Zum Weltwassertag Dresdner Trinkwasser sichern: Mit Sandfiltern, Kalk und Abwehr von Cyberangriffen

22. März 2023, 19:41 Uhr

Fast nichts ist selbstverständlicher in Deutschland als sauberes Wasser aus dem Hahn. Damit dies dort herausläuft, muss ziemlich viel passieren. Was Trinkwasser mit Kalk, bunten Fenstern und Cybersicherheit zu tun hat und warum sich Dürre auch auf die Trinkwasserversorgung auswirken kann, hat MDR SACHSEN bei einem Blick hinter sonst verschlossene Türen des Wasserwerks in Dresden-Coschütz erfahren.

Es ist uns oft nicht bewusst: Ohne Wasser wartet nach spätestens drei Tagen der sichere Tod. Hingegen hält es der Mensch Wochen ohne Nahrung aus. Drei Wasserwerke bereiten für die Dresdner das Trinkwasser auf. Sie sind die stillen Helden von Elbflorenz, die im Hintergrund ihren Dienst tun, auf die aber nur selten Ruhm herabflirrt.

Das größte Wasserwerk Sachsens

Hoch oben auf der Räcknitzhöhe in Dresden-Coschütz liegt das wichtigste Wasserwerk Dresdens und das größte Wasserwerk Sachsens. Ein kopfsteinpflasterumwölbter Weg führt geradeaus, rechts und links säumen Bäume den Weg. Es folgen ein Pförtnerhäuschen, eine große Wiese und am Ende der Sichtachse ein braunes Haus mit grüner Tür. Symmetrisch, bescheiden und unspektakulär wird sich dieses Haus später als wertvolle Kalkwasser-Produktion und damit mit als wichtiger Baustein des Wasserwerkes offenbaren.

Wasser aus dem Erzgebirge

Doch vorher führt Chef-Technologin Aline Dietze im Verwaltungshaus an die große Wassergrafik. Sie zeigt: Das Wasserwerk Coschütz bezieht sein Wasser aus der Talsperre Klingenberg im Erzgebirge. Ingenieure haben vor etwa 100 Jahren Stollen in die Erde gehauen und Leitungen verlegt. So fließen auf einer Strecke von etwa 20 Kilometern rund 3.800 Kubikmeter Rohwasser pro Stunde das 150-Meter-Gefälle vom Osterzgebirge nach Dresden hinunter.

Trinkwasser muss aufbereitet werden

Hier könnte die Geschichte zu Ende sein. Doch das Rohwasser ist längst kein Trinkwasser: "In den Trinkwassertalsperren darf zwar niemand baden", erklärt Technologin Aline Dietze. Trotzdem müsse es noch gesäubert werden. "Laub, feine Sandpartikel, organische Strukturen, wir müssen wir das Trinkwasser gemäß aktueller Standards aufbereiten."

IT-Sicherheitsexperte Jens Mittmann freut sich über das Gefälle der Stollen und Leitungen aus dem Osterzgebirge. "Die Ingenieure damals haben eine bauliche Meisterleistung vollbracht. Hier laufen große Mengen Wasser durch ohne Pumpenenergie", erklärt der Experte. "Das ist auch ein großer Vorteil bei einem möglichen Stromausfall." Somit brauche es nur geringe Mengen Energie, die im Notfall zugeführt werden müssten.

Wasserversorger in Dresden gehört zu Kritischer Infrastruktur

Das Wasserwerk Coschütz versorgt etwa 60 Prozent der Dresdner Bevölkerung, das entspricht rund 340.000 Menschen. Die Wasserwerke in Hosterwitz und Tolkewitz übernehmen den Rest. Stoppt hier die Trinkwasserversorgung, sitzen Hunderttausende Menschen auf dem Trocknen. Sie können kein Wasser aus dem Hahn mehr trinken, nicht mehr kochen und auch nicht mehr spülen, wenn sie auf Toilette gehen. Deswegen gehört die "Drewag Stadtwerke Dresden GmbH", die die Werke betreibt, zur Kritischen Infrastruktur (KRITIS). Nach dem IT-Sicherheitsgesetz muss sie spezielle Sicherheitsvorkehrungen treffen, um die Wasserversorgung gegen Cyber-Angriffe zu schützen und im Notfall bei Stromausfall gerüstet zu sein.

