Alle Leute vom Schichtwechsel
In der Lebenshilfe in Leipzig waren am Donnerstag Menschen aus anderen Arbeitsbereichen zu Besuch, um beim "Schichtwechsel" die Arbeit von Menschen mit Behinderung kennenzulernen. Sie wurden von Werkstattleiter Simchen (li.) und der Integrationsbeauftragten Herrmann (re.) empfangen. Bildrechte: MDR/Konstantin Henß

Aktion "Schichtwechsel" Menschen mit Behinderung tauschen in Leipzig für einen Tag ihren Arbeitsplatz

11. Oktober 2024, 05:00 Uhr

Mehr als 20 Einrichtungen aus Sachsen haben sich am bundesweiten Aktionstag "Schichtwechsel" am 10. Oktober für den Austausch zwischen Menschen mit und ohne Behinderung eingesetzt. Dabei findet ein Perspektivwechsel statt: Werkstätten-Mitarbeiter tauschen ihren Arbeitsplatz mit Menschen aus anderen Arbeitswelten. Dabei hat sich gezeigt, dass die Arbeit in Werkstätten sehr vielfältig ist. MDR SACHSEN hat die Lebenshilfe-Werkstatt in Leipzig besucht.

"Man lernt immer dazu." So fasst Olaf den Aktionstag "Schichtwechsel" zusammen. Einen Tag lang zeigten er und seine Kollegen Arbeitnehmern aus anderen Betrieben ihren Arbeitsplatz in der Lebenshilfe-Werkstatt Leipzig.

Ziel des Arbeitsplatztausches: die Vielfalt und Qualität der Werkstattarbeit sichtbar machen und neue Perspektiven zeigen. Das teilte die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen in Sachsen mit, die den "Schichtwechsel" am Donnerstag organisiert hat.

Einblicke in andere Arbeitswelten

In sächsischen Werkstätten konnten Arbeitnehmer aus verschiedenen Einrichtungen die Arbeit vor Ort praktisch erleben. So beispielsweise in der Lebenshilfe-Werkstatt in Leipzig. Wo Olaf sonst Reinigungsmittel in exakten Mengen in Flaschen abfüllt, packt am Donnerstag Frisörin Julia mit an und hilft beim Etikettieren der Fläschchen. Julia arbeitet eigentlich in einem Salon im Leipziger Süden.

Da sie selbst einen Sohn mit einer Behinderung hat, hat sie sich besonders für "Schichtwechsel" interessiert. Im Gespräch mit MDR SACHSEN sagt sie: "Ich finde das Projekt super gut und hatte da auch Lust, mal reinzuschnuppern und mal alles kennenzulernen und zu gucken, was uns vielleicht später auch mal erwartet."

Gegenbesuch im Frisörsalon

An ihrem Arbeitstag in der Werkstatt hat sie positive Erfahrungen gemacht: "Die Menschen sind sehr offen. Wir sind ganz herzlich aufgenommen worden und es ist ein schönes Arbeitsklima", berichtet Julia. In dieser Woche war auch eine Frau aus der Werkstatt im Frisörsalon arbeiten. Dazu meint sie: "Kathrin hat Dinge von alleine gesehen, die Praktikanten ohne Einschränkungen manchmal nicht sehen".

Julia
Julia hat beim "Schichtwechsel" im Bereich Verpackung gearbeitet und unter anderem Etiketten geklebt. "Das muss schon akkurat und ganz genau sein", sagte sie. Bildrechte: MDR/Konstantin Henß

Werkstattleiter: Gegenseitiges Interesse ist da

Erik Simchen leitet seit sechs Jahren die Lebenshilfe-Werkstatt. Mit dem Ablauf des "Schichtwechsel"-Projekts ist er sehr zufrieden: "Bis jetzt ist es durchweg positiv. Sie kommen gut mit den Beschäftigten in Kontakt und die Beschäftigten sind natürlich auch interessiert, finden das wirklich spannend und fragen den Tauschpartner", berichtet er.

Auf die Frage, ob es von Unternehmen Vorbehalte gebe, Menschen mit Behinderung einzustellen, sagt Simchen: "Vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel muss man sagen, dass auch viele große Unternehmen durchaus bereit sind, dem Thema offener gegenüber zu stehen, weil es einfach auch Menschen braucht, die irgendwo mit anpacken."

Erik Simchen
Bevor Erik Simchen die Leitung der Werkstatt übernahm, arbeitete er als Abteilungsleiter bei einem mittelständischen Metallverarbeiter. Bildrechte: MDR/Konstantin Henß

Bei der Leipziger Lebenshilfe-Werkstatt nehmen neben der Frisörin Julia auch Tauschpartner von BMW Leipzig, dem Entsorgerfachbetrieb GfA Süd, Fielmann am Markt und dem städtischen Altenpflegeheim "Goldener Herbst" teil und ermöglichen den Beschäftigten aus der Werkstatt ebenso einen Einblick in ihren Arbeitsalltag.

Botschafter: veralteten Vorstellungen entgegentreten

Der "Schichtwechsel"-Botschafter Norman Saß betont die Bedeutung des Projekts für das öffentliche Bewusstsein: "Das Projekt Schichtwechsel kann vielleicht das Thema Werkstatt für Menschen mit Behinderung in die öffentliche Wahrnehmung holen." Er weist darauf hin, dass viele Betriebe noch immer veraltete Vorstellungen von der Arbeit in Werkstätten haben und betont: "Die Mitarbeitenden in Werkstätten müssen ihren Lohn erwirtschaften", so Saß weiter. Die Beschäftigtenentgelte für die Menschen mit Behinderung liegen in Sachsen zwischen 200 und 300 Euro und gegebenenfalls Leistungen zur Grundhilfe.

MDR (sme/koh)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 10. Oktober 2024 | 19:00 Uhr

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