Spieleentwicklung in Leipzig Barrierefreies Gaming für alle: Inclusive Gaming machts möglich
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31. Dezember 2024, 11:00 Uhr
Gamer sind längst nicht mehr nur Teenager, die nachts im Keller sitzen und zocken. Mittlerweile ist Gaming fester Bestandteil des Medienkonsums in Deutschland. Auch Ü60-Jährige greifen immer wieder zum Controller. Doch eine Personengruppe wird oft vergessen: Blinde und Sehbehinderte. Eine Firma aus Leipzig will das ändern.
Wer kennt es nicht, das Spiel "Blinde Kuh". Mit verbundenen Augen versucht eine Person, andere Mitspielerinnen und Mitspieler zu fangen. Wer sich noch an seine Kindheitstage erinnert, der wird wissen, wie schwer das war und vielleicht in der Lage sein, sich ein Stück weit in die Lage blinder Menschen oder Menschen mit Sehbehinderung hineinzuversetzen. Denn für viele von ihnen ist Spielen nur eingeschränkt möglich. Nicht zuletzt deshalb, weil es wenige Spieleentwickler gibt, die sich Gedanken darüber machen, wie man beispielsweise PC-Spiele auch ohne visuelle Reize erlebbar machen kann.
Mit Inklusionspreis geehrt
Ein Unternehmen, das das ändern möchte, ist Inclusive Gaming. Das junge Unternehmen aus Leipzig hat kürzlich den Sächsichen Inklusionspreis in der Kategorie "Kunst und Kultur" gewonnen. Die Begründung der Jury: Das Unternehmen biete etwas, wofür es bisher viel zu wenig Angebot gebe. Außerdem könne es ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Barrierefreiheit und Inklusion in ihrem Feld schaffen.
Gaming für alle
Fast jede fünfte Person in Sachsen lebt mit einer Behinderung. Das entspricht etwa 800.000 Menschen. Viele von ihnen können nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben, auch in der digitalen Welt beim Gaming.
Inclusive Gaming will das ändern. Stefan Wilhelm, Florian Köhler und Christian Barth programmieren gemeinsam mit zwei weiteren Festangestellten und drei Praktikantinnen und Praktikanten barrierefreie Videospiele. Sie verfolgen dabei ihren ganz eigenen Ansatz von Inklusion. Laut Stephan Wilhelm möchten sie versuchen, Spiele von vorn herein für alle Menschen zugänglich zu machen. Anders als aktuell üblich in der Branche, im Nachhinein spezielle Einstellungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung anzubieten. Videospiele für blinde und sehende Menschen gleichermaßen, das ist die Mission. "Das macht für uns Inklusion aus", so Wilhelm.
Für das Team rund um Inclusive Gaming bedeutet das, sie sich in andere Perspektiven hineinversetzen zu müssen. Denn keiner von ihnen ist selbst blind oder anderweitig beeinträchtigt. Laut Stephan Wilhelm kein Problem, da sie sich in den knapp zwei Jahren ihres Bestehens eine Community aufgebaut haben., die sie unterstützt.
Vom Informatikstudium zur Spieleentwicklung
Stephan Wilhelm ist gegen Ende seines Informatikstudiums 2022 das erste Mal mit der Thematik "barrierefreies Gaming" in Berührung gekommen, erzählt er. Ausschlaggebend sei ein Podcast des Spielemagazins Gamestar mit einem blinden Gamer gewesen, der Videospiele spielte, die eigentlich nicht für blinde Menschen gemacht worden seien. Über den Games & XR Mitteldeutschland e.V. hat er dann seinen Kollegen Christian Barth kennengelernt, der als freiberuflicher Komponist und Sound Designer viel notwendiges Wissen mitgebracht hat, so Wilhelm.
Uns alle verbindet die Motivation, die Freude an Videospielen und das damit verbundene soziale Beisammensein an möglichst viele Menschen heranzutragen.
Games & XR Mitteldeutschland e.V.