Die Zahl der Cyberangriffe hat in den vergangenen Jahren allgemein zugenommen. Wir haben ein hohes Sicherheitslevel geschnürt.

Jens Mittmann Fachreferent Prozesse/Organisation Bereich Wasser bei der Drewag

Sind Cyberangriffe möglich?

"Die Zahl der Cyberangriffe hat in den vergangenen Jahren allgemein zugenommen", erklärt Jens Mittmann. Zwar seien die Wasserwerke in Dresden noch nicht betroffen gewesen, doch man müsse sich rüsten. "Ich kann nicht ins Detail gehen, doch wir haben mit hohen organisatorischen und technischen Maßnahmen ein hohes Sicherheitslevel geschnürt."

Was hat Strom mit Trinkwasser zu tun?

Strom wird überall gebraucht. Ohne Strom kann das Wasser nicht durch die Leitungen in Dresden verteilt, das Rohwasser kann nicht vom Laub befreit, der PH-Wert nicht eingestellt werden und die Filter funktionieren auch nicht. Das komplette Werk ist technisiert, digitalisiert, alles läuft in einer Leitzentrale zusammen. Durch IT-Systeme werden die technischen Anlagen gesteuert. Das ist auch der empfindsame Punkt, an dem die Versorgung angreifbar ist.

Angreifer versuchen in Systeme einzudringen

Cyberattacken wie auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld (Hacker legten die Verwaltung lahm, sodass der Landkreis den Katastrophenfall ausrufen musste), die Funke Mediengruppe (wochenlang konnten in Thüringen die Tageszeitungen nur in Notausgaben mit wenigen Seiten erscheinen) sowie jüngst der Cyber-Angriff auf die TU-Freiberg sind reale Probleme. "Die Angreifer versuchen in solchen Fällen mit verschiedenen Methoden in die Systeme einzudringen", erklärt Mittmann. Dort könnten sie im schlimmsten Fall Prozesse blockieren oder die Steuerung übernehmen. "Doch dazu darf es nie kommen." Die Vorkehrungen seien immens, verschiedene Worst-Case-Szenarien durchgespielt, ständig werde kontrolliert.

Sicherheitsarchitektur wie eine Zwiebel

"Die IT-Struktur der Anlagen ist aufgebaut wie eine Zwiebelmodell. Jede Zone kann einzeln vom Netz genommen werden", erklärt Mittmann. "Der sensibelste Bereich läuft völlig autonom. Nur über Schnittstellen ist er mit dem restlichen System verbunden." Zudem gebe es Warnsysteme, die Unregelmäßigkeiten melden. Das ermögliche, die Systeme rechtzeitig vom Internet abzuschalten und potenzielle Angriffe zu stoppen. Ein solches Warnsystem hat wahrscheinlich auch die TU Freiberg vor größerem Schaden bewahrt. Mitarbeiter des Rechenzentrums hatten dort offenbar rechtzeitig die Internetverbindung gekappt.

Einfallstor Putzdienst und Mitarbeiter

Wie es Unbefugten gelingt, doch in gesicherte Systeme großer Institutionen einzudringen, wissen die Experten. "Ein Einfallstor sind tatsächlich Reinigungskräfte", weiß Mittmann. Im Auftrag könnten sie USB-Sticks in Rechner stecken, die Passwörter abfangen und somit Hackern von außen Zutritt ermöglichen. Eine empfindliche Stelle seien auch Mitarbeiter, denen E-Mails mit gefährlichen Inhalten zugesandt werden - und "die sie auf keinen Fall öffnen sollten". Etwa sieben Stunden könne die Wasserversorgung ohne Strom gesichert werden. Für den Notfall gebe es jedoch auch Netzersatzanlagen und Wassertankfahrzeuge. "Wir geben alles, um die Wasserversorgung zu sichern und den Dresdner Bürgern qualitativ hochwertiges Wasser zu liefern", erklärt Mittmann.

Hintergrund zur Wasserversorgung - Das Wasserwerk Coschütz wurde während des Zweiten Weltkrieges gebaut und schon vor der Eröffnung bombardiert. Im Jahr 1946 konnte es nach der Reparatur geöffnet werden.
- Die Talsperre Klingenberg ist schon etwas älter. Sie entstand in der Zeit von 1908 bis 1914.

