Peter Konwitschny
Ein Leben für die Bühne: Opernregisseur Peter Konwitschny wird 80 Jahre alt und inszeniert noch immer. Bildrechte: picture alliance/APA/picturedesk.com/Barbara Gindl

Geburtstag "Oper ist subversiv": Regisseur Peter Konwitschny wird 80

21. Januar 2025, 03:00 Uhr

Am 21. Januar 2025 feiert Peter Konwitschny seinen 80. Geburtstag. Der Dirigentensohn wuchs in Leipzig auf und machte als Opernregisseur Karriere. Legendär wurden in den 1980er-Jahren seine Händel-Interpretationen an der Oper Halle. An der Semperoper provizierte er mit seiner "Csárdásfürstin" einen Theaterskandal. In Leipzig war er Chefregisseur und ging im Groll. Aber immer ging es ihm darum, Oper mit einer lebendigen, heutigen Botschaft auf die Bühne zu bringen, ohne Star-Trubel. Eine Würdigung:

Im Mai wird Peter Konwitschny an der Oper Dortmund Wagners "Ring" auf die Bühne bringen. Ein später Höhepunkt seiner Karriere. Der Regisseur hat viel Wagner inszeniert. "Parsifal" in München, "Lohengrin" in Hamburg, eine "Götterdämmerung" in Stuttgart sind Meilensteine. Diese "Götterdämmerung" wird jetzt in Dortmund noch einmal zu sehen sein. Die drei anderen Teile sind von ihm für Dortmund neu inszeniert.

Bayreuth machte um ihn einen Bogen

Eigentlich wäre es ja auch Bayreuth gewesen. Aber er hatte keinen Draht zum Patriarchen Wolfgang Wagner. Der hatte sich im Jahr 2000 in Stuttgart die Generalprobe zur "Götterdämmerung" angesehen, war beeindruckt, hatte aber abgewinkt.

Konwitschny vollendet Ring in Dortmund - auf der Bühne eine Szene, die an das letzte Abendmahl erinnert, die Figuren sind jedoch in Fälle gekleidet.
Ausschnitt aus Konwitschnys Dortmunder "Ring"-Inszenierung. Bildrechte: Thomas M. Jauk

Wenn Konwitschny inszeniert, will er uns die Opern und ihre Botschaft neu nahebringen. Oft ganz handfest, mit alltäglichen Gesten auf der Bühne. Er will die Komponisten von ihrem Sockel holen, wo ein Publikum zu ihnen aufschauen und sie quasi anbeten muss. Wagner steht auf einem ganz hohen Sockel, zumindest im Kunsttempel Bayreuth. Das war wohl der Grund, dass er dort nie eine Einladung bekam.

Kultinszenierungen und Skandale in Dresden, Leipzig und Halle

Immer wieder hat Konwitschny auch hierzulande inszeniert. Zuletzt, 2022, "die Nase" von Schostakowitsch an der Semperoper. 2019 Händels "Julius Cäsar in Ägypten" am Opernhaus in Halle. Zwei Inszenierungen sind von ihm bis heute auf mitteldeutschen Bühnen zu finden: "La Bohème" von Puccini an der Oper Leipzig. Die Inszenierung von 1991 ist inzwischen Kult und wird gerne zu Weihnachten angesetzt. Die andere Inszenierung ist ein "Tannhäuser" an der Semperoper von 1997.

Schwarz-Weiß-Bild der Dresdner Inszenierung von  "Die Csárdásfürstin" - Soldaten und Zivilisten rennen durch eine bombadierte Stadt.
Skandal um die "Csárdásfürstin": Bombenkrieg in der Semperoper. Bildrechte: Semperoper Dresden/ Döring

In Dresden hatte Konwitschny zur Jahrtausendwende auf besonderen Wunsch des damaligen Intendanten Christoph Albrecht auch eine Operette, "Die Csárdásfürstin", inszeniert. Sie wurde zum Theaterskandal, weil Konwitschny sie in der Entstehungszeit spielen ließ, im Ersten Weltkrieg, und so den Bombenkrieg mit auf die Bühne brachte. Komponist Kálmán hatte das auch genauso bestimmt, aber für konservative Kulturbürger war ein Bombenkrieg in der Semperoper ein Tabu.

