Trendsportart Das Glück der Erde - Steckenpferde: Besuch beim Hobby Horsing in Leipzig

Wenn man an einem Nachmittag im Leipziger Scheibenholz die Augen schließt, dann hört man die aus dem Reitsport bekannten Kommandos: "Nora, denk an eine ruhige Hand, die Arme locker neben dem Körper lassen, die Ellenbogen zusammen!"

Macht man die Augen wieder auf, dann sieht man Mädchen zwischen fünf und 13 Jahren beim Reiten. Nicht auf Vierbeinern, sondern auf Steckenpferden mit Kuscheltierköpfen aus Plüsch mit Knopfaugen. Brav absolvieren die Kinder ihre Bahnfiguren, wechseln durch die Bahn und galoppieren.

Ausbilderin Lena Günther ist eigentlich Reitlehrerin und studierte Pferdewissenschaftlerin. Erst seit März bietet sie auch Hobby Horsing an und ist von der großen Nachfrage überrascht. Die Kinder kommen aus Leipzig und dem Umland, sogar aus Torgau kommt regelmäßig ein Mädchen zu Training.

"Man kann Hobby Horsing überall machen. Man kann es zu Hause oder in der Halle machen, drinnen und draußen, bei jedem Wetter. Man kann Springreiten, Dressurreiten oder Geländereiten. Man kann ganz vielseitig mit diesen Steckenpferden sporteln", sagt Günther.

Sportlich geht es zu beim Springen im Hindernisparcours. Die Sprünge sind zwischen 70 und 90 Zentimeter hoch. Um die Hindernisse samt Hobby Horse zu überwinden, wird ein Bein zur Seite angewinkelt. Alle Steckenpferde haben hier Namen und die Mädchen reden beruhigend auf sie ein, wenn die Sprünge hoch erscheinen. Ihre Steckenpferde geben ihnen dabei Selbstvertrauen und Sicherheit. "Daisy und ich haben auch eine, sage ich jetzt mal, eine Beziehung wie bei echten Pferden. Denn es ist auch teuer, ein eigenes Pferd zu haben", erzählt die neunjährige Su.

Die Hobby Horses haben mit dem ursprünglichen Steckenpferd nicht mehr viel zu tun. Nicht nur der Kuscheltierkopf unterscheidet sie, sondern auch der kurze Stock, der nur wenig übers Gesäß hinausragt. Die plüschigen Sportgeräte kosten zwischen 60 und mehreren tausend Euro. Es gibt sie so realitätsnah, dass ein Unterschied zwischen einem echten Pferd und einem Hobby Horse kaum zu erkennen ist.

Ausbilderin Lena Günther meint: "Ich denke, das Steckenpferd ist wie echte Pferde in manchen Pferdekursen in den sozialen Modellen eine Art Brücke, die die Kinder auch auf eine gewisse Art und Weise nutzen können, um verborgene Teile ihrer Persönlichkeit auszuleben."

Auch in Sachsen wächst die Zahl Hobby Horse-Sportler rasant. Es gibt keine offiziellen Mitgliederzahlen, aber immer mehr Reitturniere bieten Prüfungen im Steckenpferd-Reiten an. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung hat Hobby Horsing seit diesem Jahr in ihre Wettbewerbsordnung für den Breitensport aufgenommen, betrachtet es für Kinder und Jugendliche als Einstieg in den Reitsport.

Sachsens größtes Hobby Horsing-Turnier findet im November in einer Turnhalle in Eibenstock statt. Das Starterfeld kommt aus der ganzen Bundesrepublik. Denn Hobby Horsing ist ein bei den Älteren richtiger Sport.

In den sozialen Medien wird Hobby Horsing oft verspottet. Gerade aus dem klassischen Reitsport gibt es viele verbale Attacken. 2023 nahm der Reitverband das "Hobby Horsing" sogar in die offizielle Wettbewerbsordnung (WBO) und erntete dafür einen regelrechten Shitstorm. Reiten lernen hat mit Gefühl zu tun und nicht damit, mit Holzstöcken herumzulaufen, hieß es. "Der schöne Reitsport würde zunichte gemacht".

Aber die Kinder im Leipziger Scheibenholz verstehen die Aufregung nicht. Sie wollen ernst genommen werden. "Die meisten in meiner Klasse finden es lustig und machen sich auch lustig, machen so Scherze - das ist doch für Babys und so", sagt Hobby Horserin Lilly. "Aber das ist es nicht, es ist gut für die Beinmuskultur und sehr viel Koordination muss man auch haben!"

Hobby Horsing will kein billiger Reitersatz sein, sondern ein eigenständiges Hobby. Viele Kinder und Teenager im Leipziger Scheibenholz träumen schon von den ersten Turnierstarts mit ihren Steckenpferden.