Filterhalle strahlt mit bunten Fenstern

Mittlerweile hat Chef-Technologin Dietze in die Filterhalle des Wasserwerks geführt, das architektonisch-ästhetische Herz des Werks. Die bunten Fenster werfen Farbakzente in die Halle, die rechts und links des Mittelganges von mit Wasser gefüllten Filterbecken gesäumt ist. Auf Stegen zwischen den Becken läuft das klare Gebirgswasser, das bereits von Laub und groben Sedimenten befreit und im PH-Wert angeglichen ist, nach rechts und links in die Becken. Dort sickert es erst durch Sand und später durch spezielle Filter nach unten. Fünf Grad hat die Temperatur des Wassers. "Die Fenster sind nicht zum Spaß so bunt", unterbricht Mittmann die Farbbegeisterung. "Durch die gefilterte Sonneneinstrahlung wird die Bakterienbildung im Wasser minimiert."

Die Rohre mit dem Reinwasser

Dietze ist noch längst nicht am Ende. "Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wie es unter der Filterhalle aussieht", sagt sie und lädt ein zu folgen. Eine Etage unter dem Mittelgang lässt sich durch ein Bullauge beobachten, wie sich das klare Wasser unter den Filterbecken sammelt. Es ist so klar, dass man es fast nicht erkennt, so durchsichtig ist es, so frei von Schwebstoffen. "Das Reinwasser wird in den Rohren abtransportiert und abschließend mit Kalk behandelt", erläutert Dietze.

Kalk – der Schlüssel zum Wasserglück

Doch warum Kalk? "Einerseits müssen wir das weiche Gebirgswasser etwa aufhärten, um es an die Wasserqualität in den Wasserwerken in Tolkewitz und Hosterwitz anzupassen", erklärt Dietze. Andererseits solle sich eine leichte Schicht Kalk auf die Rohre legen, um sie vor Korrosion zu schützen." Auch im ersten Schritt der Wasseraufbereitung sei Kalk wichtig, um durch die Zugabe des sogenannten Flockungsmittels die Laubreste im Wasser zusammenzuklumpen und somit leichter abzusieben. Überhaupt sei die eigene Kalkwasser-Produktion im Wasserwerk Coschütz eine Besonderheit. "Wir brauchen so viel Kalk. Den können wir nicht einzeln hier anfahren", erklärt Dietze.

Nachdem das Trinkwasser den letzten Schliff Kalkwasser bekommen hat, läuft es in den Hochbehälter. Von dort wird es je nach Verbrauch in die Trinkwasserrohre abgegeben. "Morgends und abends wird das meiste Wasser verbraucht", lacht Dietze. "Immer, wenn Menschen duschen oder essen." Im Mittel verbrauchen die Dresdner 125.000 Kubikmeter Trinkwasser am Tag. Grundsätzlich stehen 150.000 Kubikmeter bereit.

Reicht das Wasser bei der nächsten Dürre?

Doch der Verbrauch kann auch nach oben schnellen, weiß die Chef-Technologin Dietze. Im späten Frühjahr, wenn viele ihr Gärten gießen oder ihre Pools füllen, steige er schon einmal auf 160.000 Kubikmeter Wasser. Dann müsse nachjustiert werden. Das könnte sich bei Dürre verschärfen, dann seien Entnahmeverbote nicht auszuschließen. "Wasser ist begrenzt", betont Dietze. Die Dürre sei eine große Herausforderung für die Versorgung. "Gerade in den Dürrejahren musste das Trinkwasser zurückgefahren werden." Der Wasserstand in der Talsperre Klingenberg sei in dieser Zeit immens gesunken.

Leere Talsperre – Wassermangel in Dresden

Neigt sich das Reservoir in der Talsperre Klingenberg dem Ende, wird das Trinkwasser auch in Dresden knapper. Die Wassergewinnung aus Uferfiltrat (dem Grundwasser nahe des Elbufers) ist auch endlich. Laut Umweltamt Sachsen herrscht aktuell die größte Grundwasserdürre seit Beginn der Aufzeichnungen. "Wasser ist auch nahe des Erzgebirges kein unendliches Gut. Das sollten wir uns alle regelmäßig vor Augen führen", resümiert Dietze.

MDR (tom)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Guten Morgen Sachsen | 21. März 2023 | 06:40 Uhr

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