Peter Konwitschny, 2017 24 min
Bildrechte: picture alliance / Bernd Weißbrod/dpa | Bernd Weissbrod

Trainingsanzug und Alditüte: Oper in alltäglichen Bildern

Peter Konwitschny hat in seinen Inszenierungen keinen ausgeprägten ästhetischen Stil gezeigt, wie zum Beispiel Robert Wilson, Achim Freyer oder Christoph Marthaler. Er hat aber immer gerne mit denselben Bühnen- und Kostümbildern zusammengearbeitet: mit Helmut Brade, einem Grafiker aus Halle, mit Johannes Leiacker und mit Bert Neumann.

Porträt eines Mannes mittleren Alters mit blondem Haar, Deitagebart in einem beige-braunem Anzug in Fischgrätmuster und Halstuch.
Bert Neumann, der Chefausstatter der Volksbühne, arbeitete auch eng mit Konwitschny zusammen. Bildrechte: IMAGO / DRAMA-Berlin.de

Neumann war Chefausstatter an Castorfs Volksbühne. Und hat die Ästhetik dort entscheidend geprägt. Auch im hippen Prenzlauer Berg. Wenn heutzutage jemand mit GST-Trainingsanzug und Alditüte über die Bühne läuft, dann ist das quasi dort erfunden.

Hier ist es wieder, das Motiv, uns die Opern in alltäglichen Bildern neu nahezubringen. Konwitschny zeigt Opernhelden in prekären Lebensverhältnissen; spiegelt uns Schicksale, die Opernbesucher, die für eine Karte mit Starbesetzung gerne auch 500 Euro auf den Tisch legen, eher ignorieren.

"La Boheme" in Leipzig
Bei den Wiederaufnahme-Proben zu "La Bohème" in Leipzig  – uraufgeführt 1991 ist das Stück seit der Saison 2018/19 wieder im Repertoire. Bildrechte: Andreas Birkigt/Oper Leipzig

Lebendiges und totes Theater

Derartige Ignoranz ist für Konwitschny ein Lebensthema. 2007 hat er es in einer Dankesrede ausgeführt, als er im Opernhaus Halle den renommierten Preis des Internationalen Theaterinstituts bekam. Seine Rede hatte er "lebendiges oder totes Theater" überschrieben. In sieben Thesen hat er sein künstlerisches Credo vorgetragen.

Luftaufnahme Opernhaus Halle 13 min
Bildrechte: IMAGO / Steffen Schellhorn

"Oper ist subversiv", beginnt er in These eins, weil in der Oper so leidenschaftlich gesungen werde, wofür man auf der Straße verhaftet und in eine Psychiatrie eingeliefert würde. These zwei besagt, dass es "ein Verbrechen, Pornografie" sei, wenn die Bühne missbraucht würde, um dort Stars auftreten zu lassen, denen es nur um schöne Töne und nicht um die Botschaft der Stücke ginge.

Wagner, Verdi und Mozart sind immer auf der Seite der Opfer.

Peter Konwitschny Dankesrede Theaterpreis

Theater und Oper sei nämlich ein Korrektiv für die Gesellschaft, eine wertebildende Institution. "Wagner, Verdi und Mozart sind immer auf der Seite der Opfer – hier kommt für Konwitschny Walter Benjamin ins Spiel, der kritisiert, dass Geschichte immer nur von den Siegern geschrieben werde und die Opfer ausblendet.

Lebendiges Theater ist für Konwitschny ein Theater, das die Opfersicht auf die Bühne bringt, das die Botschaften der Stücke transportiert und in die Gegenwart übersetzt. Am Ende seiner Rede fällt noch ein entscheidender Satz: "Deshalb müssen wir alles tun, damit auch noch das provinziellste Theater erhalten bleibt!"

