Interview "Ordentliche Strafen" für Angeklagte im Juwelen-Prozess

17. Mai 2023, 14:38 Uhr

Dreieinhalb Jahre nach dem Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden sind die Urteile verkündet worden. Nach einem juristischen Deal erhielten die Angeklagten mildere Strafen – auch weil ein Teil der Schätze dadurch zurückgegeben wurde. Jurist und CDU-Politiker Geert Mackenroth betont im Interview, dass beim Urteil nach pragmatischen Lösungen gesucht werden musste.

MDR AKTUELL: Noch immer sind nicht alle Schmuckstücke wieder aufgetaucht und andere haben die Täter schwer beschädigt zurückgegeben. Reicht Ihnen dieses Urteil, Herr Mackenroth?

Geert Mackenroth: Reichen ist eigentlich keine Kategorie, sondern wir gucken, ob sich unsere Justiz blamiert oder bewährt hat. Da würde ich sagen, die Mühlen der Justiz mahlen zwar langsam, aber sie mahlen. Und sie haben auch in diesem Fall gemahlen und sie haben – wie ich finde– durchaus ordentliche Strafen ausgeworfen.

Die Angeklagten gehören zu dem arabischstämmigen Remmo-Clan aus Berlin, der teils auch beim Raub der Goldmünze aus dem Bode-Museum dabei war. Mit diesem Clan hat die Staatsanwaltschaft inen Deal ausgehandelt: Sie geben das Diebesgut zurück und die Staatsanwaltschaft sichert festgelegte Höchststrafen zu. Haben Sie das so im Jurastudium gelernt?

Der Deal im Strafverfahren ist seit Jahrzehnten unter Juristen hochumstritten, denn wir handeln doch nicht mit der Gerechtigkeit und der Rechtsstaat muss sich doch durchsetzen. Aber: Wir müssen nach pragmatischen Lösungen suchen. Unser Bundesgerichtshof hat klare Regeln aufgestellt, wie das Vorgehen in solchen Fällen ist. Ich habe ein bisschen Probleme, wenn Deals ausgehandelt werden, weil die Gerichte nicht nachkommen. Das darf nicht sein. Hier haben wir noch einen besonderen Fall: Der Deal hat sichergestellt, dass große Teile der Beute wieder zurückkommen. Das ist noch eine Besonderheit, die für mich den Deal noch in anderem Licht erscheinen lassen.

Aber es wurden nicht alle Schmuckstücke zurückgegeben. Müsste das nicht Einfluss haben auf das Urteil?

Das hinterlässt auch bei mir ein Geschmäckle. Wir haben es nicht mit rundum geständigen Tätern zu tun, sondern da wird auch eine klare Strategie erkennbar: Wir verpfeifen unsere Leute nicht, wir sorgen nicht für vollständige Aufklärung und wir gucken nicht, wo die Hintermänner sitzen. Sondern wir suchen allein unseren Vorteil. Das kann ich verstehen. Aber das hinterlässt bei mir auch einen faden Beigeschmack, ohne dass ich da irgendjemandem einen Vorwurf machen will.

Was macht dieser Deal mit weiteren Prozessen dieser Art und mit den Richtern? Müssen sie sich künftig daran orientieren und sich auf Deals mit kriminellen Clans einlassen?

Wir haben bestimmte Regeln für einen Deal und die werden sich die meisten Richter vor Augen führen, wenn sie sich daran wagen. Im Hinterkopf haben sie ganz bestimmt, dass es keinen Handel mit der Gerechtigkeit geben darf. Wenn es kein Verscherbeln der Werte des Rechtsstaates ist und das ist es nicht bei diesen hohen Strafen, die im Remmo-Prozess herausgekommen sind, nicht, dann finde ich das unterm Strich in Ordnung. Dann kann man das auch mit vorsichtiger Hand weitermachen. Präzedenzwirkungen erkenne ich nicht.

Der Remmo-Clan leistet sich teure Anwälte, bedroht Zeugen und heuert den Nachwuchs an, der unter das Jugendstrafrecht fällt. Haben die Clans die Hoheit oder sitzt die Staatsgewalt am längeren Hebel?

Unterm Strich würde ich auch aus meiner langjährigen Erfahrung als Richter und Staatsanwalt sagen, dass wir sie irgendwann alle kriegen. Niemand soll sich darauf verlassen, dass er durch die Lücken des Rechtsstaates, die es gibt, dauerhaft durchkommt. Unterm Strich, glaube ich, kann sich keiner darauf verlassen, dass er straffrei davonkommt. Das Beste ist, einfach straffrei zu leben. Es ist nicht so, dass wir hier rechtsfreie Räume schaffen oder dass wir rechtsfreie Räume dulden. Die Mühlen mahlen langsam und holprig, aber sie mahlen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 17. Mai 2023 | 06:00 Uhr

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