aus? Wie ist sie zusammengesetzt? Welches Profil leitet sich daraus für eine Oper ab? Das alles ist die 52-Millionen-Euro-Frage – für diese Summe gibt es in Leipzig eine Oper samt Musikalischer Komödie und Ballett.

Redaktionelle Bearbeitung: tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur kompakt | 27. September 2024 | 12:30 Uhr

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