Landtagswahl Experte: Zweikampf zwischen CDU und AfD könnte andere Parteien aus dem Parlament drängen
Hauptinhalt
26. Februar 2024, 12:00 Uhr
Im Superwahljahr 2024 scheint Deutschland ein Eldorado für neue Parteien zu sein. Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht und der Werteunion gehen gleich zwei Neulinge an den Start, die sich auch in Mitteldeutschland gute Chancen ausrechnen. Über ihre Erfolgschancen und mögliche Risiken im Wahlkampf hat MDR SACHSEN mit dem Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger gesprochen. Er ist am Montagabend zu Gast bei "Fakt ist!" im MDR FERNSEHEN.
Herr Träger, wenn man die aufkommenden kleinen Parteien als Unternehmen betrachten würde, dann wittern sie anscheinend gerade eine Marktlücke. Warum ist das in Sachsen und Thüringen im Moment so?
Dass beispielsweise die Werteunion und das Bündnis Sahra Wagenknecht in Sachsen und Thüringen besondere Aufmerksamkeit erregen, hat mit dem Wahlkalender zu tun. Bei der Europawahl und der Kommunalwahl gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde. Deshalb ist es dort für kleine Parteien einfacher, zu reüssieren. Das gibt ihnen die Chance, auf einer möglichen Erfolgswelle Richtung Landtagswahlen im Herbst zu segeln.
Eine richtige Marktlücke besetzt doch strenggenommen nur das Bündnis Wagenknecht. Eine Partei, die wirtschaftspolitisch links und gesellschaftspolitisch rechts ist, gibt es ja noch nicht.
Die Frage ist, ob dieser Ansatz in der politischen Realität funktioniert. Das Bündnis Wagenknecht wird ja irgendwo zwischen Linken und AfD verortet. Leute, die bisher AfD gewählt haben, wird man vielleicht mit einer restriktiven Migrationspolitik überzeugen können, aber ob sie sich mit einer linken Wirtschaftspolitik anfreunden können, sei dahingestellt. Am Ende kann das beim Bündnis Wagenknecht zu einem Spagat zwischen Wirtschaftspolitik auf der einen und Gesellschaftspolitik auf der anderen Seite kommen. Ob beides wirklich zusammenpasst, wird sich zeigen.
Werden manche neue Parteien auch überschätzt?
Sowohl das Bündnis Wagenknecht als auch die Werteunion haben den Reiz des Neuen. Von daher bekommen sie auch Vorschusslorbeeren. Ähnlich ist das bei den Freien Wählern, weil diese bisher nicht im Landtag vertreten sind. Aber Aufmerksamkeit führt nicht automatisch zu längerfristigem Erfolg.
Ein Beispiel ist die Partei Rechtsstaatlicher Offensive - umgangssprachlich nach dem Gründer Ronald Schill auch Schill-Partei genannt. Die schaffte 2001 in Hamburg aus dem Stand fast 20 Prozent und konnte mit CDU und FDP eine Regierung bilden. Doch 2004 flog sie sang- und klanglos aus der Bürgerschaft. Ähnlich wie das Bündnis Wagenknecht, aber auch die Werteunion war die Schill-Partei sehr stark auf eine Person zugeschnitten. Bricht diese Person weg, dann kann es für die Partei schnell schwierig werden.
Ist der Boom der kleinen Parteien eine Momentaufnahme oder gibt es einen grundlegenden Wandel im Parteiensystem?
In Deutschland gab es jahrzehntelang ein stabiles Parteiensystem, das lange Zeit im Bundestag nur aus CDU/CSU, SPD und FDP bestand. Später kamen dann die Grünen und nach der Wiedervereinigung die PDS/Linke dazu. Das geschah aber alles allmählich und im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, wie zum Beispiel Dänemark, Schweden oder den Niederlanden, haben wir trotzdem relativ wenige Parteien im Parlament. Von daher erleben wir vielleicht eine Anpassung an die Situation in anderen Ländern.
Nach einem Korruptionsskandal ist das italienische Parteiensystem 1994 zusammengebrochen. Danach bekamen Populisten à la Berlusconi die Oberhand. Steht uns Ähnliches bevor?
Der Populismus wird jetzt nicht das dominierende Element in unserem Parteiensystem sein, aber auch da gibt es eine Angleichung an andere europäische Länder. Italien passt da als Beispiel gut, ebenso Großbritannien mit der Ukip. Ohne Populismus wäre es wahrscheinlich nicht zum Brexit gekommen.
Im Fußball heißt es: Entscheidend ist, was auf dem Platz passiert. Auch in der Politik lässt sich trefflich spekulieren, aber am Ende entfaltet jeder Wahlkampf seine eigene Dynamik. Was erwarten Sie diesbezüglich zum Beispiel in Sachsen?
Ähnlich wie 2019 könnte es zwischen CDU und AfD einen Zweikampf geben. Die CDU muss sich aber gut überlegen, ob sie sich ausschließlich auf diesen Kampf um Platz eins konzentriert. Der Grund ist, dass dieses Duell zu Lasten der anderen Parteien gehen könnte, mit denen die CDU regierungs- und koalitionsfähig wäre. In diesem Szenario könnte es passieren, dass ein paar Parteien unter die Fünf-Prozent-Hürde gedrückt werden, weil eine Dynamik entsteht, in der sie öffentlich kaum noch vorkommen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 26. Februar 2024 | 22:10 Uhr