Energiewende Wie Kommunen von Solarfeldern profitieren und mehr Geld bekommen könnten
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07. Juli 2024, 10:29 Uhr
Geldsegen für Vereine – der größte Solarpark Deutschlands bietet Vereinen der Region neue Fördermöglichkeiten. Dabei könnte die finanzielle Beteiligung der Kommunen deutlich größer ausfallen. Kurz nach der offiziellen Eröffnung des Solarparks soll nun nachverhandelt werden.
- Fördermittel ermöglichen Vereinen Projekte in größerem Umfang.
- Summen könnten deutlich größer sein – Kommunen wollen über finanzielle Beteiligung nachverhandeln.
- Bürgermeister: Wo Energie erzeugt wird, wird auch andere Wirtschaft angezogen.
Nur wenige hundert Meter vom Solarpark Witznitz entfernt hat der Reitsportverein (RSV) Neuseenland seinen Reitplatz, Koppeln und Ställe. Kinder und Jugendliche können hier reiten lernen, die nahegelegenen Seen laden zu Ausritten mit anschließender Erfrischung ein, einmal im Jahr veranstaltet der Verein ein Reitsportturnier.
Fördermittel ermöglichen Vereinen größere Projekte
Vom Solarpark nebenan hat der Verein auch ganz direkt profitiert. 18.000 Euro hat die Stiftung Energiepark Witznitz den Pferdebegeisterten bewilligt – für den RSV Neuseenland eine riesige Summe, sagt Schatzmeisterin Romy Ludwig. "Das ist Geld, das wir als Verein selbst nie erwirtschaften könnten", sagt sie.
Das ist Geld, das wir als Verein selbst nie erwirtschaften könnten.
Allein ein Reitplatzplaner kostete mehrere Tausend Euro. "Das hätte unsere finanziellen Möglichkeiten bei weitem überschritten", sagt Ludwig. Mit dem Gerät lässt sich der Platz optimal auf die Reitstunden vorbereiten: von einem Traktor angezogen, ebnet der Reitplatzplaner die Fläche und verringert so das Risiko von Unfällen mit Verletzungen. Ohne diesen müssten die Vereinsmitglieder den Platz aufwendig mit Harken von Hand glatt ziehen. Auch für Hindernisse und weitere Ausrüstung reichte das Geld.
Insgesamt förderte die Stiftung Energiepark Witznitz vergangenes Jahr 16 Projekte in den Kommunen Neukieritzsch, Böhlen und Rötha – noch bevor der Energiepark an den Start ging. Von Sitzmöbeln für Kleinkinder über eine Bibliothek der Dinge bis hin zu einem Hobbit-Haus erhielten verschiedene Vereine zusammen fast 138.000 Euro. Dieses Jahr dürften es nochmal deutlich mehr sein.
Gemeinderat: Beteiligung von Großprojekt bisher nur mittelmäßig
Zu mindestens 360.000 Euro pro Jahr für die Stiftung hat sich die MoveOn Energy GmbH als Betreiber des Solarparks verpflichtet. Zu wenig, findet allerdings Sebastian Ludwig, Gemeinderatsmitglied für die Fraktion Freie Wählergemeinschaft Neukieritzsch. Mit Solarenergie werde eine Menge Geld verdient, betont er. "Gerade bei so einem Solarpark, der der größte in Deutschland ist, sollte man auch bei der Beteiligung groß sein – und nicht bloß mittelmäßig."
Gerade bei so einem Solarpark, der der größte in Deutschland ist, sollte man auch bei der Beteiligung groß sein – und nicht bloß mittelmäßig.
Ludwig verweist auf aktuelle Regelungen: Nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) können Betreiber von Erneuerbaren-Energien-Anlagen seit 2021 bis zu 0,2 Cent je eingespeister Kilowattstunde an die jeweiligen Kommunen zahlen. Davor hätten entsprechende finanzielle Zuwendungen juristisch als Bestechung gegolten. Allerdings ist die Abgabe nach wie vor freiwillig. Würde der Energiepark Witznitz die Kommunen Neukieritzsch, Rötha und Böhlen auf diese Weise finanziell beteiligen, könnte das deutlich mehr Geld in die Gemeindekassen spülen, betont Ludwig: Bis zu 56 Millionen Euro insgesamt, bei einer Lebenszeit des Solarparks von 50 Jahren. Über die Stiftung kämen in diesem Zeitraum gerade mal 18 Millionen Euro zusammen.
Kommunen wollen mit Solarpark-Betreiber nachverhandeln
Dabei geht es Ludwig nicht nur um die höhere Summe. Durch die Stiftung haben die Kommunen kein Mitspracherecht, wie die Gelder verteilt werden. Wenn sie einen Antrag auf Förderung stellen, sind sie selbst Bittsteller. Und für Pflichtaufgaben wie Straßenbau stehen die Gelder aus der Stiftung nicht zur Verfügung. Ludwig hat noch ganz andere Ideen, was sich im Gegensatz dazu mit einer direkten finanziellen Beteiligung der Kommune umsetzen ließe: "Wir könnten die Kita-Gebühren senken oder damit finanzieren, wir könnten eine Schule bauen oder ähnliche Sachen."
Auch Bürgermeister Thomas Meckel von der SPD hofft darauf, dass die Kommunen in Nachverhandlungen mit dem Betreiber noch mehr für sich rausholen können. Ein erster Termin platzte allerdings, nun setzt Meckel auf ein Treffen im August. Aber er verweist auch auf die Rechtslage: In Sachsen müssen Betreiber von Windkraft und Solarparks erst für Anlagen, die ab kommendem Jahr genehmigt werden, eine Abgabe an die jeweiligen Kommunen zahlen. Meckel begrüßt, dass die optionale Beteiligung der Kommunen nun zur Pflicht wird. "Das Gesetz hätten wir uns tatsächlich früher gewünscht."
"Energie-Kommune" setzt auf weitere Wirtschaftsansiedlungen
Zugleich verweist Meckel auf die Gewerbesteuereinnahmen, durch die die Kommunen profitieren. Insgesamt zeigt er sich zufrieden damit, dass in der früheren Kohleregion nun erneuerbarer Strom erzeugt wird. "Wir bleiben Energie-Kommune", sagt er und ist sicher, dass der Solarpark noch andere Wirtschaft anlocken wird. Dabei seien die erneuerbaren Energien eine deutliche Aufwertung zur früheren Braunkohle. "Der Tagebau ist bis an die Ortsgrenzen gekommen", erinnert er. Besonders betroffen war etwa der Ortsteil Kahnsdorf – aus den früheren Tagebaulöchern sind inzwischen der Hainer See und der Kahnsdorfer See entstanden.
Wo Energie erzeugt wird, wird auch andere Wirtschaft angelockt.
Auch Romy Ludwig vom Reitsportverein Neuseenland erinnert sich, wie sie in der Braunkohleregion aufgewachsen ist. Der Solarpark sei dagegen schon was anderes. "Das ist eine Investition in die Zukunft", findet sie – und ist sicher: Ohne den Solarpark hätten die Flächen nur brachgelegen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 03. Juli 2024 | 21:45 Uhr