Bund will Förderung streichen Hellerau-Intendantin: Mittelstreichung bedeutet radikale Einschränkung des Programms
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06. August 2024, 14:11 Uhr
Das Europäische Zentrum der Künste Hellerau kritisiert Pläne der Bundesregierung, Fördergelder für die freie Kulturszene zu streichen. Intendantin Carena Schlewitt hat eine Petition gegen die Maßnahmen unterzeichnet. Sie sagte MDR KULTUR, Hellerau müsste sein Programm dann radikal einschränken. Aus dem Haushaltsentwurf von Kulturstaatsministerin Claudia Roth war hervorgegangen, dass dem Bündnis internationaler Produktionshäuser sämtliche Bundesmittel gestrichen werden sollen. Hellerau ist Teil des Bündnisses. Über mögliche Folgen spricht Schlewitt im Interview.
MDR KULTUR: Kam die Entscheidung der Streichung der Bundesmittel für Sie völlig unerwartet?
Carena Schlewitt: Ja, sie kam für uns alle völlig unerwartet. Sie hat uns kalt erwischt, wie man so schön sagt. Es wurde in keinster Weise angedeutet. Und insofern saß der Schock tief. Und er sitzt auch noch irgendwo, mit Sicherheit – auch wenn wir direkt ins Handeln gekommen sind.
Wie sehr hängen denn Sie und die anderen namhaften Produktionshäuser von diesem Geld ab?
Das Bündnis besteht seit 2015, seit 2016 wird es gefördert, und wir haben in diesen Jahren viel zusammen entwickelt. Das sind gemeinsame Projekte, internationale Produktionen. Es sind besondere Projekte, auch jeweils vor Ort mit den Stadtgesellschaften im Bereich Kunst und Begegnung, Vermittlung, neue Publikumsschichten, migrantische Gesellschaften. Digitalität spielt eine Rolle – vieles umgelegt auf künstlerische Projekte natürlich und vieles auch gemeinsam entwickelt.
Und in diesem Atemzug, also dieser Zusammenarbeit, haben wir auch Weiterbildungsakademien für die Szene entwickelt. Und jährlich findet auch ein Festival des Bündnisses statt, immer an einem anderen Ort zu bestimmten Themen, was auch gleichzeitig eine Arbeitsplattform ist. Inzwischen gibt es sehr viele Vorhaben, die unsere Häuser auch einzeln prägen und die das Bündnis zusammen prägt.
Wir können es eigentlich gar nicht so richtig glauben.
Und nächstes Jahr hätten wir unser zehnjähriges Bestehen. Wenn jetzt das wirklich so eintreten sollte, dieser Förderstopp, dann würden plötzlich für alle unsere Häuser viele von diesen Aktivitäten wegfallen müssen. Ein Schwerpunkt sind die internationalen Projekte. Und das in Zeiten, wo die internationale Vernetzung auch für Deutschland nach wie vor sehr wichtig ist.
Hängt die Existenz eines dieser Häuser, die dort in diesem Bündnis verbunden sind, davon ab?
Ich kann jetzt mal für Hellerau sprechen: Für uns würde das eine radikale Einschränkung der Programmarbeit bedeuten. Neben all diesen anderen Formaten, die ich genannt habe, könnten wir einfach nicht mehr in der Weise international arbeiten, aber auch nicht besondere Projekte vor Ort machen, mit Partnern vor Ort oder mit der Szene vor Ort. Also ja, es wäre eine vehemente und radikale Einschränkung unseres Programms damit verbunden.
Es wäre eine vehemente und radikale Einschränkung unseres Programms damit verbunden.
In dem Etat von Kulturstaatsministerin Claudia Roth gibt es noch weitere Streichungen, die die freie Theaterszene betreffen. Wie interpretieren Sie diese Entscheidung? Ist das ein Paradigmenwechsel, der da passiert?
Das fragen wir uns eben. Nachdem wir die letzten Jahre so erfolgreich, zum Beispiel in den Pandemiezeiten, auch als Bündnishäuser, mit dem Fond Darstellende Künste die Residenzen "Neustart Kultur" vergeben haben. Nachdem genauestens analysiert wurde, wie es der freien Szene in ganz Deutschland geht und welch wichtiger Faktor die freie Szene ist für die Stadtgesellschaft, für die Demokratie. Und insofern können wir das gar nicht richtig glauben, dass das wirklich so gemeint ist.
Sie sagten, Sie seien jetzt ins Handeln gekommen. Das heißt, dass Sie im Augenblick sehr viel sprechen, auf die Bedeutung hinweisen, Lobby-Arbeit machen. Wie viel haben Sie denn inzwischen nachträglich von der Kulturstaatsministerin gehört?
Aus dem Haus von Claudia Roth haben wir bisher noch nichts gehört. Da würden wir uns natürlich freuen, wenn wir recht bald auch ins Gespräch kommen würden.
Das Bündnis internationaler Produktionshäuser Das Bündnis internationaler Produktionshäuser (BiP) ist nach eigenen Angaben ein Zusammenschluss von sieben deutschen Institutionen der zeitgenössischen performativen Künste, die zu den bedeutendsten in Deutschland zählen. Mit der Vereinigung sollen lokale und internationale Kunstperspektiven zusammengebracht und gefördert werden. Dazu gehören unter anderem Künstlerresidenzen, Auftragsarbeiten, Koproduktionen und ortsspezifische Projektentwicklungen. Außerdem hat das BiP eine Akademie für freie Produzentinnen und Produzenten eingerichtet.
Quelle: MDR KULTUR (Carsten Tesch), redaktionelle Bearbeitung: op, hki, lm
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. August 2024 | 08:30 Uhr