Radverkehr Gilt der Mindestabstand auch für Straßenbahnen?
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29. Oktober 2024, 05:00 Uhr
Seit 2020 steht in der Straßenverkehrsordnung (STVO), dass Kraftfahrzeuge beim Überholen einen Mindestabstand zu Fahrradfahrenden einzuhalten haben. Innerorts sind das 1,50 Meter, außerorts mindestens zwei Meter. Gerade in eng bebauten Städten ist das aber mitunter schwierig, zumal hier oftmals noch Straßenbahnen unterwegs sind. Wenn also der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, darf die Straßenbahn dann eigentlich die Fahrradfahrenden überholen?
- Was tun, wenn der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann?
- Die Leipziger Verkehrsbetriebe schulen ihre Fahrerinnen und Fahrer mit besonderem Blick auf Engpässe wie der Eisenbahnstraße.
- Die Regeln sind für Straßenbahnen jedoch nicht genau definiert.
Die Leipziger Eisenbahnstraße gehört zu den beliebtesten und belebtesten Magistralen Leipzigs. Es ist viel los hier, auf der jeweils einspurigen Straße stadtein- und auswärts, dazu auf relativ schmalen Geh- und Fahrradwegen. Hinzu kommen Parktaschen, in denen Autos am Straßenrand stehen.
Wenn dann noch im Minutentakt Straßenbahnen durchrollen, wird es schnell eng. Das weiß auch Rosalie Kreuijer vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). "Wenn Autos hier schlecht eingeparkt sind und die Straßenbahn kommt, dann hat man nur einen ganz kleinen Korridor."
Ist es dann überhaupt möglich, den Mindestabstand von 1,50 Meter einzuhalten? "Man sollte ihn einhalten", sagt Kreuijer. "Da darf man nicht überholen. Aber nicht alle Fahrer halten sich dran. Die Straßenbahn darf in diesem Fall nicht überholen. Hier gibt es ja noch einen Radschutzstreifen. Natürlich geht es am Ende um gegenseitige Rücksichtnahme."
Gesetzliche Regelung
Diese gegenseitige Rücksichtnahme ist direkt in Paragraf 1 der STVO geregelt. Dort steht: "Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird."
Marc Backhaus, der Sprecher der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB), kennt die Problematik der engen Bebauung in der Eisenbahnstraße. "Die Eisenbahnstraße ist für die Leipziger Verkehrsbetriebe eine der wichtigsten Magistralen in den Osten. Diese Verordnung führt natürlich an verschiedenen Stellen zu Schwierigkeiten, vor allem dort, wo schon umgebaut worden ist und diese Novellierung noch gar keine Rolle spielen konnte."
Die LVB versuche deshalb, so Backhaus, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Fahrdienst regelmäßig zu schulen, dass es dieses Überholverbot innerorts von 1,50 Metern gibt. "Wir bemerken aber, dass nicht allen Verkehrsteilnehmenden das wirklich bewusst ist. Umso wichtiger ist es, dass man sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen hält." Und diese beträgt in der Eisenbahnstraße Tempo 30, was die Sicherheit aller erhöhen soll.
Sonderfall Straßenbahn
Beim genaueren Blick auf Paragraf 5 der STVO fällt auf, dass dort im Bezug auf die 1,50 Meter Abstand beim Überholen explizit Kraftfahrzeuge (Kfz) genannt sind. Eine Straßenbahn, die sich bekanntlich auf festen Schienen bewegt, ist aber laut Definition kein Kfz. Damit bleibt selbst für Verkehrsexperten wie Sven Lißner von der TU Dresden ein Fragezeichen, wie speziell Straßenbahnen sich verhalten müssen.
"Diese Gemengelage ist komplex", so Lißner. "Besser wäre es, man würde baulich versuchen, das komplett zu vermeiden. Was natürlich bei gegebener, bebauter Infrastruktur ungeheuer schwierig ist." Viele Straßenbahnfahrer stünden unter Zeitdruck, so Lißner. Ihnen sei die Gefahr vielleicht gar nicht so bewusst. "Er sitzt ja auch nicht ungeschützt auf dem Fahrrad und da donnert eine mehrere Tonnen schwere Straßenbahn an ihm vorbei."
Im Zweifelsfall – da sind sich alle einig – bleibe als kleinster gemeinsamer Nenner Paragraf 1 der STVO: Wer sich im Straßenverkehr bewegt, sollte Rücksicht nehmen und ständig Vorsicht walten lassen – egal ob er oder sie im Auto sitzt, auf dem Fahrrad oder im Führerhaus einer Straßenbahn.
MDR (ltt)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 28. Oktober 2024 | 06:13 Uhr