Eine Szene mit mehreren Personen mit Clownnase hinter einem roten Käfig.
Rückkehr and die Semperoper: 2022 inszenierte Konwitschny dort "Die Nase" von Schostakowitsch Bildrechte: Semperoper Dresden/ Ludwig Ohla

Königin der Nacht als Alkoholikerin

Weil Sieger immer die Geschichte schreiben; weil die Männer im europäischen Abendland immer das Sagen haben, sind Frauen oft die Opfer, und die Komponisten auf ihrer Seite. Das ist auch so eine Konwitschny-These: Aida darf in seinen Inszenierungen deswegen am Ende überleben; ebenso Isolde. Sie gehen einfach von der Bühne ab und suchen sich eine bessere Welt.

Deshalb müssen wir alles tun, damit auch noch das provinziellste Theater erhalten bleibt!

Opernregisseur Peter Konwitschny

Die Königin der Nacht in Mozarts "Zauberflöte" ist eine Alkoholikerin geworden, weil sie von Sarastro gedemütigt wird. Und Kundry aus Wagners "Parsifal" steht plötzlich als Jungfrau Maria auf der Bühne und verteilt das Abendmahl. Ein Affront gegen die katholische Kirche, der in München auch für einen kleinen Skandal taugte. Aber es ist natürlich was dran und vielleicht Konwitschnys größter Verdienst, dass er die Opern hier nur scheinbar gegen den Strich gebürstet hat.

Er selbst würde sagen, und hat es im Programmheft zu "Tristan und Isolde" in München exemplarisch getan: "Ich habe manchmal sogar - bei einer schönen Probe - das Bild vor Augen, dass Wagner plötzlich unter uns ist und sagt: 'Endlich wird deutlich, was ich wollte!'"

Richard Wagner 59 min
Bildrechte: Bettina Volksdorf
59 min

Kein Liebestod, sondern ein anderes Leben in einer besseren Welt – Peter Konwitschny lässt Isolde nicht sterben.

MDR KULTUR - Das Radio 58:35 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/audio-konwitschny-tristan-isolde-feature100.html

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Kindheit in Leipzig und erste Schritte am Berliner Ensemble

Ist das Hybris? War so ein Satz die Ausladung, auf dem grünen Hügel zu inszenieren? Ist das die große Wunde? Peter Konwitschny hat das Licht der Welt im Luftschutzkeller eines Krankenhauses erblickt. Von Frankfurt am Main zog die Familie nach dem Krieg nach Leipzig. Franz Konwitschny war dort Gewandhauskapellmeister, und parallel eine Zeitlang Generalmusikdirektor in Dresden und an der Staatsoper Berlin. Mehr geht nicht.

Er war dem Alkohol sehr zugetan. Es gibt Witze. Von was lebt die Witwe? Vom Flaschenpfand! Die Witwe war Sängerin und wird in den Biografien kaum erwähnt. Bleibt unter der Wahrnehmungsschwelle. Auch ein Opfer. Für den Sohn eine frühe Prägung? Der Vater ein ungeliebtes Vorbild? Peter Konwitschny hat in Berlin Musiktheaterregie studiert, hat am Berliner Ensemble assistiert, als Ruth Berghaus dort Intendantin war. Brecht spielt für Konwitschny eine große Rolle.

Ruth Berghaus, deutsche Regisseurin, damals DDR - 1989
Konwitschny begann als Assistent an der Berliner Volksbühne unter der Intendantin Ruth Berghaus. Bildrechte: imago images/Jürgen Ritter

Es war eine gute Wahl der Stadt Leipzig und der Universität, ihm in Leipzig die erste Bertolt-Brecht-Gastprofessur anzuvertrauen, die es bis heute gibt. Erste Regiearbeiten folgten dann Anfang der 1980er-Jahre. Ein "Freischütz" in Altenburg. Dann viel Händel in Halle. In den 1990er-Jahren viel Wagner, aber auch "Aida" in Meiningen.

Verwerfungen mit Riccardo Chailly

Bis 2011 war Konwitschny drei Jahre lang Chefregisseur an der Oper Leipzig. Keine glückliche Zeit. Die Trennung im Groll. Ein angedachter "Ring" 2013 zum 200. Geburtstag Wagners in der Geburtsstadt des Komponisten mit Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly kam nicht zustande. Der eine wurde wohl vor dem anderen madig gemacht. Schade! Konwitschny inszeniert bis heute. Beruf als Leben.

Redaktionelle Bearbeitug: lm, vp

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 21. Januar 2025 | 08:40 Uhr

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