Remmo-Clan Urteil gefallen: Jahrelange Haft für Juwelendiebstahl aus Grünem Gewölbe
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16. Mai 2023, 13:47 Uhr
Es war ein dreister Coup mit Beute im Millionenwert. Dreieinhalb Jahre nach dem spektakulären Juwelendiebstahl aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresden sind die Urteile verkündet worden. Weil ein Teil der Schätze wieder zurück ist und die Angeklagten die Taten nach einem juristischen "Deal" teilweise gestanden hatten, erhielten sie mildere Strafen. Und drei von ihnen kommen zunächst auf freien Fuß.
Im Prozess um den Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden sind fünf der sechs Angeklagten zu mehrjährigen Haft- oder Jugendstrafen verurteilt worden. Das Dresdner Landgericht sprach sie der besonders schweren Brandstiftung, der gefährlichen Körperverletzung, des Diebstahls mit Waffen, der Sachbeschädigung und der vorsätzlichen Brandstiftung schuldig.
Die Urteile: Drei mit "Deal" Verurteilte zunächst auf freiem Fuß
Rabieh Remo, einer der Haupttäter, muss sechs Jahre und zwei Monate ins Gefängnis. Sein Komplize Wissam Remmo bekam sechs Jahre und drei Monate. Bashir Remmo wurde zu fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Ein weiterer Tatbeteiligter wurde nach dem Jugendstrafrecht zu vier Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Die vier Angeklagten hatten bei einem "Deal" Geständnisse abgelegt und einen Teil der Beute zurückgegeben. Bei drei der verurteilten Männer wurde der Haftbefehl unter Auflagen ausgesetzt. Sie müssen erst ins Gefängnis, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Diese Haftverschonung war ebenfalls Teil des Deals. Wissam Remmo bleibt wegen des Diebstahls der Berliner Goldmünze in Haft.
Zu dem Deal sagte der Vorsitzende Richter Andres Ziegel, dies sei ein gesetzliches Instrument, das jedem Täter zugestanden werden müsse. Ohne diese Abmachung wären die Schmuckstücke wohl nie in das Grüne Gewölbe zurückgekehrt. Dies müsse strafmildernd gewertet werden. Auch wenn die Beute nicht vollständig zurückgegeben und teilweise beschädigt wurde.
Ein fünfter Angeklagter wurde zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt - unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung. Der 24-Jährige bestritt bis zum Schluss seine Beteiligung am Einbruchdiebstahl. Er will nur Einbruchswerkszeug wie die Äxte besorgt haben. Er bleibt aber wegen Fluchtgefahr im Gefängnis. Ein sechster Angeklagter wurde freigesprochen, weil er zur Tatzeit ein Alibi hatte. Allerdings sitzt er ebenfalls wegen des Diebstahls der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum in Haft.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Revision kann binnen einer Woche eingelegt werden. Die Verteidiger zeigten sich in einem ersten Statement aber zufrieden mit dem Ergebnis des Prozesses.
Kulturministerin Klepsch: Sachsen prüft Schadenersatz-Klage
Die sächsische Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) war nach den Urteilen erleichtert. Sie sei vor allem froh und dankbar, dass es den Ermittlungsbehörden im Verfahren gelungen war, einen erheblichen Teil des Diebesgutes sicherzustellen, sagte die Ministerin. "Damit wurde ein Teil der Wunde in unserem Staatsschatz wieder geschlossen, und die Täter wurden rechtmäßig verurteilt".
Ungeachtet des Urteils werde der Freistaat prüfen, ob weitere rechtliche Ansprüche in einem zivilrechtlichen Prozess geltend gemacht werden, kündigte Klepsch an. Sie bezog sich dabei auf den Schaden für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden durch die nicht zurückgegebenen Schmuckstücke. Er wird auf rund 89 Millionen Euro geschätzt.
Damit wurde ein Teil der Wunde in unserem Staatsschatz wieder geschlossen, und die Täter wurden rechtmäßig verurteilt.
Von Lob bis Entsetzen: Reaktionen nach den Richtersprüchen
Das sagt der Ministerpräsident
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach von einer "wichtigen Etappe" bei der Aufarbeitung des Falles. Das Urteil sei eine "gewisse Genugtuung", könne aber den eingetretenen ideellen und materiellen Schaden nicht wieder gutmachen.
GdP-Sprecher: "Signal, dass sich Kriminalität lohnt"
Ganz anders bewertet die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin das Urteil. Sprecher Benjamin Jendro sagte, es sei ein Signal des Rechtsstaates, dass sich Kriminalität ein Stück weit auch lohne, weil nicht alles von dem Deal umgesetzt worden sei. "Sie gehen nach ein paar Jahren aus dem Gefängnis wieder raus als gemachte Männer und haben immer noch Beute irgendwo versteckt, die sie zu Geld gemacht haben". Der Respekt auf der Straße vor dieser Familie sei jetzt noch ein bisschen größer geworden, so Jendro.
Sie gehen nach ein paar Jahren aus dem Gefängnis wieder raus als gemachte Männer und haben immer noch Beute irgendwo versteckt, die sie zu Geld gemacht haben.
Rückblick auf den Prozess am Landgericht Dresden
Im Januar 2022 begann der Prozess gegen die sechs Angeklagten vor dem Landgericht Dresden. Sie gehören alle dem Remmo-Clan, einer arabischstämmigen Großfamilie aus Berlin, an. In den Verhandlungen gaben sich drei Staatsanwälte und zwölf Verteidiger immer wieder einen juristischen Schlagabtausch. Eine Wendung nahm das Verfahren als ein sogenannter Deal ausgehandelt wurde. Mit Aussicht auf ein geringeres Strafmaß wurde ein Teil der Beute zurückgegeben und vier Angeklagte legten Geständnisse ab.
Zahlen eines Mammutprozesses
- drei Staatsanwälte
- sechs Angeklagte
- zwölf Verteidiger, davon sechs Pflichtverteidiger
- 47 Verhandlungstage
- mehr als 100 Zeugen
Einbruch ins Grüne Gewölbe im November 2019
Vor dreieinhalb Jahren waren Diebe ins Residenzschloss in der Dresdner Altstadt eingestiegen. Im Juwelenzimmer des Historischen Grünen Gewölbes hatten sie eine Vitrine eingeschlagen und 21 Schmuckstücke mit rund 4.300 Diamanten und Brillanten gestohlen. Der Wert dieser Juwelen wird auf 116 Millionen Euro geschätzt. Kurz vor dem Einbruch hatten die mutmaßlichen Diebe einen Brand gelegt, durch den Teile der Straßenbeleuchtung in der Dresdner Altstadt ausgefallen waren. Auf der Flucht hatten sie nach Angaben der Ermittler ein Auto in einer Tiefgarage in Brand gesetzt, um Spuren zu verwischen.
"Trittbrettfahrer" gesteht Betrug vor Gericht
Am Dienstag hat noch ein weiterer Prozess im Zusammenhang mit dem Juwelendiebstahl begonnen. Ein vermeintlicher Kunstexperte hatte den Staatlichen Kunstsammlungen laut Anklage Unterstützung beim Kauf eines der gestohlenen Schmuckstücke angeboten. Nach der Geldübergabe in den Niederlanden war er aber verschwunden. Seit einem halben Jahr sitzt er nun in Untersuchungshaft. Zum Auftakt gab er den Betrug zu.
MDR (cba/kbe/ama)/epd/dpa/reuters
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. Mai 2023 | 19:00 Uhr