Der Verein ist nach seinen eigenen Angaben ein unabhängiger Zusammenschluss von Mitgliedern aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben "den Strukturwandel in der mitteldeutschen Region aktiv mitzugestalten.
Ziel ist es, die bundeslandübergreifende Zusammenarbeit zu fördern und die Sichtbarkeit der mitteldeutschen Games- und XR-Branche zu gewährleisten.
www.games-und-xr.de
Spielwelten auditiv denken
Einen Spiele-Prototypen hat die Firma bereits entwickelt: Dream Trip. Dabei muss man einer Fee auf der Suche nach ihrem Zauberstab behilflich sein. Aus dem Prototypen habe man viel gelernt.
Denn vieles, was bei der gewöhnlichen Spieleentwicklung gängige Praxis ist, muss in ihrem Fall neu gedacht werden, weiß Sounddesigner Christian Barth. Im Fall des Spiels Dream Trip habe er sich zu Beginn erst einmal die Frage stellen müssen, wie der abzubildende Raum aussehe und welche Gegenstände sich darin befinden.
Denn zur Orientierung brauche es Gegenstände und Oberflächen, die Töne von sich geben, oder je nach Oberflächenbeschaffenheit reflektieren. Und diese müssen unterschiedlich klingen, abhängig von Material und Entfernung zur Spielfigur. All diese Informationen, die ein sehender Mensch mit einem Blick erfassen kann, müssen auditiv übermittelt werden, so Barth. Entweder durch Geräusche oder einen gesprochenen Text.
Informationen, die ich jetzt als sehender Mensch mit einmal einmal hinschauen im Prinzip erfassen kann, sind hier auditiv irgendwie zu übermitteln.
Laut Christian Barth ist das eine große Aufgabe, da es Geräusche gibt, mit denen jeder Mensch etwas anfangen kann. Einem tropfenden Wasserhahn zum Beispiel. Aber wie ein Zauberstab klingt, da müsse auch er seiner Fantasie freien Lauf lassen.
Das erste große Projekt
Seit ein paar Monaten arbeitet das Team von Inclusive Gaming an ihrem ersten vollwertigen Videospiel. Es soll den Titel "Zoo-Chaos" tragen. Viel zum Spiel verraten wollen die Macher noch nicht. Nur so viel: Es soll allen Menschen Spaß machen, ob mit oder ohne Behinderung.
Hilfsmittel für barrierefreies Gaming
Einige Entwickler bieten bei ihren Spielen zum Beispiel extra Modi für Farbenfehlsichtigkeiten oder Vergrößerungslupen an. Doch das hilft nicht allen Menschen mit Sehbehinderung. Oft ist eine komplette Vertonung notwendig, oder aber das Spiel ist rein textbasiert. Außerdem gibt es immer häufiger die Möglichkeit, sich alles im Spiel vorlesen zu lassen – sogenanntes Text-to-Speech. Weitere Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung(en) sind folgende:
Spezielle Controller: Adaptive Controller werden an die motorischen Fähigkeiten der Nutzenden angepasst, One-Handed Controller können mit nur einer Hand bedient werden. QuadSticks bieten die Möglichkeit, Spiele mit dem Mund zu steuern (Joystick und Sip-and-Puff-Technologie).
Eye-Tracking-Geräte: Die Technologie erfasst die Augenbewegungen und übersetzt sie in Aktionen im Spiel. So können Games allein durch Blickbewegungen gesteuert werden.
Sprachsteuerung: Sprachsteuerungssysteme ermöglichen es, bestimmte Spielaktionen oder Funktionen nur mit Sprachbefehlen auszuführen. Diese Technik ist hilfreich für Menschen, die Schwierigkeiten haben, Eingaben physisch zu tätigen.
Adaptive Software: Die Software ermöglicht es, die Tastenbelegung zu verändern. So können zum Beispiel mehrere Aktionen mit einem einzigen Tastendruck ausgeführt werden. Das macht die Bedienung für Menschen mit motorischen Einschränkungen leichter.
MDR (koh)